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Autor Thema: Notfall: In absehbarer Zeit kein kompatibles Blut im Blutdepot
Lorentz
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ID # 2


  Erstellt am 31. August 2003 19:12 (#1)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Wie soll ich mich als Blutdepot verhalten, wenn eine Notfall-Anforderung (EK) für einen Antikörper- Patienten kommt und ich in absehbarer Zeit kein kompatibles Blut beschaffen kann (z.B. Anti-Fy 3)?

Frage von Frau Dagmar Richter

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Arnulf Weiler-Lorentz

Beiträge: 51 | Mitglied seit: Mai 2003 | IP-Adresse: gespeichert
Kretschmer
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ID # 13


  Erstellt am 26. September 2003 15:13 (#2)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail   HP HP
Im Notfall ist zu Rettung des Patienten alles erlaubt, zumal auch die sogenannten relevanten Antikörper nur etwa zur Hälfte hämolytisch aktiv sind (außer ABO-Ak) und selbst durch ABO Fehltransfusionen ausgelöste Hämolysen in mehr als 80-90% der Fälle beherrscht werden, sodass sie nicht zum Tode führen. Es empfiehlt sich daher folgende Vorgehensweise: Als erstes klären, ob es sich um einen relevanten erythrozytären Ak handelt (klinisch versierten Transfusionsmediziner fragen (Wir sind z.B. in Marburg ärztlich Tag und Nacht jederzeit zu erreichen). Kälteantikörper Anti-H, -I, -Lea, -Leb, -M, -N, -P1 werden nicht berücksichtigt, Kreuzproben in weniger empfindlichen Techniken statt Geltests durchführen bzw. ABO/Rh-gleich ungekreuzt transfundieren, dasselbe gilt ebenfalls bei vitaler Indikation für den Fall, dass Autoantikörper vorliegen. Bei klinisch relevanten bereits identifizierten oder nicht identifizierten Allo-Antikörpern (negative Eigenansätze, negativer direkter Coombstetst) möglichst Verlegung in eine Klinik der Maximalversorgung möglichst mit eigenem oder unmittelbar benachbarten Blutspendedienst und Durchführung blutsparender Operationstechniken und autologer Hämotherapieverfahren. Sammeln allen autologen Blutes (auch Tumor- und infiziertes Wundblut), Einsetzen aller autologer Hämotherapieverfahren, äusserest restriktive Indikationsstellung zur Fremdbluttransfusion (bei Herzgesunden kritischen Hb-Wert von 7-8 g/dl abwarten, engmaschiges Monitoring, 100% Sauerstoff kompensiert 1 bis 1,5g/dl Hb aus, alle ABO-gleichen und -kompatiblen Erythrozytenkonzentrate auskreuzen, wenn kreuzproben-negative Präparate gefunden werden, bevor die Ak identifiziert werden, dennoch nur unter vitaler Indikation transfundieren, da evtl. doch inkompatibel, bei bekannten Ak von Anfang an benachbarte Blutspendedienste kompatible Konserven suchen lassen und bei Berdarf anfordern. Bei Transfusion von möglicherweise inkompatiblen Blutkonserven Überwachung und prophylaktische Behandlung wie bei hämolytischem Transfusionszwischenfall. Im übrigen verweise ich auf unser Kapitel Notfalltransfusion im Lehrbuch von Mueller-Eckhardt und auf den nächsten DAK 2004, wo solche Fragen besprochen werden sollen). Bei Retransfusion von potentiell infiziertem autologem Blut Antibiotica applizieren, bei Tumorblut Leukozytenfilter verwenden, wenn Bestrahlung nicht schnell genug nicht möglich ist.

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V. Kretschmer

Beiträge: 401 | Mitglied seit: September 2003 | IP-Adresse: gespeichert
Lorentz
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ID # 2


  Erstellt am 27. September 2003 19:20 (#3)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
In Ergänzung zur Stellungnahme von Herrn Kretschmer: Ich würde die maschinelle Autotransfusion einsetzen, bei einem - außer seiner chirurgischen Erkrankung - gesunden und jungem Patienten einen Hämatokrit von 15 tolerieren, ihn aber auch nach Abschluß der Operation analgosediert und relaxiert mit einem FIO2 von 1,0 beatmen bis kompatibles Blut zur Verfügung steht. Dies verringert den Sauerstoffverbrauch unter den Grundumsatz und erhöht das Sauerstoffangebot (physikalisch gelöster Sauerstoff) bei niedrigem Hämatokrit nicht unerheblich. Falls verfügbar, würde ich stromafreie Hämoglobinlösung einsetzen. Sie ist zwar nur kurzzeitig wirksam, würde aber die Zeit schaffen, in der die logistischen Probleme der Beschaffung kompatibler Bluteinheiten gelöst werden könnten.

