Die internationalen Transfusions-Leitlinien der AABB
Carson JF et al. Red Blood Cell Transfusion: 2023 AABB International Guidelines. JAMA Oct 12. doi: 10.1001/jama.2023.12914. Online ahead of print.
In dem Update der internationalen Leitlinien wurden aus dem vielköpfigen angloamerikanischen Autorenteam und in Kooperation mit den Fachgesellschaften ISBT, ICTM, SCCM, EBA, SABM (International Society of Blood Transfusion, International Collaboration for Transfusion Medicine Guidelines, Society of Critical Care Medicine, the European Blood Alliance, Society for the Advancement of Patient Blood Management) 48 randomisierte Studien mit beinahe 21 000 erwachsene Patienten zum Thema Transfusionstrigger- liberal order restriktiv - analysiert. Im Vergleich zu den Vorversionen von 2012 und 2018 eine um n= 2730 verbesserte Anzahl der behandelten Patienten innerhalb von kontrollierten Studien (RCT). Die Empfehlungen bezogen sich nur auf Erythrozytenkonzentrate (EK) und deren als sicher gezeigte Untergrenze einer Hämoglobinkonzentration beim Empfänger. Für die Pädiatrie lagen nur 7 RCTs, aber damit deutlich mehr als 2018 vor. Folgende Empfehlungen wurden formuliert:
- Für Erwachsene unter stabilen Kreislaufverhältnissen ist eine restriktive Strategie mit einer Transfusion von EK unter einem Hämoglobingehalt (Hb) unter 7g/dl empfohlen (starke Empfehlung, moderate Evidenzlage). Ein Transfusionstrigger von einem Hb = 7,5g/dl kann in der Herzchirurgie, der Orthopädie (Traumatologie) und bei Patienten mit Herzkreislauferkrankungen gewählt werden.
- Für Patienten mit Krebserkrankungen oder hämatologischen Erkrankungen ist ebenfalls ein Trigger von Hb < 7g/dl empfohlen (bedingte Empfehlung, schwache Evidenzlage)
- Für Kinder auf der Intensivstation unter stabilen Bedingungen (stabile Kreislaufverhältnisse, ohne Hämoglobinopathie, keinen zyanotischen Herzfehler, ohne Hypoxie) ist die restriktive Strategie empfohlen (Transfusion erst unter Hb < 7g/dl) (starke Empfehlung, moderate Evidenzlage)
- Für Kinder mit angeborenem Herzfehler wird eine den Auswirkungen des Herzfehlers angepasste Transfusionsschwelle und dessen Korrektur empfohlen: Hb 7 g/dL (biventrikuläre Rekonstruktion), 9 g/dL (univentrikuläre Palliation), oder 7 bis 9 g/dL (unkorrigierter Herzfehler), (bedingte Empfehlung, schwache Evidenzlage)
Wie auch dem Autorenteam allzu deutlich war, basiert die Richtlinie auf dem am einfachsten meßbaren Parameter der Anämie- der Hämoglobinkonzentration. Um aber eine verlässliche Richtgröße zur Transfusionsindikation zu sein, muss der Patient normovoläm und kardiozirkulatorisch stabil sein, was die wenigsten Empfänger von Transfusionen sind. In den Studien wurde der Volumenstatus in der überwiegenden Mehrheit nicht gemessen. Das wurde in der Leitlinie so formuliert:
"Good transfusion practice should rely not only on hemoglobin concentration thresholds but also incorporation of patients’ symptoms, signs, comorbid conditions, rate of bleeding, values, and preferences. This guidance is particularly important because clinicians commonly use only hemoglobin concentration to decide when to transfuse (Vuille-Lessard et al). Blood management programs that audit blood should attend to these broader considerations in their policies and decisions."
Ob die restriktive Strategie mit diesen als sicheren Untergrenzen ausgereizt ist, bleibt der Indikationsstellung im Individualfall überlassen. Da aber keine Studien zu tieferen Hämoglobinwerten vorliegen, musste das Autorenteam eben diese Daten nehmen. Jedenfalls sind für die Großzahl an Transfusionsempfängern die restriktive Orientierung abgesichert. Andere gleichsinnige internationale Leitlinien verschiedener Gesellschaften zur Unterstützung der restriktiven Transfusionsschwellen seit 2016 sind explizit in einer eigenen Darstellung erwähnt.
Für Sie gelesen von Th. Frietsch