Emicizumab bei erworbener Hemmkörper-Hämophilie

Neuartiger spezifisches Antikörper-Molekül als Faktor VIII-Ersatz

Hintergrund
Die "erworbene Hemmkörper-Hämophilie" ist eine
seltene Autoimmunerkrankungdie durch eine schwere neu-aufgetretene Blutungsneigung symptomatisch wird. Die Blutungsneigung wird durch die Bildung von Anti-Faktor VIII Antikörpern hervorgerufen. Die Behandlungsmöglichkeiten einer erworbenen Hemmkörper-Hämophilie sind limitiert und stützen sich im Wesentlichen auf zwei Säulen: 1) die Behandlung bzw. Vermeidung von Blutungskomplikationen (anti-hämorrhagische Therapieund 2) der unverzügliche Beginn eineimmunsuppressivenTherapie mit dem Ziel der Anti-Faktor VIII Antikörperelimination. Der Krankheitsverlauf ist höchst variabel und in manchen Fällen ist der Erfolg der Antikörperelimination äußerst protrahiert.Die Mehrheit der Patienten verstirbt an den Nebenwirkungen und Komplikationen der immunsuppressiven Therapie.

Nun existiert ein neuartiges Molekül, das die Faktor VIII-Wirkung kompetent ersetzen kann! Es ist mittlerweile für die Blutungsprophylaxe bei Patienten mit angeborener Hämophilie A mit und ohne Hemmkörper in Deutschland zugelassen. Die Arbeitsgruppe um M. Spannagl aus München demonstrierte erstmalig den bisher unbekannten Einsatz bei einem Patienten mit erworbener Hemmkörper-Hämophilie mittels eines Fallberichts in Transfusion Medicine and Hemotherapy [Emicizumab in the Treatment of Acquired Haemophilia: A Case Report; DOI: 10.1159/000497287].

Patienten mit angeborener Hämophilie A weisen eine reduzierte FVIII Aktivität < 1% auf. Sie müssen mit FVIII Konzentrat behandelt werden. Entwickeln diese Patienten Antikörper (in 20-30% der Fälle) gegen den „fremden“ FVIII (Immunogenität von Fremdeiweiß), dann sind das Alloantikörper und eine Nebenwirkung der Therapie. Entwickeln vormals gesunde Menschen Autoantikörper gegen endogenen Faktor VIII durch eine Dysregulation des Immunsystems, dann bezeichnet man diese Erkrankung als „erworbene“ Hemmkörperhämophilie im Sinne einer Autoimmunerkrankung.

Ein älterer, multimorbider Patient wurde wegen seit Monaten deutlich zunehmender Blutungsneigung unter DOAK (direkte orale Antikoagulantien) Medikation bei Vorhofflimmern mit hohem CHA2DS2VASc-Score und rezidivierender Thromboembolien in der ambulanten hämostaseologischen Sprechstunde im Dezember 2017 vorstellig. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Patient bereits einen Hämoglobin-relevanten und transfusionspflichtigen Blutverlust wegen einer Angiodysplasie des Magens erlitten. Es erfolgte die stationäre Aufnahme und der Beginn einer anti-hämorrhagischen und immunsuppressiven Therapie. Durch weitere schwere Blutungsereignisse trotz maximaler anti-hämorrhagischer Therapie mit rekombinanten Faktor VIIa sowie einer interkurrenten gram-negativen Sepsis unter immunsuppressiver Therapie wurde der Krankheitsverlauf kompliziert. Ende Februar 2018 waren die bisher bekannten therapeutischen Optionen ausgeschöpft. Bei Verschlechterung des klinischen Bildes des ansonsten aber voll orientierten und lebenswilligen Patienten entschied sich Prof. Spannagl und sein Team zur Anwendung dieses neuartigen Medikaments, das zu diesem Zeitpunkt ausschließlich in den USA zugelassen war.

Emicizumab ist ein bispezifischer Antikörper, der die Ko-Faktor-Funktion des Faktor VIII im Tenasekomplex, das heißt die überbrückende Bindung von Faktor IXa und X durch Faktor VIIIa, imitieren kann. Im Gegensatz zu rekombinanten Faktor VIIa muss Emicizumab lediglich einmal die Woche subkutan verabreicht werden.

Nach wenigen Tagen zeigte sich bereits eine deutliche Verbesserung des klinischen Bildes. Durch die Gabe von Emicizumab konnte eine ausreichende Blutungsprophylaxe bei deutlich reduzierter Therapiebelastung und der Möglichkeit einer rehabilitativen ambulanten (!) Behandlung erreicht werden. Durch die Gabe von Emicizumab konnte wertvolle (Lebens-) Zeit bis zum Wirkeintritt der immunsuppressiven Therapie (sinkender Anti-Faktor VIII Antikörpertiter, Wiederanstieg des eigenen Faktor VIII) für den Patienten gewonnen werden.

Laden Sie dazu auch den Vortrag von Prof. M. Spannagl auf den Transfusionsgesprächen der IAKH in Ludwigshafen vom 22. /23. März 2019 runter (https://www.iakh.de/vortrag/ludwigshafener-transfusionsgespraeche-22-23-03-2019.html)"

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