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Autor Thema: Zweitablesug der Kreuzprobe - 'mal wieder
hzieser
kommt regelmäßig her
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ID # 64


  Erstellt am 12. Januar 2017 15:36 (#1)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Hallo!

Hier 'mal wieder Fragen zur Zweitablesesung der Kreuzprobe.

Bei uns im Hause haben wir festgelegt, dass die Zweitablesung nächtlicher Kreuzproben durch einen der diensthabenden Ärzte durchgeführt wird - nur eine MTLA im Bereitschaftsdienst.

Mittlerweile ist unser Zentrallabor innerhalb des Geländes umgezogen, also nicht mehr im sog. Haupthaus, sondern 5-Minuten-Fußweg entfernt.

Bei einem Blutungsnotfall nachts vor kurzer Zeit (; niemand ist zu Schaden gekommen,) hatten wir das Problem, dass alle Diensthabenden beschäftigt waren, auch diejenigen, die nicht "in die Blutung involviert" waren.
Und somit konnte die Kreuzprobe zunächst nicht abgelesen werden, und die MTLA durfte keine Konserven herausgeben.
Letztendlich fand sich natürlich doch jemand zur Ablesung, aber nur zufällig!

Wie kann man in der Zukunft verfahren ohne auf den Zufall zu vertrauen?
Einen "Blutgruppenautomaten" wird es vermutlich nicht geben.
In der derzeitigen Verfahrensanweisung sind "ungekreuzte Transfusionen" nur bei vitaler Indikation erlaubt.
Die Notfall-Blutanforderung haben wir definiert, wenn eine Transfusion innerhalb von drei Stunden wahrscheinlich ist, aber auch da fordert unsere VA eine Zweitablesung vor der Transfusion.
Wie sieht das rechtlich aus? Das erhöhte Transfusionsrisiko einer Notfall-Transfusionsrisiko trägt der transfundierende Arzt. Der kann aber nichts dafür, dass es nachts nicht noch einen Arzt für die Zweitablesung gibt ...
Ist es überhaupt ein Notfall, wenn es noch Zeit für eine Kreuzprobe gibt?

Fragen über Fragen!

Liebe Grüße

Hartmut Zieser

Beiträge: 9 | Mitglied seit: Juli 2005 | IP-Adresse: gespeichert
tfrietsch
Supermoderator
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ID # 24


  Erstellt am 22. Mai 2017 11:48 (#2)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Lieber Herr Zieser,
zur Zweitablesung heißt es in den Richtlinien:

4.4.5 Untersuchungsverfahren
4.4.5.1 Wahl der Untersuchungsmethoden
Die Wahl der Untersuchungsmethoden ist unter Berücksichtigung des aktuellen Wissensstandes zu treffen. Bei manueller Bestimmung von blutgruppenserologischen Befunden sind diese im Regelfall durch eine Zweitablesung
einer anderen qualifizierten Person zu kontrollieren.
Bei maschineller Bestimmung sind vergleichbare Befundabsicherungen durchzuführen. Bei allen unklaren
Befunden ist der Verantwortliche für die Blutgruppenserologie heranzuziehen…
In einem Notfall außerhalb der Routine ist die Präparateausgabe auch durch eine einzelne MTA gestattet.
Auch hier muss auf das erhöhte Transfusionsrisiko hingewiesen werden, da das 4-Augen-Prinzip nicht
eingehalten werden konnte.

