Der Hämovigilanzbericht des Paul-Ehrlich-Instituts 2021 ist da!

Aktuelle Auswertung der Meldungen von schwerwiegenden Reaktionen und Zwischenfällen nach §63i AMG für 2021

 

Der aktuelle (für das Jahr 2021) Hämovigilanz-Bericht des PEI bezüglich der schwerwiegenden Transfusionsreaktionen und Nebenwirkungen der Blutprodukte ist "spannend". Anders als die Jahre zuvor waren 30 Meldungen von Fehltransfusionen eingegangen, davon 3 letal. Die Produktsicherheit und Konserventestung ist besser als je zuvor- eine Übertragung von Viruserkrankungen konnte 2021 nicht nachgewiesen werden. Damit bekräftigt sich einmal mehr unsere Forderung zur Priorisierung der Anwendungssicherheit von Blutprodukten. Während die Produktsicherheit kaum mehr zu steigern ist, und nur mit extrem kostspieligen Techniken geringe Verbesserungen erreicht werden, sind Investitionen und technische Neuerungen auf dem Gebiet der Anwendungssicherheit kostengünstig und effektiv- aber leider nicht im Fokus unseres Handelns und Forschens. 

So begrüßen wir die angebrachte Änderung des Fokus des diesjährigen Hämovigilanzbericht des PEI, in dem es im Vorwort zu lesen ist:

"Die Sicherheit von Blutprodukten wird jedoch von vielen weiteren Faktoren ( Anm. außer der Übertragung pathogener Erreger) beeinflusst. Hierzu zählen z.B. auch die Vermeidung von Verwechslungen bei der Abnahme von Kreuzblut, die adäquate Auswahl patientenkompatibler Blutprodukte und schlussendlich die korrekte Zuordnung des fertigen Produktes zum vorgesehenen Empfänger auf der Station oder in der Praxis. Die Dokumentations- und Meldepflichten von unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit der Anwendung von Blutprodukten dienen in erster Linie dazu, den hohen Sicherheitsstandard von Transfusionen zu gewährleisten und stetig zu verbessern. Der diesjährige Hämovigilanzbericht befasst sich in diesem Zusammenhang schwerpunktmäßig mit dem Thema der AB0-inkompatiblen Fehltransfusionen."

Die Inhaltsangabe ist enthält für uns Anwender von Belang neben dem allgemeinen Überblick über schwerwiegende unerwünschte Transfusionsreaktionen (SAR, 2021 Meldungen n=908)und Todesfälle (2021 n=7). Im Folgenden werden neben akuten allergischen/anaphylaktischen Transfusionsreaktionen (ATR, Kap. 4.3, 2021 Meldungen 320, bestätigt n=276), Transfusionsassoziierte Volumenüberladung (TACO, Kap. 4.4,Meldungen n=78, bestätigt n=67),  Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI, Kap. 4.5, Meldungen n=55, best. n=9), Transfusionsassoziierte Dyspnoe (TAD, Kap. 4.6, Meldungen n=24, best. n=20),  Hämolytische Transfusionsreaktion (HTR, Kap. 4.7, Meldungen n=20, best. n=20), Febrile nicht hämolytische Transfusionsreaktionen (FNHTR, Kap. 4.8, Meldungen n=200, best. n=181) Sonstige Transfusionsreaktionen und Transfusionsbedingte bakterielle/virale Infektionen (TBBI, TBVI, Kapp. 4.09-11, davon eine bakterielle Übertragung durch ein Thrombozytenkonzentrat tödlich] Fehltransfusionen (Fehl-TF, Kap. 4.13, Meldungen n=55, best. n=9) und Schwerwiegende Zwischenfälle (SAE, Kap. 4.14).

Besonders interessant, weil für uns Kliniker relevant, sind die Fehltransfusionen. Laut Definition des PEI umfasst der Begriff "... „Fehltransfusionen“ ... nicht nur die irrtümliche Transfusion einer Blutkomponente der falschen Blutgruppe, sondern alle fehlerhaften Abläufe, die zu einer geplanten oder durchgeführten Transfusion von Blutkomponenten führen, die nicht für den betroffenen Empfänger vorgesehen sind...Diese fehlerhaften Abläufe können auf...u. a. die fehlerhafte Übermittlung von Patientendaten, eine Verwechselung der Patienten in der Klink oder die Verwechslung der Blutkomponenten vor der Anwendung...zurückzuführen sein."

