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Autor Thema: Herstellung von PPSB Infusionen durch Pflegekräfte
tfrietsch
Supermoderator
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ID # 24


  Erstellt am 19. November 2017 18:29 (#1)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Die anonyme Anfrage eines Forumnutzer lautete sinngemäß:

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Arbeitskreis Hämotherapie,

gestatten Sie, dass ich Sie in folgender Angelegenheit um Beratung bitte.

- Gibt es Vorgaben, wer auf Allgemeinstation das PPSP [ hier in der
Klinik: Beriplex®, Anm. d. Verf. ] vorbereiten / Auflösen darf und wer es
verabreichen darf? Ist das Aufgabe des Arztes oder welche Tätigkeit darf
die Pflege durchführen?
- Hintergrund der Frage ist die Diskussion auf einer Station. Die
Pflegekräfte sind der Meinung, dass der Umgang mit PPSP komplett Arztsache
ist und einige Ärzte sehen das anders.
- In anderen Kliniken ist es wohl durch die Pflege möglich und ich wüsste auch
nicht, was vor allem gegen das Auflösen durch die Pflege spricht. Momentan sind Demonstrationskits bei dem Hersteller zur Schulung der Pflege in Vorbereitung, da dies aber alle Instanzen der Firma durch laufen muss, ist damit erst in einigen Monaten zu rechnen. Eventuell ist es hilfreich, wenn von ärztlicher Seite der Pflege das Auflösen gezeigt und diese das dann beim ersten Mal unter Anleitung des Arztes ausführen.

-Wie ist die rechtliche Lage? Sind die Ärzte verpflichtet, dieses
Medikament persönlich zu verabreichen oder unter persönlicher Aufsicht
verabreichen zu lassen?
-Wie häufig ist eine allergische Reaktion im Vergleich zu den üblichen
intravenös verabreichten Antibiotika?
-Hat die Vorbereitung bzw. das Auflösen durch Ärzte zu erfolgen?
Wie ist das Procedere in anderen Einrichtungen? Ggf. können Sie mir bitte
eine entsprechende SOP zuleiten?
-Ist es korrekt, dass wir eine eigen SOP/Verfahrensanweisung formulieren, in der in Anlehnung an diese Informationen festgelegt wird:

- Auf den meisten Stationen übernimmt der Arzt das Anhängen der fertigen
Lösung.
- Das Vorbereiten / Auflösen wird teils von der Pflege und teils von
Ärzten durchgeführt.

Besten Dank für die Bearbeitung meiner Anfrage!

Beiträge: 331 | Mitglied seit: Dezember 2003 | IP-Adresse: gespeichert
tfrietsch
Supermoderator
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ID # 24


  Erstellt am 19. November 2017 18:37 (#2)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Lieber Herr Kollege,
Prothrombinkomplex ist ein Blutprodukt und damit auch ein Arzneimittel. Generell ist die Verordnung von Medikamenten Arztaufgabe und auch im Delegations-Fall ärztliche Verantwortung. Nur für das Anhängen von Blutkonserven (Erythrozyten, Plasma und Thrombozyten) gilt die persönlich -ärztliche Startverpflichtung der Transfusion (Gründe sind bekannt und vielfältig).
Die Zubereitung aller Blut- und Gerinnungsprodukte kann delegiert werden. Es kann auch erwartet werden, dass die Zubereitung fachgerecht und sorgfältig getätigt wird. Man kann diesbezüglich einrichtungsintern im QS-System festlegen, wer solche Aufgaben übernimmt.
Wichtig ist, dass die Mitarbeiter entsprechend geschult sind und die Einweisung und Schulung auch dokumentiert ist. Deshalb ist die Entwicklung eines Demo-Sets des Herstellers prinzipiell eine gute Sache. Aber die Zubereitung von Infusionslösungen anderer Art bis hin zu Schmerzmitteln ist von jeher Pflegeaufgabe. Von daher kenne ich persönlich keine SOP, die die Zubereitung oder Verabreichung dem Arzt zuschreibt.

Als guter Vergleich kann sicherlich die Verabreichung von intravenösen Antibiotika- Infusionen gelten: Auch diese sind gelegentlich aus Pulver-herzustellen und das Allergierisiko von Antibiotika ist deutlich höher (Das ist meine Behauptung , die ich nicht wirklich evidenzbasierten untermauern kann, weil es den Vergleich von Antibiotika gegen Prothrombinkomplex naturgemäß nicht gibt) : Nach einer Schnell Recherche des Vergleichs der Inzidenzen von allergischen Reaktionen sind die nichtsteroidalen Antiphlogistika und die Betalaktam-Antibiotika (Quelle Giavini-Biachi et al. Curt. Opin Allergy Clin Immunol 2017 Nov) die Medikamente, die am häufigsten tödliche, allergische Reaktionen auslösen. Die Rate der echten, nicht-tödlichen allergischen Reaktionen auf Penicilline und Moxi-/Ciprofloxazin/Levofloxazin (2-9/10 000 Verabreichungen) oder deutlich geringer von Cephalosporinen (7,5 auf 10 000 Anwendungen)(Quelle Johannes CB et al. Drug Saf 2007; 30(8): 705) erscheint klinisch höher. Die Allergie auf Antibiotika ist auch öfter berichtet als die allergischen Reaktionen auf Prothrombinkomplex. Die Rate an allergischen Sofort-Reaktionen von Gerinnungsprodukten inklusive Prothrombinkomplex ist nicht bekannt und taucht bei vielen Übersichten und Cochrane Database Analysen zur Arzneimittelsicherheit nicht auf (Johansen M et al. Cochrane Database Syst Rev 2015; CD010555); da Luz et al. Transfusion 017; 57(7): 1834; Marco S et al. Br J Haematol 2017; 176(4):664; Chai-Adisaksopha C et al. Thrombose Haemost 2016; 116(5): 879). Aber natürlich sind die Daten mit Vorsicht zu genießen und in ihrer Qualität abhängig von einem Publikations-Bias, der Anzahl der Beobachtungen, Diagnosesicherheit und der Zulassungsart (für Gerinnungsprodukte ist das Sicherheitsprofil anders bewertet als bei anderen Medikamenten).
Zusammenfassend ist also die Anleitung, Unterweisung und die Dokumentation der Arzneimittelzubereitung der von uns empfohlene Weg. Der Arzt verordnet, die Pflege bereitet das Produkt fachgerecht zu und verabreicht es auf Weisung des Arztes.

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Prof Dr. med. Thomas Frietsch
1. Vorsitzender der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft
für Klinische Hämotherapie IAKH e.V.
Anästhesiologie und Intensivmedizin
Universitätsmedizin Mannheim

Beiträge: 331 | Mitglied seit: Dezember 2003 | IP-Adresse: gespeichert



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