IAKHforum IAKHforum
Registrieren | FAQ | Suche | Wer ist online? | Mitgliederliste | Heutige Beiträge | Einloggen



Autor Thema: Aufbewahrungspflicht nach §14 TFG
WGlaser
kommt regelmäßig her
****
ID # 124


  Erstellt am 16. Oktober 2020 10:33 (#1)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Die Dauer Aufbewahrungspflicht für die Dokumentation von Blutprodukten ist in §14 TFG Abs.3 geregelt. Hier gibt es 2 Zeitvorgaben, einmal 15 Jahre, einmal 30 Jahre.
Wörtlich steht dort: "(3) Die Aufzeichnungen, einschließlich der EDV-erfassten Daten, müssen mindestens fünfzehn Jahre, die Daten nach Absatz 2 mindestens dreißig Jahre lang aufbewahrt werden. Sie müssen zu Zwecken der Rückverfolgung unverzüglich verfügbar sein. Die Aufzeichnungen sind zu vernichten oder zu löschen, wenn eine Aufbewahrung nicht mehr erforderlich ist. Werden die Aufzeichnungen länger als dreißig Jahre aufbewahrt, sind sie zu anonymisieren."
In §14 Abs. 2 (30 Jahre Aufbewahrungspflicht)bezieht sich das TFG wörtlich auf "Blutprodukte und Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei
Hämophilie...".
Weiter sind die Daten die dokumentiert werden müssen genannt:
1. Patientenidentifikationsnummer oder entsprechende eindeutige Angaben zu der zu behandelnden Person,
wie Name, Vorname, Geburtsdatum und Adresse,
2. Chargenbezeichnung,
3. Pharmazentralnummer oder
- Bezeichnung des Präparates
- Name oder Firma des pharmazeutischen Unternehmers
- Menge und Stärke,
4. Datum und Uhrzeit der Anwendung.

Nun meine Frage: Was meint der Gesetzgeber hier genau? Unter Hämophilie verstehe ich angeborene Blutungsneigung. Gilt die Aufbewahrungspflicht also nur für Gerinnungsfaktoren zur Behandlung der Hämophilie (Hämophilie A, -B, usw.), gilt sie für alle Gerinnungsfaktoren auch in der Behandlung anderer Gerinnungsstörungen oder auf alle Blutprodukte? Oder geht es nur um die Daten der Transfusion (Name, Vorname, Geburtsdatum, Chargennummer etc.).
Hintergrund der Frage ist eine unterschiedliche Interpretation des Gesetzestextes von mir und unserem Hausjuristen.

Vielen Dank schon jetzt für Ihre Antwort.

WGlaser

Beiträge: 25 | Mitglied seit: November 2006 | IP-Adresse: gespeichert
tfrietsch
Supermoderator
******
ID # 24


  Erstellt am 19. Oktober 2020 12:46 (#2)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Lieber Kollege Glaser,

ich lese das Gesetz im Wortlaut als Regelung der Dokumentation, die die "spezifische" Behandlung von Hämostasestörungen (speziell) der Hämophilie betrifft. Das ist historisch bedingt, da zum Zeitpunkt der Abfassung des TG 1998 kaum andere, meist angeborene Gerinnungsstörungen mit Gerinnungsfaktorkonzentraten behandelbar waren. Die Dokumentation regelt damit auch die Nachverfolgung bei den damals aus humanem Plasma extrahierten Produkten: Heutzutage bezieht sich der Begriff "Hämophilie" unserer Interpretation nach auf hereditäre Gerinnungsstörungen.
Ob das Gesetz formal auch auf die heute angewendete Palette der gentechnisch und konventionellen Gerinnungsfaktoren bei allen Arten der erworbenen und hereditären Gerinnungsstörungen ausgeweitet werden muss, ist unklar. Da wird der Richter entscheiden. Es würde aber sinnvoll sein, auch wenn es nicht im Gesetz explizit steht. Die Idee des Gesetzgebers, die hinter dem §14 steht, kann so interpretiert werden.
Unsere Empfehlung ist die Ausweitung der Dokumentation auf alle Gerinnungstörungen und alle Präparate mit Chargennummer. Eigentlich wäre die Dauer der Aufbewahrungsfrist für die Dokumentationspflicht für alle gerinnungsaktiven Hämotherapeutika besteht unabhängig von der Indikation, auch wenn man vertreten könnte, dass für hereditäre Störungen die 30 Jahresfrist gelten solle, während 15 Jahre zur Dokumentation eines Einsatzes bei erworbenen Gerinnungsstörungen ausreichend sein sollten.

-----------------------
Prof Dr. med. Thomas Frietsch
1. Vorsitzender der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft
für Klinische Hämotherapie IAKH e.V.
Anästhesiologie und Intensivmedizin
Universitätsmedizin Mannheim

Beiträge: 330 | Mitglied seit: Dezember 2003 | IP-Adresse: gespeichert
WGlaser
kommt regelmäßig her
****
ID # 124


  Erstellt am 19. Oktober 2020 12:56 (#3)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Lieber Herr Frietsch,

vielen Dank für die schnelle Antwort.
Dem entnehme ich aber auch, dass die lange Aufbewahrungspflicht von 30 Jahren für die Dokumentation von anderen Blutprodukten die dem TFG unterliegen nicht gilt. Ich denke da an Immunglobuline, Humanalbumin, Erythrozytenkonzentrate, und viele mehr.