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Arnulf Weiler-Lorentz

Beiträge: 51 | Mitglied seit: Mai 2003 | IP-Adresse: gespeichert
Schanzst
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ID # 8


  Erstellt am 12. Dezember 2003 08:58 (#4)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Anfrage an Lorentz:
Was sind stromafreie Hämoglobinlösungen, Produkt/Hersteller?
Sind sie in Deutschland verfügbar? Für was sind sie zugelassen?
Kann ich die auch auf dem NEF lagern?
Oder ist es das in Süd Afrika zugelassene Präparat bovinen Ursprungs?
Was ist mit Perflourcarbonen aus Russland?

PS 7.1.2004 Danke für die ausführliche Antwort

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St. Schanz
Anästhesie und Notfallmedizin, Bluttransfusionswesen
Loßburg Schömberg

Beiträge: 141 | Mitglied seit: Juli 2003 | IP-Adresse: gespeichert
tfrietsch
Supermoderator
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ID # 24


  Erstellt am 15. Dezember 2003 18:53 (#5)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Stromafreie Hämoglobinlösungen sind künstlich hergestellte Sauerstoffträger niedriger Viskosität auf Hämoglobinbasis. Stromafrei bedeutet, die Umhüllung der Erythrozytenmembran mit den Blutgruppeneigenschaften ist entfernt und somit sind diese Lösungen blutgruppenunabhängig transfundierbar. Einige sind bei Raumtemperatur, einige bei Kühlschranktemperatur für 1-2 Jahre, auch im NEF lagerbar. Das Rohmaterial ist humanes Hämoglobin aus verfallenen Blutkonserven, Schweine- oder Rinderhämoglobin oder gentechnisch erzeugtes Hämoglobin (siehe Tabelle). Im Vergleich zu Blut hat die intravenöse Anwendung von Hämoglobin als Molekülsuspension (ohne die Erythrozytenumhüllung) gravierend geänderte Wirkungen und Nebenwirkungen- sie muessen daher verändert, konjugiert und vernetzt werden. Aktuelle Übersichten mit den verschiedenen Modifikationen der auf Hämoglobin-basierenden, künstlich hergestellten Sauerstoffträger sowie weiterführende Produktnamen, Hersteller- und Literaturangaben sind kürzlich erschienen (1-4). Keines der bislang erprobten Lösungen ist bislang von der FDA oder der Europäischen Regulierungsbehörden zugelassen, im Gegenteil im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Situation hat die amerikanische Regierung ein Exportverbot für solche militärisch einsetzbare Lösungen verhängt. Vermutlich über die internationale Apotheke erhältlich ist das in Südafrika zugelassene, möglicherweise noch nicht vetriebene bovine Präparat.
Eine intravenöse Perfluorcarbonlösung aus der russischen Militärforschung, Perftoran ist erhältlich von dem englisch russischen Jointventure JSC SPF Perftoran & Basil Wainwright (http://www.bloodpurification.net/contents/jpatented.html), ist aber vermutlich von schlechterer Qualität (geringer Sauerstoffgehalt, zusätzlich diuretisch und kalziumkanalblockierend, vasodilatatorisch?) als das weitgehend nebenwirkungsfreie Produkt von Alliance Pharmaceuticals, das kurz vor Markteinführung aus unerfindlichen Grüden nicht von der FDA zugelassen wurde. Das Unternehmen scheiterte finanziell an den zusätzlich geforderten Sicherheitsstudien, weil Baxter seine Unterstützung entzogen hatte.



Literaturangaben:
1. Frietsch T, Futterer C, Lenz C, Kuschinsky W, Waschke KF. Künstliche Sauerstoffträger-Ein Update. Anasthesiologie & Intensivmedizin 2002;43(3):138-146.
2. Frietsch T, Lenz C, Waschke KF. Artificial oxygen carriers. Eur J Anaesthesiol 1998;15(5):571-84.
3. Frietsch T, Lenz C, Waschke KF. Artificial Blood. In: Adams AP, Cashman JN, editors. Rec Adv Anaesth Analg. London: Churchill Livingstone; 2000. p. 103-126.
4. Frietsch T, Lenz C, Waschke KF. Perfluorkarbon-Emulsionen: künstliche Sauerstoffträger und ihre medizinischen Anwendungen. Dtsch Med Wochenschr 2000;125:465-72.


Text mit Tabelle als pdf-Datei

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Prof Dr. med. Thomas Frietsch
1. Vorsitzender der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft
für Klinische Hämotherapie IAKH e.V.
Anästhesiologie und Intensivmedizin
Universitätsmedizin Mannheim

Beiträge: 331 | Mitglied seit: Dezember 2003 | IP-Adresse: gespeichert



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