Neue Leitlinien der europäischen Kardiologen empfehlen präop. Anämietherapie und maschinelle Autotransfusion

ESC- Guidelines 2022 zum perioperativen Management von kardiovaskulär vorerkrankten Patienten

Wir haben das umfangreiche Leitliniendokument für Sie gelesen. Die Inhalte aus den Kapiteln für den klinischen Hämotherapeuten haben wir in Kurzform und auf deutsch zusammengefasst (Siehe  Für Sie gelesen).

Die letzte Leitlinie der Kardiologen zu diesem Thema wurde 2017 veröffentlicht. Nach einem extrem intensiven Aund interdisziplinären Austausch und unter Verdrängung anderer Inhalte wurde das Kapitel 5.5 Patient Blood Management neu aufgenommen und für vordringlich empfehlenswert erachtet.

Wichtigste Empfehlungen aus deisem Kapitel sind:

5.5 Patient-Blood Management PBM

  • Da Bluttransfusion das Outcome nach großen chirurgischen Eingriffen verschlechtert, präoperative Anämie bei den transfundierten Patienten eine weitere Halbierung des Langzeitüberlebens bedeutet, vermutlich über myokardiale Ischämien beim kardiovaskulär vorerkrankten Patient, hat sich die aktuelle ESC-Leitlinie 2022 erstmalig dem PBM gewidmet. Eisenmangel wird mit bis zu 50% als zugrundeliegende Ursache der Anämie angegeben.

Grad I Empfehlungen - "soll"

5.5.1- Bei mittlerem und hohen Blutungsrisiko des chirurgischen Eingriffs soll der präoperative Hämoglobinspiegel gemessen werden- Empfehlungsgrad 1B

5.5.2- Die präoperative Anämie soll vor dem EIngriff behandelt werden, um die Notwendigkeit für eine Bluttransfusion zu reduzieren- Empfehlungsgrad 1 A

5.5.3- Bei einer Blutungswahrscheinlichkeit /chirurgischem Blutverlust von über 500ml soll die maschinelle Autotransfusion benutzt werden- Empfehlungsgrad 1 A

5.5.4- Wenn verfügbar soll eine Point of Care Gerinnungsdiagnostik zur Steuerung der Therapie mit Blutprodukten verwendet werden- Empfehlungsgrad 1 A

 

Grad II Empfehlungen - "sollte"

 

  • Der hier ganz oben stehende Algorithmus zur Diagnostik und Therapie der präoperativen Anämie sollte vor großen und mittleren Eingriffen abgearbeitet werden. (Empfehlungsgrad 2aC)
  • Die Verabreichung von Tranexamsäure sollte bei größeren Blutungen unverzüglich erwogen werden. (Empfehlungsgrad 2aA)
  • Sorgfältige Blutstillung und Hämostase sollte als normaler Standard gelten. (Empfehlungsgrad 2aC)
  • Blutsparende Abnahmesysteme (Closed Loop-Arterien) für die arteriellen Druckabnehmersystem und der Blutgasanalyse sollten verwendet werden. (Empfehlungsgrad 2aB)
  • Ein Feedback-/Monitoring-System zum EInsatz der Blutkonserven oder das Clinical-Decision-Support-System sollte vor der Gabe von Blutprodukten eingesetzt werden. (Empfehlungsgrad 2aB)
  • Vor dem Einsatz von Fremdblutprodukten sollten die Risiken der Transfusion ausführlich besprochen werden.(Empfehlungsgrad 2aC)

 

Die Leitlinie ist auch in den anderen von uns rezensierten Kapiteln grundlegend überarbeitet und lesenswert. UNsere Zusammenfassung zu den Themen Thromboseprophylaxe und das Management von Patienten mit Antikoagulanzien und Plättchenhemmer finden Sie unter Für Sie gelesen). 

 

Kommentar:

Es ist ausserordentlich zu begrüßen, dass die Anämietherapie jetzt in einer auch für uns in Deutschland gültigen Leitlinie mit einer überzeugenden Empfehlung aufgenommen ist. Das erleichtert die Standpunktvertretung in vielen Diskussionen. Ebenso bedeutsam ist, dass der Einsatz der maschinellen Autotransfusion bei großen Blutverlusten unabhängig vom präoperativen Blutvolumen empfohlen wird. Das bedeutet auch, dass die (wie auch in der Querschnittsleitlinie Hämotherapie von 2020 nicht mehr zu findende) Empfehlung des mit Fremdblut vergleichbaren Transfusionstriggers von autologem Blut auch von kardiologischer Seite verlassen wurde und das Risiko der Volumenüberladung durch die Retransfusion in der perioperativen Situation als extrem gering interpretiert wird.

Beachtlich ist, dass die Evidenzbewertung der europäischen Kardiologen in vielen Bereichen, insbesondere aber was die Therapie der präoperativen Anämie angeht, sehr viel näher an der klinischen Realität ist als es noch eine internationale PBM-Konferenz vor kaum 4 Jahren vermochte. Aber wahrscheinlich ist jetzt die Evidenzlage sehr viel deutlicher...

Pubmed (noch nicht aufgenommen)

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