Vielen Dank nochmal und herzliche Grüße,

WGlaser

Beiträge: 25 | Mitglied seit: November 2006 | IP-Adresse: gespeichert
tfrietsch
Supermoderator
******
ID # 24


  Erstellt am 20. Oktober 2020 09:54 (#4)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Nein, Ihre Schlussfolgerung ist unserer Ansicht nicht korrekt. Blutzubereitungen sind z.B. alle zellhaltigen Blut- und Blutbestandteilkonserven, wie Erythrozyten- und Thrombozytenkonserven, gefrorenes Frischplasma und alle Plasmaderivate, wie die Gerinnungsfaktorenkonzentrate. Humanalbumin zählt ebenfalls zu den uneingeschränkt dokumentationspflichtigen Blutzubereitungen. Alle Immunglobinpräparationen aus menschlichem Blut sind Sera, die dem TFG unterliegen. Für diese Blutprodukte gilt demnach die Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren, sofern es sich um die in § 14 Abs. 2 TFG genannten Daten handelt.

Die ausführliche Interpretation des IAKH Justitiars ist wie folgt:

1. Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass § 14 Abs. 3 TFG zwischen Daten-/Aufzeichnungsart unterscheidet. Sofern es sich um Daten nach § 14 Abs. 2 TFG handelt, gilt die Aufbewahrungsfrist von mindestens 30 Jahren. Handelt es sich hingegen um Daten nach § 14 Abs. 1 TFG, gilt die Aufbewahrungspflicht von mindestens 15 Jahren. Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich um eine angeborene oder erworbene Gerinnungsstörung handelt.

2. Einzelheiten
§ 14 TFG erfasst alle Blutprodukte sowie Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie. Der Begriff Blutprodukt ist in § 2 Nr. 3 TFG definiert. Danach sind Blutprodukte Blutzubereitungen im Sinne § 4 Abs. 2 AMG, Sera aus menschlichem Blut im Sinne des § 4 Abs. 3 des AMG und Blutbestandteile, die zur Herstellung von Wirkstoffen oder Arzneimitteln bestimmt sind.

Nach unserer Recherche ist § 14 TFG sowohl bei angeborenen als auch erworbenen Gerinnungsstörungen einschlägig. Dies ergibt u.a. aus der Gesetzesbegründung des Gesetzesentwurfs für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (BT-Drs. 19/873, S. 55, 56). Dort wird Folgendes ausgeführt:

"Die sichere Anwendung von Arzneimitteln zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie erfordert die Dokumentation auch solcher Arzneimittel, die nicht aus menschlichem Blut hergestellt werden. Hierbei geht es speziell um Risiken, die aus dem Einfluss neuartiger Wirkstoffe auf die Sicherheit und Wirksamkeit von Gerinnungsfaktorenzubereitungen resultieren können als auch um Risiken, die sich aus dem Einfluss dieser Wirkstoffe auf die Diagnostik der Hämophilie ergeben. Die Dokumentationspflicht wird deshalb auf alle Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie erweitert und umfasst damit wie bisher Patienten mit Hämophilie A, Hämophilie B, dem Von-Willebrand-Syndrom und anderenangeborenen oder erworbenen Gerinnungsfaktorenmangelerkrankungen."

a. Aufbewahrungsfrist: 30 Jahre
Die Aufbewahrungsfrist von mindestens 30 Jahren gilt für Daten nach § 14 Abs. 2 TFG, also für die folgenden Daten:
· Patientenidentifikationsnummer oder entsprechende eindeutige Angaben zu der zu behandelnden Person, wie Name, Vorname, Geburtsdatum und Adresse,
· Chargenbezeichnung,
· Pharmazentralnummer oder
- Bezeichnung des Präparates
- Name oder Firma des pharmazeutischen Unternehmers
- Menge und Stärke,
· Datum und Uhrzeit der Anwendung.

b. Aufbewahrungsfrist: 15 Jahre
Eine Aufbewahrungsfrist von 15 Jahren gilt für die Dokumentation/Daten nach § 14 Abs. 1 TFG, welcher die Anwendung des Blutprodukts bzw. des Arzneimittels zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie betrifft.

Beiträge: 330 | Mitglied seit: Dezember 2003 | IP-Adresse: gespeichert
WGlaser
kommt regelmäßig her
****
ID # 124


  Erstellt am 20. Oktober 2020 13:12 (#5)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Lieber Herr Frietsch,

vielen herzlichen Dank für ihre schnelle und fundierte Antwort. So hatte ich das auch im Kopf. Nun ist es aber auch für mich ein für alle Mal klar :) ;)

Liebe Grüße,

WGlaser

Beiträge: 25 | Mitglied seit: November 2006 | IP-Adresse: gespeichert



| IAKH | Boardregeln | Datenschutzerklärung


Tritanium Bulletin Board 1.8
© 2010–2021 Tritanium Scripts


Seite in 0,040613 Sekunden erstellt
16 Dateien verarbeitet
gzip Komprimierung ausgeschaltet
2383,70 KiB Speichernutzung