RiliBÄK 4.5 Notfälle
In Notfällen kann von der Richtlinie abgewichen werden, soweit dies in der gegebenen Situation zur
Abwendung von Lebensgefahr oder eines ernsten Schadens für den Empfänger notwendig ist.
In diesen Fällen ist besonders auf die Gefahr von Verwechslungen und Fehlbestimmungen zu achten.
Notfälle und die Abweichung von den Richtlinien (z. B. bei Massivtransfusion) sind begründet zu dokumentieren.
Die AB0-Blutgruppen- und Rh-Bestimmung, der Antikörpersuchtest sowie die serologische Verträglichkeits-probe müssen aus einer Blutprobe, die vor der Notfalltransfusion entnommen werden sollte, auch dann vollständig durchgeführt werden, wenn die Transfusion aus vitaler Indikation bereits vorher erfolgt ist. Schnelltests zur Verträglichkeitsuntersuchung können für Notfälle herangezogen werden.
Das Ergebnis muss grundsätzlich durch das Regelverfahren bestätigt werden. Transfusionen aus vitaler Indikation ohne regelhaft abgeschlossene Voruntersuchung sind durch den transfundierenden Arzt als solche zu dokumentieren.
Das Transfusionsrisiko ist erhöht. Die Risikoabwägung trifft der transfundierende Arzt.
Das Ergebnis der serologischen Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) und des Antikörpersuchtests ist dem transfundierenden Arzt unverzüglich mitzuteilen

Das alles entbindet jedoch nicht von der ärztlichen Validierung der Ergebnisse = Befunderstellung!
Die MTA´s tätigen eine technische Validierung der Ergebnisse und teilen auch nur Ergebnisse mit. Die ärztliche Validierung ist vorgeschrieben (auch so kann der Befund erst abgerechnet werden) um zu sichern, dass ein negatives Ergebnis zu Recht negativ ist und damit KEIN erhöhtes Risiko für den Patienten bedeutet und das ein positives Ergebnis in der Eigenkontrolle, der Kreuzprobe im dirkten Cooms (DCT) oder im Antikörpersuch Test (AKS) ein Risiko bedeutet, welches und wie hoch es ist, was bei Transfusionen zu berücksichtigen ist und was nicht, etc….

RiliBÄK 4.4.1
Die Festlegung des Untersuchungsgangs, die Durchführung der blutgruppenserologischen Untersuchungen sowie die Auswertung der Untersuchungsergebnisse fallen in den Verantwortungsbereich des zuständigen Arztes, der eine Qualifikation gemäß Abschnitt 6.4.1.3.6 besitzen muss.

RiliBÄK 4.4.10
Die klinische Relevanz des nachgewiesenen Antikörpers bezüglich Transfusion und ggf. Schwangerschaft ist im Befundbericht anzugeben. Bei gebärfähigen Frauen ist die klinische Relevanz des nachgewiesenen Antikörpers für eine Schwangerschaft anzugeben und ggf. ein Titer zu bestimmen.

RiliBÄK 4.6 Dokumentation der blutgruppenserologischen Befunde
4.6.1 Allgemeines
Hersteller und Chargenbezeichnung aller Testreagenzien sind zu dokumentieren. Eintragungen von Blutgruppen- und Antikörperbefunden in Ausweise müssen von dem für die technische Untersuchung Verantwortlichen überprüft und durch seine Unterschrift bestätigt werden. Alle blutgruppenserologischen Untersuchungen einschließlich Reaktionsausfall und Kontrollen sind vollständig zu protokollieren. Die Befundinterpretation hat in der Verantwortung des Leiters des immunhämatologischen Labors nach Abschnitt 6.4.1.3.6 zu erfolgen.

RiliBÄK 6.4.1.3.6 Leitung eines immunhämatologischen Labors
Der Leiter eines immunhämatologischen Labors muss eine der folgenden Qualifikationen oder Voraussetzungen erfüllen: Facharzt für Transfusionsmedizin ….,

Siehe hierzu auch: Transfusionsrecht. Deutsch/Bender/Eckstein/Zimmermann, Stuttgart, 2. Aufl. 2007


Antwort: Medizinisch-technische Assistenten können also die angeforderten Untersuchungen ausweislich der Gesetzesbegründung „selbstständig und eigenverantwortlich“ durchführen. Der MTLA obliegt hier die Durchführungsverantwortung, der Arzt trägt die Anordnungsverantwortung und ihm obliegen Organisationspflichten in Bezug auf die Delegation von Laboruntersuchungen.
Die Beurteilungsverantwortung verbleibt stets bei der weitergebildeten ärztlichen Person, denn immunhämatologische Untersuchungen führen nicht zu einem Laborwert, der vom behandelnden Arzt gewertet wird, sondern zur Diagnosestellung.
Ebenfalls ist die Beratung des transfundierenden Arztes eine originäre Aufgabe der qualifizierten ärztlichen Person.

