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Autor Thema: Grosse und kleine Eingriffe
rumpg
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ID # 59


  Erstellt am 03. März 2009 11:14 (#1)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Bei der Vorbereitung zu einer Operation hinsichtlich des Blutungsrisikos ist immer wieder die Frage, ob ein Eingriff als "klein" , "mittelgross" oder "gross" anzusehen ist. Eine Auswahl von Eingriffen findet sich im aktuellen Lehrbuch von Kretschmer et al. :"Transfusionsmedizin-Klinische Hämotherapie" im Kapitel 4. Selbstverständlich gibt es weitere Operationen, die einer subtilen Vorbereitung bedürfen, da eine unerwartete Blutung schwere Schäden hervorrufen kann: z.B. Augen-Eingriffe, Innenohr-Operationen etc. , insbesondere im Kindesalter. Ein individuelles, Patientien-spezifisches Vorgehen ist daher erforderlich, wobei die Einschätzung der "Grösse" und des Blutungsrisikos einer Op sehr hilfreich ist, um das Ausmass der präoperativen Diagnostik und die Bereitstellung von Blutprodukten festlegen zu können. Eine ausführliche Anamnese zur Blutungsneigung oder Thrombophilie muss aber grundsätzlich erfolgen, da sie einen hohen prädiktiven Wert hat .

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G.Wittenberg-Rump
Arzt für Anästhesie und Bluttransfusionswesen D.E.S.A.
BG-Unfallklinik Ludwigshafen

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Schanzst
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ID # 8


  Erstellt am 05. März 2009 12:54 (#2)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Vielleicht ist das mal ein Bereich den man der „Ärztlichen Kunst“ überlassen kann. Wir haben ja einen „freien“ Beruf, waren die besten im Abitursjahrgang und haben 6 Jahre Studiert ehe wir auf die Patienten losgelassen werden. Und dann sollten wir uns Weiterbilden um entsprechend den Leitlinien und Studien unser Wissen aufzufrischen und überkommene Therapieziele auch über Bord werfen zu können.

Studien über die Gesamtheit der OP´s in allen Krankenhäusern werden dem einzelnen Operateur und seiner Methode nicht gerecht, retrospektive Analysen im eigenen Haus werden dem individuellen Fall nie gerecht.

Eine Anweisung für häufige OP`s, erarbeitet an retrospektiv statistisch erfasten Werten oder auch geschätzten Werten mit dem Ziel der Versorgung von 90% der OP`s, hilft dem Anfänger durch Vergleich seine Anweisungen zu treffen.

Ansonsten bin auch ich ein Freund der Anamnese aber auch des Antikörpersuchtestes (type and screen) wann immer man auch nur an Transfusion denkt. Dann noch die Konserven kreuzen, die man sicher geplant transfundiert plus maximal 2 gekreuzte Konserven im Kühlschrank. Der sollte aber mit ungekreuzten gefüllt sein plus ein Management für die Versorgung mit selten benötigten Präparaten wie Thrombozyten plus ein angepasster Vorrat Gerinnungspräparate, bevor man in den OP geht und man kann manche Katastrophe abreiten.

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St. Schanz
Anästhesie und Notfallmedizin, Bluttransfusionswesen
Loßburg Schömberg

Beiträge: 141 | Mitglied seit: Juli 2003 | IP-Adresse: gespeichert
mloesch
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ID # 16


  Erstellt am 06. März 2009 08:40 (#3)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte zu diesem Thema einen weiteren Gesichtspunkt hinzufügen. Der eingriffsbezogene Blutverlust ist keine konstante Größe. Ein Beispiel aus unserer Klinik: In unserem Haus ist die radikale Prostatektomie seit Jahren ein häufiger Eingriff. Mittlerweile haben wir festgelegt, dass für diesen Eingriff lediglich eine Blutgruppenbefund und ein gültiger AKS vorliegen muss. Als unsere Urolgen diesen Eingriff entdeckten haben wir anfangs regelmäßig 4 später 2 EK gekreuzt bereitgestellt oder dem Patienten eine Eigenblutspende angeboten. Die Transfusionswahrscheinlichkeit für diesen Eingriff lag anfangs über 50% und liegt mittlerweile bei 1%. Das heißt aus "Großen Eingriffen" können durch Erfahrung und bessere Operationstechnik durchaus "Kleine Eingriffe" werden.

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M. Loesch
QBH - Vivantes/Berlin

Beiträge: 26 | Mitglied seit: Oktober 2003 | IP-Adresse: gespeichert
rumpg
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ID # 59


