Deutsche Multizentrische Studie zur Transfusionsstrategie in der Geriatrie gestartet

Meybohm P et al. Die LIBERAL-Studie: Profitieren alte, gebrechliche Patienten bei nicht-herzchirurgischen Operationen von einem liberalen Transfusionstrigger?

Die LIBERAL -Studie rekrutiert seit Januar 2019 hauptsächlich an Universitätskliniken ältere Patienten > 70 Jahren, die sich einem größeren Eingriff unterziehen (nicht herzchirurgisch).

Die Studienhypothese ist, dass eine liberale Transfusionsstrategie die Rate an schweren Komplikationen wie der Sterblichkeit und Ischämien (myokardial oder zerebral, vaskulär oder intestinal) sowie Nierenschaden senkt, die innerhalb von 3 Monaten nach dem Eingriff auftreten.

Dafür sollen nun knapp 2500 Patienten in Deutschland rekrutiert werden. Angestoßen von der Frankfurter Universität fanden sich bislang 15 bis 20 Zentren, darunter vornehmlich Universitätskliniken Augsburg, Aachen, Charite Berlin, Bonn, Düsseldorf, Dresden, Giessen-Marburg, Dresden, Greifwald, Kiel, Leipzig, Münster, Regensburg und Würzburg zum jetzt in der Zeitschrift TRIALS veröffentlichten Studienvorhaben.

Die chirurgischen Eingriffe, denen sich die Patienten unterziehen, umfassen nicht nur klassische Blutverlustoperationen, sondern Eingriffe mit mittlerem und hohem Komplikationsrisiko der Neuro-, Gefäß-, Abdominal- und urologischen Chirurgie. Die Patienten werden sobald sie den Hämoglobingehalt von 9g/dl erreichen, zufällig den Gruppen restriktiv oder liberal zugeteilt. Der Hämoglobingehalt soll dann im intra- und postoperativen Verlauf zwischen entweder 7,5g/dl bis 9g/dl oder zwischen 9g/dl bis 10,5g/dl gehalten werden. Die Komplikationsrate muss 25% betragen, damit die Studie genug Power hat. Eine Interimsanalyse ist nach 1450 Patienten geplant.

Obwohl einige sekundäre Studienziele genannt sind und verschiedene Subgruppenanalysen geplant sind (signifikante Ergebnisse damit wahrscheinlicher...), ist bereits das Studiendesign aus meiner Sicht diskutabel. Es erscheinen die gewählten Transfusionstrigger zu hoch- aus den bisherigen Studien zu diesem Thema könnte die Lehre gezogen worden sein, dass die dann wahrhaftig gewählten Transfusionstrigger nach oben um 0,5 bis 1g/dl variieren. Damit reiht man sich mit dieser Studie in die Serie der irrelevanten Untersuchungen derjenigen ein, die eine liberale mit einer extrem liberalen Transfusionsstraegie vergleichen.

Der kritischste Punkt ist aber, dass auch in dieser Studie kein Messverfahren die Normovolämie der Patienten zum Randomisierungs- bzw. Transfusionszeitpunkt misst bzw. den Volumenstatus des Gefäßsystems beurteilt wird. Damit versandet die Orientierung am Hämoglobinspiegel weiter. Zugegebenermaßen machen das auch alle bisherigen Studien zum Transfusionstrigger nicht. Aber der Einfachheit halber anzunehmen, dass beim kritisch Kranken, Älteren und Blutverlustpatienten die Normovolämie durch den erfahrenen Kliniker sicher beurteilt werden kann, ist trotzdem falsch, wie wir aus alten Studien zum Einsatz der Herzzeitvolumenmessung und der Pulskonturanalyse wissen.

Und letzendlich erscheint mir die Komplikationsrate von 25% extrem hoch und damit die Fallzahl nur fraglich ausreichend.

Ich wünsche dem Vorhaben dennoch ein gutes Gelingen und wünsche mir, dass sich die obigen Bedenken am Ende als falsch erweisen ...   

Pubmed

Kritisch berichtet von Th. Frietsch

 

 

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