Beiträge: 330 | Mitglied seit: Dezember 2003 | IP-Adresse: gespeichert
tfrietsch
Supermoderator
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ID # 24


  Erstellt am 22. Mai 2017 12:02 (#3)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Zum erhöhten Transfusionsrisiko bei ungekreuzter Notfalltransfusion:

Das erhöhte Transfusionsrisiko trägt deshalb der transfundierende Arzt, weil er die aktuelle Transfusionsindikation stellen muss und nicht weil ein Befund pathologisch oder nicht abgesichert / validiert werden konnte.
Das wird leider häufig von manchen Kollegen missverstanden.
Z.B. auch, wenn bei einem ausstehenden Befund des Blutspendedienstes/Immunhämatologischen Speziallabor (Keine Elution zum Ausschluss einer verzögerten Transfusionsreaktion in der Nacht oder am Wochenende) eine „eingeschränkte“ Bereitstellung negativ gekreuzter Präparate stattfindet.
Auch hier trägt für das erhöhte Rest-Transfusionsrisiko der transfundierende Arzt die Verantwortung, aus dem gleichen Grund, nämlich der Festlegung der Dringlichkeit der Transfusionsindikation.
Wie hoch dieses Risiko tatsächlich ist, wird allerdings nicht gesagt, - könnte aber im Einzelfall Telefon-konsiliarisch beim Dienstarzt erfragt werden.
Diesem Risiko steht zudem das „Unterversorgungsrisiko“ gegenüber!
Man sieht an diesem Beispiel, wie wichtig für den transfundierenden Kollegen eine fachärztlich überwachte und geleitete Laborarbeit ist, eine gut geregelte Notfallversorgung, ein grundsätzliches Verständnis für die Art und Aussagekraft von angeforderten Untersuchungen und eine Grundkenntnis über einige pathologische immunhämatologische Befunde (Allo-AK, Auto-AK, verzögerte Transfusionsreaktion).

Siehe auch Erkenntnisse der Shot-Studie 2015:
Shot data 2012-2015 showing 4 year trends indicating the critical points in the labaratory processes where errors occur.

Man bekommt den Eindruck als ginge seit einigen Jahren in relevantem Umfang die Laborkompetenz verloren:
Zum Einen durch eine zunehmende fehlende ärztliche Leitung, die aus Kostengründen in Beratungsverträgen ohne persönliche Anwesenheit mündet, dadurch fehlende Kontrolle und fehlende Schulung der Mitarbeiter, zum Zweiten durch eine umfassende Automatisierung im Labor, die eine heutige MTA zur Maschinistin macht, die nicht mehr weiß, was sie misst und die Ergebnisse nicht mehr versteht, also Pathologien nicht erkennt oder nicht hinterfragt und deren Bedeutung für den Patienten nicht mehr kennt.
Betroffen sind vor allem die mittleren und kleineren Einrichtungen, denn Unikliniken leisten sich noch immer Laborärzte.
Erkennbar scheint auch ein mangelndes Verständnis der anfordernden Ärzte für Laboranforderungen, die Art der Untersuchungen (welches Material und warum, Einflussgrößen) und die potentiellen Fehlerquellen. Dies liegt u. A.an der Flut an Parametern, die z.T. indikationslos bestimmt werden und häufig nicht interpretiert werden können.
Es liegt also mit an uns, einerseits die ärztliche Präsenz zu fordern, andererseits aber auch die Ausübung mit Weiter- und Fortbildung aller Kollegen inklusive der MTAs zu intensivieren.

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Prof Dr. med. Thomas Frietsch
1. Vorsitzender der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft
für Klinische Hämotherapie IAKH e.V.
Anästhesiologie und Intensivmedizin
Universitätsmedizin Mannheim

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