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Autor Thema: Delegation der Bluttransfusion ans Pflegepersonal auf Intensivstation
tfrietsch
Supermoderator
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ID # 24


  Erstellt am 09. Juli 2013 19:49 (#1)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Guten Tag.
Ich wende mich in einer -für mich- sehr prekären Lage an Sie!
Ich bin Krankenpfleger auf einer inneren Intensivstation.
Im Rahmen einer Weiterbildung wurde ich auf eine andere Intensivstation (chirurgisch) versetzt um dort meine Pflichtstunden für die Ausbildung zu absolvieren.
Dort ist es gängige Praxis, dass Erythrozytenkonzentrate und FFP´s (nach ärztlicher Kontrolle, BST und Dokumentation!) vom Pflegepersonal angehangen werden.
In meiner pflegerischen Grundausbildung habe ich damals gelernt das es eine absolut undelegierbare Aufgabe ist, die nur von ärztlichem Personal durchgeführt werden darf! Diese Praxis wurde auch in allen Häusern und Stationen, wo ich bisher Dienst tat, durchgesetzt!
Ich befinde mich momentan in einer schweren Konfliktsituation, da ich KEINERLEI eindeutigen Gesetztestext finde der diese Thematik behandelt.
Bisher konnte ich mich erfolgreich "weigern" diese Praxis des Transfundierens durch Pflegekräfte zu übernehmen, aber ich komme so langsam in einen, auch zwischenmenschlichen, Konflikt.
Ich möchte nicht gegen den Strom schwimmen, aber ich will auch nicht mein Examen riskieren.
Ich wäre ihnen äusserst dankbar wenn Sie mir ein eindeutiges Statement, oder einen Verweis auf einen Gesetzestext zukommen lassen könnten!

Beiträge: 331 | Mitglied seit: Dezember 2003 | IP-Adresse: gespeichert
tfrietsch
Supermoderator
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ID # 24


  Erstellt am 09. Juli 2013 19:55 (#2)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Laut Kapitel 4 der Haemotherapierichtlinien Von 2010 ( auf unserer Homepage unter Handreichungen downzuloaden) heisst es:


4.3 Anwendung von Blutkomponenten und Plasmaderivaten

Blutkomponenten und Plasmaderivate sind verschreibungspflichtige Arzneimittel und dürfen nur auf ärztliche Anordnung abgegeben werden. Die Indikation ist streng und individuell differenziert zu stellen. Auf die Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten der Bundesärztekammer in der jeweils gültigen Fassung wird hingewiesen."

Weiterhin heißt es in 4.3.4

"Der transfundierende Arzt hat sich über die Aufklärung und Einwilligung des Patienten vor Einleitung der Transfusion zu versichern (s. Abschn. 4.3.10). Die Einleitung der Transfusion erfolgt durch den Arzt, bei mehreren zeitlich unmittelbar nacheinander transfundierten Blutkomponenten werden die Einzelheiten im Qualitätssicherungssystem unter Beachtung der Abschnitte 4.3.2 und 4.3.2.1 festgelegt. Während und nach der Transfusion ist für eine geeignete Überwachung des Patienten zu sorgen. "

Zur Delegation an Pflegekraefte direkt am Anfang des Kapitels:

"Die organisatorischen Abläufe und die Verantwortlichkeiten für die Lagerung, den Transport und die Übertragung von Blutprodukten einschließlich deren Anforderung durch den zuständigen Arzt sind zu beschreiben und in einem Organigramm darzustellen. Die Einhaltung der Anweisungen (z. B. Temperatur der Lagerhaltung, Transportzeiten, Handhabung der Blutprodukte durch das Pflegepersonal bei der Transfusionsvorbereitung) ist regelmäßig zu kontrollieren. Diese Kontrollen sind zu dokumentieren.

Die Anforderungen an das mit Lagerung, Transport und Übertragung von Blutprodukten befasste Personal (Hilfskräfte, Verwaltungskräfte, Pflegepersonal, technisches Personal, ärztliches Personal) sind zu definieren und schriftlich fest zulegen."

Insbesondere der letzte Artikel wird gemeinhin so aufgefasst, dass die Bluttransfusion inclusive das ANHAENGEN der Konserven delegiert werden kann, auch wenn der 2. Satz unter 4.3.4 definitiv die EInleitung der Transfusion ( der ersten Konserve von vielen oder von jeder einzelnen?, bei der Notfallsituation und Massivtransfusion ist die Delegation sowohl notwendige wie gängige Praxis) erwaehnt. Obwohl die Verantwortlichkeit eindeutig beim Arzt liegt, kann ein Uebernahmeverschulden der Pflege vorliegen. Ob Sie als Krankenpflegeschueler in der Ausbildung belangt werden koennen, ist nicht klar- wir werden hier fuer Sie unsere Anwaelte befragen.