  Erstellt am 15. März 2009 12:55 (#4)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Zu dem Thema möchte ich noch einige Ergänzungen anfügen:
vielen Dank an Herrn Lösch für die Aufforderung zur jährlichen (zumindest regelmäßigen) Überarbeitung der Hausliste. Auch bei anderen Operationen (z.B. Leberchirurgie) sind die Blutverluste teilweise schon erheblich reduziert worden.
Herrn Schanz muss ich teilweise widersprechen:
Die "Hausliste" ist nicht für Anfänger, sondern ein von den Hämotherapie-Richtlinien gefordertes Instrument. Zur "ärztlichen Kunst" ist zu sagen, dass es eben auch Ignoranz gibt, was sehr schön nachzulesen ist in "Palmer et al., reducing unnecessary cross-matching... , Anesth Analg 2003;96:369-75 " : ...there are many obstacles to implementation of a PSBOS (patient-specific blood ordering system)... the most potent obstacle is the reluctance of a surgeon without blood in the OR, when the anticipated blood loss is more than a liter...
In unserer Klinik haben wir jedenfalls mit o.a. Methoden die C-T-Ratio von 18:1 bei einigen Op auf durchschnittlich 2:1 senken können. Mit "Kreuzen auf Abruf " kann eine weitere Senkung bis zur magischen Grenze von !:! gelingen, wobei alle Unterlagen einschließlich Kreuzblut in der Blutbank bereit liegen, gekreuzt wird dann nur bei tatsächlichem Bedarf nach telefonischem Abruf.
Eine hausinterne retrospektive Analyse wird dem individuellen Fall insofern gerecht, wenn man mit einer Wahrscheinlichkeit von 1-5% einkalkuliert, dass der Blutverlust auch erheblich höher sein kann, z.B. bei einem HTP-Wechsel, bei dem 26 EK, 20 FFP und 2 TK anstelle von 4 - 6 EK benötigt werden können. (Verletzung der A. iliaca).

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G.Wittenberg-Rump
Arzt für Anästhesie und Bluttransfusionswesen D.E.S.A.
BG-Unfallklinik Ludwigshafen

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Schanzst
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ID # 8


  Erstellt am 14. April 2009 21:41 (#5)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Ich glaube wir sind gar nicht so weit auseinander mit unserer Meinung.

Kreuzen auf Abruf deckt sich mit Typ and screen, da ja das Proben Blut in der Blutbank gelagert wird. Natürlich nach 3 Tagen einsenden einer neue Probe nicht vergessen, wenn noch weiter Transfusionsgefahr besteht. Das Prozedere sollte immer angewendet werden wen man auch nur im Entferntesten an eine Transfusion denkt, auch bei einer Transfusionswahrscheinlichkeit von 1:1000. Ziel ist die Minimierung des sinnlosen Verfalls durch die Reservierung für 3 Tage bei gesicherter Transfusion, auch ungekreuzt, im Notfall wenn ich die X Probe trotz Probe im Labor nicht abwarten kann.

Aber selbst wenn ich in meiner immer aktuellen Hausliste den Hüft TEP Wechsel als risikoreiche OP habe und entsprechend EK gekreuzt oder Kreuzen auf Abruf/Type and screen bereithalte um 99% zu versorgen schützt sie mich nicht vor dem geschilderten Katastrophenszenario.

Wenn wir große und kleine Eingriffe besprechen sollte man dann nicht besser in die Richtlinien eine Richtgröße für das Depot einführen? In einer Orthopädischen Fachklinik mit einem Depot von 4 EK Apos, 4 EK 0pos und 2EK 0neg währe der Transfusionsbedarf mit 26 EK ja nicht zu managen, die nächste suffiziente Blutbank ist immer Minimum 30 min entfernt, selbst in der UNI Klinik und dann hat man doch zu viel oder doch zu wenig eingekauft.

Was währe die Zielgröße eines Depots? Statistik z.B. wie oft ich zukaufen muss außerhalb der regulären Transporte? Ziel 1x im Jahr bis 1x in der Woche? Was währe das minimal Depot für Endoprothetik, Gastroenterologie, Gefäßchirurgie und Geburtshilfe?

In die Hauslisten kann man aber auch Erkrankungen Aufnehmen, die keine geplante OP mit sich bringen, selbst in konservativen/internistischen Fächern. Was soll ich kreuzen bei Aufnahme von einem Patienten mit Ösophagusvarizenblutung, Geburt und prä-Eklampsie oder TE Nachblutung? Oder bei Herzkatheteruntersuchung, Nierenbiopsie und endoskopischer Kolonpolypektomie? Alles "harmlose" Eingriffe bei dennen ich schon transfundiert habe.

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St. Schanz
Anästhesie und Notfallmedizin, Bluttransfusionswesen
Loßburg Schömberg

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rumpg
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ID # 59


  Erstellt am 15. April 2009 09:52 (#6)  |  Zitat Zitat   PN PN   E-Mail E-Mail
Die Kommunikation in diesem Forum ist wirklich ausserordentlich gut. Zu den Ausführungen von Herrn Schanz habe ich jetzt überhaupt keinen Widerspruch mehr. Selbstverständlich müssen auch internistische Erkrankungen in die Hausliste aufgenommen werden. Die Zielgrösse eines Depots ist genannt worden: wenn es des öfteren Engpässe gibt, liegt man zu niedrig mit der Vorhaltung und gefährdet die Patienten ! Bei hohem Verfall (40%) liegt man zu hoch. Eigentlich sollte niemand aus Sparsamkeit verbluten. Hier gilt sonst das Prinzip der "Seenot-Rettungskreuzer": alle verfügbaren Boote wurden zur Unfallstelle geschickt... Dann ist die Frage der Blutversorgung anders zu beantworten: " Wie viele Patienten kann man verbluten lassen, ohne die Qualitätskriterien zu gefährden". So weit sollten wir unser Gesundheitswesen aber nicht treiben. Der Verfall in der Blutbank und beim Anwender(durch Kreuzen (!!), durch ein zu grosses Depot und durch sonstiges Mismanagement muss aber gering sein, die Zielgrösse liegt meines Erachtens bei 1-2 %. In unserer Klinik liegen wir über alle Blutgruppen hinweg derzeit bei 2,2 %.

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G.Wittenberg-Rump
Arzt für Anästhesie und Bluttransfusionswesen D.E.S.A.
BG-Unfallklinik Ludwigshafen

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