Fehltransfusionen mit Transfusionsreaktion sind für 2021 als "Fehl-TF SAR" (n=23) erfasst, ohne Transfusionsreaktion im üblichen Sinn sind als "Fehl-TF SAE" (n=5) registriert. Diesmal sind auch Beinahezwischenfälle unter dem Begriff "SAE" (n=16) erfasst, was den Anstieg der erfassten Fehltransfusions-Vorkommnisse zum Vorjahr erklärt. Bei den 5 Beinahe-Fehltransfusionen wurde eine AB0-inkompatible Transfusion gerade noch verhindert und liefen ohne Schaden für Empfänger ab. Bei 6 Fehl-TF-SAR waren milde Symptome, bei 11 Fehl-TF-SAR ein schwerer Verlauf mit invasiven Therapiemaßnahmen, bei drei trat eine sogenannte vitale Bedrohung durch die Transfusionsreaktion auf und bei weiteren  3 Fehl-TR-SAR wurde sehr wahrscheinlich der tödliche Verlauf durch die Fehltransfusion verursacht.

 

Die Anzahl der schwerwiegenden Zwischenfälle SAE, die "...einen fehlerhaften Arbeitsprozess oder fehlerhafte Materialien vermuten lassen und die zu schwerwiegenden Reaktionen beim Empfänger hätten führen können..." sind trotz gleichbleibender oder eher rückgängiger Verbrauchszahlen deutlich gestiegen. Das ist ein Hinweis auf ein erstmal in vielen Einrichtungen funktionierendes Meldesystem auch der folgenlosen Komplikationen bei der Anwendung von Blutpräparationen. Der Trend weist auf eine sehr wahrscheinlich vorhandene höhere Frequenz hin, da die Meldeempfehlung erst mit der Änderung der Richtlinienformulierung 2017 und der Annäherung an §63 AMG Abs. 6 (Novelle 2012) anstiegen.

Einen Herz-Kreislaufstillstand gab es bei der Spende, ca. 200 vaso-vagale Reaktionen mit Synkope von insgesamt 444 SAR bei ca. 6,5 Mio. Spenden. Das ist für uns Anwender eine Erinnerung, dass wir es mit einem Produkt zu tun haben, das nur durch die altruistische Motivation von Unbeteiligten hergestellt werden kann und bereits eine Risikolast mitbringt- eine Verpflichtung zum sorgsamen und wohlüberlebten Einsatz.

Die Zusammenfassung des Hämovigilanzberichts ist aus dem Original wörtlich übernommen. Die Lektüre dessen ist trotzdem wärmstens empfohlen, da zum Beispiel die Fallbeispiele und weitere Details hier nicht erwähnt sind.

"5. Zusammenfassung //

  • Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich aufgrund von Hämovigilanzdaten, die auf Spontanmeldungen beruhen, nur die Meldehäufigkeit, nicht aber die Inzidenz von schwerwiegenden Transfusionsreaktionen ermitteln lässt.

  • 2021 wurden wieder die höchsten SAR-Raten bezogen auf 106 transfundierte Einheiten für ATR nach TK-Gabe berichtet.

  • Die Melderate der Fälle einer transfusionsassoziierten Volumenüberladung nach EK-Gabe ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen (2016–2019: 12,96 pro 106 EK, 2020–2020: 21,27 pro 106 EK).

  • Bei den 28 Fällen einer bestätigten blutgruppeninkompatiblen Transfusion von EK kam es bei sechs Empfängern zu lebensbedrohlichen Komplikationen bzw. tödlichen Verläufen.

  • Hinsichtlich der transfusionsbedingten Übertragung von pathogenen Erregern kam es zu einem Fall einer HEV-Transmission durch zwei Plasmen von unterschiedlichen Spendern und zu fünf bestätigten Übertragungen von bakteriellen Erregern, mit einem tödlichen Verlauf nach einer TK-Gabe. Es wurde keine transfusionsassoziierte HIV-, HCV- oder HBV-Transmission bestätigt.

  • Die häufigsten schwerwiegenden Spende-SAR waren vasovagale Reaktionen mit Synkopen bei 171 von 444 bestätigten Reaktionen, die schwerwiegendsten Reaktionen waren drei kardiovasku- läre Reaktionen (u. a. eine ausgeprägte Herzrhythmusstörung und ein Herzstillstand mit nachfolgender Reanimation), jeweils im Rahmen von Vollblutspenden.

  • 2021 wurden sieben Todesfälle mit einem bestätigten kausalen Zusammenhang zur Transfusion gemeldet. Drei Fälle betrafen blutgruppeninkompatible Fehltransfusionen von EK, zwei betrafen TRALI-Ereignisse nach TK-Gabe, ein Fall betraf eine bakterielle Infektion nach Transfusion eines Pool-TK und ein Fall betraf eine TACO nach EK-Transfusion."

 

Zur Webseite des PEI-Hämovigilanz Dezernats, Leitung Prof. M. Funk

Zum PDF des Hämovigilanzberichts 2021

Zur Definition von meldepflichtigen nicht infektiösen Ereignissen in Anlehnung an die Kriterien des International Hemovigilance Networks IHN bzw. der ISBT

 

 

 

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