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Prof Dr. med. Thomas Frietsch
1. Vorsitzender der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft
für Klinische Hämotherapie IAKH e.V.
Anästhesiologie und Intensivmedizin
Universitätsmedizin Mannheim

Beiträge: 331 | Mitglied seit: Dezember 2003 | IP-Adresse: gespeichert
tfrietsch
Supermoderator
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ID # 24


  Erstellt am 09. Juli 2013 20:08 (#3)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Sehr geehrter Herr Frietsch,

ich darf Bezug nehmen auf Ihre unten stehende E-Mail und unser in dieser Sache geführtes Telefonat. Sie fragten in diesem Zusammenhang an, ob die von Ihnen gegebene Auskunft bezüglich des Übernahmeverschuldens korrekt sei. Gerne komme ich dieser Bitte nach und darf im Einzelnen folgende Ausführungen hierzu geben:

1. Die Ausübung der Heilkunde ist geprägt vom Grundsatz des Arztvorbehalts. Das bedeutet, dass prinzipiell jedwede heilkundliche Tätigkeit im umfassenden Sinne dem Arzt vorbehalten sein muss. Dies ist allerdings nicht mit einem umfassenden „Totalvorbehalt“ gleichzusetzen: Insofern braucht der Arzt nicht alle Leistungen persönlich zu erbringen, sondern kann Aufgaben an ausreichend qualifizierte Mitarbeiter übertragen. Die Entscheidung darüber, welche konkreten Leistungen dem Arztvorbehalt unterliegen, hat der Gesetzgeber nur in Einzelfällen ausdrücklich selbst getroffen. Im Übrigen aber wurde der Begriff bewusst offengelassen, so dass hier die Rechtsprechung die bestehende Lücke ausfüllen muss.

Allgemein gilt für die Delegation ärztlicher Leistungen Folgendes: Delegationsfähig sind nur solche Verrichtungen, die nicht auf Grund ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen ärztliches Fachwissen voraussetzen und deshalb vom Arzt persönlich durchzuführen sind. In welchem Umfang Aufgaben des Arztes auf andere Mitarbeiter übertragen werden können, hängt damit von der Art der Leistung, der Schwere des Krankheitsfalles und der Qualifikation des nichtärztlichen Personals ab. Die Grenze der Delegierbarkeit ist in der Regel aber dann erreicht, wenn der Patient üblicherweise erwarten darf, dass der Arzt die Leistungen selbst erbringt. Dies ist aus der Sicht des durchschnittlich verständigen Patienten zu beurteilen.

2. Richtigerweise zitieren Sie hierbei auch die Ziff. 4.3 der Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie). Auf die Einzelheiten soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Die Richtlinien geben in der Tat wertvolle Hinweise dahingehend, dass eine Delegation von bestimmten Tätigkeiten durchaus zulässig sein kann, auch wenn diesbezüglich keine eindeutige und ausdrückliche Aussage getroffen wird. Fest steht aber, dass zumindest die Kernbereiche der ärztlichen Tätigkeit auch durch den Arzt selbst wahrgenommen werden müssen, wozu insbesondere die erforderliche Aufklärung des Patienten und die Einholung der Einwilligung des Patienten gehören. Auch die Einleitung der Transfusion selbst erfolgt durch den Arzt, wie sich insbesondere aus Ziff. 4.3.4 der Richtlinien ergibt. Weitere Tätigkeiten sind allerdings schon nach dem Wortlaut der Hämotherapierichtlinien delegierbar.

3. Auch die Bundesärztekammer geht auf ihrer Homepage davon aus, dass insbesondere intravenöse Injektionen und Infusionen (Transfusionen sind nicht ausdrücklich genannt) an entsprechend qualifizierte nichtärztliche Mitarbeiter delegiert werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Arzt von der durch Ausbildung und Erfahrung gewonnenen spezifischen Qualifikation in der Punktions- und Injektionstechnik überzeugt hat und er sich in unmittelbarer Nähe aufhält. Die intravenöse Erstapplikation von Medikamenten ist dabei nicht delegierbar, wobei diese Grundsätze auch auf die hier interessierende Fragestellung der Transfusion durchaus übertragbar sein dürften. Weiter führt die Bundesärztekammer aus, dass die Zulässigkeit einer Delegation der Applikation von Medikamenten oder Infusionen über einen Port abhängig von der applizierten Substanz und der Qualifikation und Erfahrung des damit betrauten nichtärztlichen Mitarbeiters sei.

4. Im Einzelnen kann festgehalten werden, dass nach wie vor erhebliche Unsicherheiten in diesem Bereich bestehen. So heißt es etwa in einer bereits länger zurückliegenden Stellungnahme der Bundesärztekammer vo

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