Niedrigere Hämoglobinwerte sind nicht unbedingt schädlich

Mullis BH et al. Early Results of Orthopaedic Trauma and Anemia: Conservative Versus Liberal Transfusion Strategy. J Am Acad Orthop Surg. Published online December 27, 2023. doi:10.5435/JAAOS-D-23-00235

In einer randomisierten, nicht verblindeten, kontrollierten Studie, die in drei amerikanischen Traumazentren der Stufe 1 durchgeführt wurde, haben Mullis et al. einen Hämoglobin-Schwellenwert von 5,5 g/dl bei Transfusionen roter Blutkörperchen mit einem Schwellenwert von 7,0 g/dl verglichen.

Eingeschlossen wurden leicht verletzte (ISS 10-13) Traumapatienten im Alter von 18 bis 50 nach der ersten Stabilisierungsphase. Zu 60% handelte es sich um männliche Verletzte. Die Patientenzahl mit n= 66 waren leider nicht so hoch. Analysiert wurden asymptomatische, junge (Durchschnittsalter 30-35J) Traumapatienten mit Muskel-Skelett-Verletzungen Jahren, für die eine Operation geplant war (zu 98% operiert). Die Nachbeobachtungszeit war 1 Jahr.

Ausgeschlossen waren Patienten, die unkontrolliert bluteten oder hypovoläm (Anstieg HR > 30% nach Induktion), herzinsuffizient (nicht flüssigkeitsreagible Hypotonie < MAP 50mmHg), nieren- oder myokardgeschädigt waren. Der primäre Endpunkt der Studie war die postoperative Wund-Infektionsrate, sekundär wurden auch Harnwegsinfekte, Pneumonie, Osteomyelitis, Nierenschäden, Thromboembolien, Herzinfarkte, Revisionsoperationen und Wiederaufnahmen ins Krankenhaus sowie andere Komplikationen untersucht. 

In der liberalen Gruppe wurden 94% (MW 1 EInheit, Range 0-12) und in der restrikiveren Gruppe nur 46% (MW 0 EInheiten, Range 0-14) der Patienten transfundiert.

Die weniger restriktive Transfusionsstrategie (Hb 7,0) war mit einer höheren Infektionsrate (Tiefe und oberflächliche Wundinfektionen zusammen) verbunden (24,5% vs. 6%, P = 0,01), ohne Unterschied in allen Weiteren und funktionellen Ergebnissen nach 6 Monaten oder 1 Jahr. Das basierte hauptsächlich auf einem ausgeprägteren Unterschied bei den oberflächlichen Wundinfektionen.

Leider sind die tatsächlichen Hämoglobinwerte, bei denen transfundiert wurde, nicht angegeben, da diese auch in kontrollierten Studien oftmals vom Protokoll abweichen. Tatsächlich wurden auch drei Patienten in der liberalen Gruppe nicht transfundiert, obwohl sie einen Hämoglobinwert unter 7g/dl hatten. Die nachträgliche Poweranalyse ergab eine ausreichende Sicherheit nur für das Ergebnis der oberflächlichen, nicht aber für die tiefen Wundinfektionen.

Obwohl in kleiner Fallzahl ermittelt, kann diese Studie doch einen Hinweis darauf bringen, dass wir die untere Hämoglobingrenze, die für einen Großteil unserer Patienten sicher ist, noch immer nicht ausreichend untersucht haben. Und wir können noch offensichtlich auch noch in diesem Hämoglobin-Bereich durch die Vermeidung von Transfusionen eine Verbesserung des Behandlungsergebnisses erreichen.

 

Pubmed

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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