Die Änderung des Transfusionsgesetzes 2023 und ihre Folgen

Was die Kliniker nicht direkt betrifft, aber irgendwie alle Beteiligten wissen sollten

Am 16.03.2023 wurde die Neufassung des Transfusionsgesetzes (Bisher gültige Version siehe https://www.gesetze-im-internet.de/tfg/) beschlossen. Es ging wohl hauptsächlich um die Erfüllung des Koalitionsvertrags. Dabei wurden zu drei verschiedenen Aspekten folgende Paragraphen geändert (neu in Fett dargestellt, alt durchgestrichen):

 

  • Nutzung von Telemedizin bei der ärztlichen Begutachtung und Freigabe §§ 4,5 und 7

  • 4 Anforderungen an die Spendeeinrichtungen 

Eine Spendeeinrichtung darf nur betrieben werden, wenn …

(3) bei der Durchführung der Spendeentnahmen von einem Menschen eine ärztliche Person vorhanden ist; der Einsatz telemedizinischer Verfahren ist zulässig 

 

IAKH Kommentar: der Einsatz telemedizinischer Verfahren bei der ärztlichen Begutachtung und Freigabe ist laut Begründung meist auf gesunde Wiederholungsspender begrenzt, betrifft also nicht die Eigenblutspende!  

 

  • Überarbeitung §12a Richtlinien zum Stand der Erkenntnisse der medizinischen und zahnmedizinischen Wissenschaft und Technik zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen
  1. Die Bundesärztekammer kann den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und Technik zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen ergänzend zu den Vorschriften der Rechtsverordnung nach § 12 im Einvernehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde in Richtlinien feststellen. Die Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von bestimmten Personengruppenvon der Spende führt, ist im Fall neuer medizinischer, wissenschaftlicher oder epidemiologischer Erkenntnisse zu aktualisieren und daraufhin zu überprüfen, ob der Ausschluss oder die Rückstellung noch erforderlich ist, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau von Empfängerinnen und Empfängern von Blutspenden sicherzustellen. Die Bewertung eines durch das Sexualverhalten bedingten Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führt, hat auf Grundlage des jeweiligen individuellen Sexualverhaltens der spendewilligen Person zu erfolgen. Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität der spendewilligen Person oder der Sexualpartnerinnen oder der Sexualpartner der spendewilligen Person dürfen bei der Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führt, nicht berücksichtigt werden. Die Richtlinien werden von der zuständigen Bundesoberbehörde im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

 

IAKH Kommentar: Begründet wird diese Gesetzesänderung durch die Unzulässigkeit der Diskriminierung durch gruppenbezogene Ausschluss- oder Rückstellungstatbestände (bislang Men having Sex with Men). Insbesondere wird der pauschale Ausschluss oder die Rückstellung spendewilliger Personen in Bezug auf sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität als solche nicht zulässig bezeichnet. 

 

  • Neubewertung und Evaluierung von Risiken, Aufheben der Altergrenzen

    12a(4) Die Bundesärztekammer hat bis zum … [

1 abweichend von Absatz 1 Satz 2 eine Neubewertung der Risiken, die zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung führen, vorzunehmen, soweit sie auf Grund der Änderung dieses Gesetzes durch das Fünfzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland vom … erforderlich ist und

  1. die Feststellungen der Höchstaltersgrenzen für Erst- und Wiederholungsspender aufzuheben unter Verweis auf eine individuelle Feststellung der Spendetauglichkeit nach ärztlicher Beurteilung.

 

  • 12a(5) Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert die Auswirkungen der Regelungen des Absatzes 1 Satz 2 und 3 auf die Blutproduktesicherheit und das Blutspendeaufkommen bis zum …

 

Begründung der Gesetzesänderung (Auszug):

Um zu vermeiden, dass spendewillige Personen unnötigerweise von der Spende ausgeschlossen werden, sollte es auch auf Grundlage der Vorgaben in der Richtlinie Hämotherapie möglich sein, dass spendewillige Personen, insbesondere auch Erstspender im Alter über 60 Jahren, regelmäßig zur Blutspende zugelassen werden können, wenn keine medizinischen Gründe entgegenstehen.

 

 IAKH Kommentar: Während der Passus aus Absatz 1 sehr gut nachzuvollziehen ist, wäre ein Ultimatum für die Umsetzung durch die BÄK wie unter Absatz 4 nicht zu akzeptieren:  Die Regelung sieht eine Frist von mindestens vier Monaten zur Umsetzung der geänderten Vorgaben durch Anpassung der Richtlinie Hämotherapie vor, sonst übernimmt das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Bundesbehörde die Umsetzung bzw. die Richtlinienabfassung!

 

 

IAKH Fazit: 

 

Die Gesetzesänderung erweitert den Spenderpool und soll eine Reaktion auf den zunehmenden Versorgungsmangel darstellen und gleichzeitig Diskriminierung beseitigen.

Obwohl wir als klinische Hämotherapeuten nur selten Spendeeinrichtungen betreiben, sind diese Punkte für uns in mehrerer Hinsicht von Belang. 

 

  • Um dem Wunsch besonderer Interessengruppen zu entsprechen, verlässt das BMG erstmals das nach dem HIV-Skandal geübte Prinzip, die Arzneimittelsicherheit zu priorisieren.
  • Die Gesetzesänderung wurde vor einem Jahr im Gesundheitsausschuss des Bundestages angehört und die Fachgesellschaften wurden in undemokratischer Weise ohne die Chance auf fristgerechte Stellungnahme verspätet eingeladen. Die IAKH hat sich im Schulterschluss mit anderen großen Fachgesellschaften dazu juristisch beraten lassen und eine Stellungnahme und Protestnote abgegeben.(Zum EInwand der IAKH an den Bundestag)
  • Weder die fachlichen wissenschaftlichen Argumente der Fachgesellschaften noch der  Bundesärztekammer vom 14.03.2023 wurden in den wesentlichen Punkten berücksichtigt 2023-03-14_E-SN_ÄATFG_final (bundesaerztekammer.de).
  • Der Stellungnahme der BÄK, die auch die Intensivierung des Spendeaufkommens durch Aufrufe etc. enthält, ist aus unserer Sicht die stärkere Unterstützung des Patient Blood Management Konzepts als Einsparmaßnahme hinzuzufügen. Sie sollte strategisch und mit Auswirkungen auf die Sozialgesetzgebung (Kassenleistung) zur Steigerung der flächendeckenden Unterstützung von blutsparenden Strategien gleich gewichtet werden.
  • Ein weiterer Punkt, der uns Klinikern Sorge bereitet, ist die Fristsetzung, die dieses Gesetz in der aktuell verabschiedeten Fassung enthält. Wohl war die Richtlinie schon immer im Einvernehmen mit der obersten Regierungsbehörde festzulegen, aber dass die BÄK ein Ultimatum gesetzt bekommt (sonst obliege dem PEI die Formulierung und Verabschiedung), ist ein Eingriff in die ärztliche Berufsordnung. Die Zeitverkürzung prinzipiell (und so wird es auch kommen) im Prozess der Abfassung wird an der Anhörungszeit der Fachgesellschaften abgehen. 

 

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