Das Potenzial der Fehleranalyse im Transfusionsprozess

Nitsche E, Dreßler J, Henschler R. Systematic Workup of Transfusion Reactions Reveals Passive Co-Reporting of Handling Errors. J Blood Med. 2023;14:435-443. Published 2023 Aug 8. doi:10.2147/JBM.S411188

Obwohl die Verabreichung von Bluttransfusionen eine sehr häufig durchgeführte lebensrettende ärztliche Handlung weltweit ist, ist das Risiko der fehlerhaften Ausführung immer noch so hoch wie vor der Einführung eines Qualitätssicherungssystem. Dabei hat die vorgeschriebene Meldung von Transfusionsreaktionen an das PEI zwar zu einigen Verbesserungen geführt, aber Beinahezwischenfälle sind in Deutschland nicht meldepflichtig. Sie enthalten das größte Lern- und Verbesserungspotenzial wie uns der aktuelle SHOT-Report lehrt.

Das ist jetzt durch eine Studie aus Leipzig unterstrichen worden. Die Studie zielt darauf ab, die Transfusionsvorfälle anhand von Transfusionsunterlagen von 2011 bis 2019 an ihrem tertiären medizinischen Zentrum sowie forensische Autopsieberichte, digitalisierte Abschnitte und Gerichtsakten von 1990 bis 2019 zu charakterisieren und zu prüfen, ob die Untersuchung von Transfusionsreaktionen auch dazu beitragen kann, logistische und andere Fehler aufzudecken.

Die Forscher analysierten Transfusionsunterlagen von 2011 bis 2019 an ihrem universitären Standort . Ebenso wurden forensische Autopsieberichte, digitalisierte Abschnitte und Gerichtsakten hinzugezogen. Insgesamt wurde die Verabreichung von 230.845 Blutkomponenten zwischen 2011 und 2019 analysiert.

Insgesamt wurden 322 Transfusionsvorfälle gemeldet, von denen 279 von ihrer eigenen Einrichtung stammten, was einer Häufigkeit von 0,12% aller Transfusionen entspricht. Die Verteilung der Transfusionsreaktionen entspricht der Literatur, wobei allergische Reaktionen (55,9%), fieberhafte-nicht hämolytische Reaktionen (FNHTR, 24,2%), hämolytische Reaktionen (3,4%) und andere seltener vorkommen. Von den 279 Berichten zeigten 29 (10,4%) logistische Fehler, darunter Hämoglobinwerte über dem Richtwert- Übertransfusion (4,3%), falsche oder nicht durchgeführte Bedside-Tests (3,2%), unzureichende Patientenidentifikation (2,5%) sowie Labor- und Ausgabefehler, verpasste Produktüberprüfungen oder das Nichtbefolgen von Empfehlungen (jeweils 1,1%). Acht der 29 (27,5%) der logistischen Fehler wurden durch Zufall während der Untersuchung von Vorfallsmeldungen entdeckt. Da Beinaheereignisse in Deutschland nicht gemeldet werden müssen, ist erstaunlich, dass in Leipzig erfreulicherweise viele "Near-Miss"- Ereignisse gemeldet wurden (davon einige auch fälschlicherweise als Beinahe fehler, die später als "Adverse Event" eingestuft wurden. Die Anzahl der Fehltransfusionen ist realistischer als sonst berichtet (8 von 279, 2,5%). Prozessfehler wurden von den Meldenden als "Serious Incidents" eingestuft, mit der AUsnahme von Übertransfusion über dem oberen empfohlenen Hämoglinbingrenzwert (4,3%).

Schlussfolgerung: Die systematische Untersuchung von Transfusionsvorfällen kann zuvor . Die passive Berichterstattung von Fehlern durch die Aufzeichnung von Nebenwirkungen kann als Instrument dienen, um die Häufigkeit und Qualität von Anwendungsfehlern in der Praxis genauer zu bewerten und so die Patientensicherheit zu verbessern.

Diese Studie zeigt, wie die Untersuchung von Transfusionsvorfällen zur Identifizierung von Verwaltungs- und Logistikfehlern beitragen kann und wie eine sorgfältige Dokumentation von Transfusionsdaten zur Verbesserung der Patientensicherheit beitragen kann. Dabei werden auch bislang unentdeckte Fehler in der Transfusionskette identifiziert. Das ist auch unsere Erfahrung: Bei der Fehlerberichtanalyse der IAKH Auswertekommission fallen oftmals nicht nur das gemeldete Ereignis auf, sondern noch andere Unstimmigkeiten. Diesbezüglich sind diese Auswertungen nicht nur als Lernpotenzial geeignet, sondern geben auch ein realistisches Bild weiterer Risiken, die bei der pharmakologischen Klassifikation der Transfusionsfolgen wie Verwechlsung, Übertransfusion, fehlerhafte Identifikation etc. oftmals unbewertet bleiben. Ein Aufruf zur Meldung von Fehlern!!

 

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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