Thromboseprophylaxe bei Covid-19

Update-Empfehlung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung GTH- Prophylaxe jetzt unabhängig von Hospitalisierung!

Erste Fallserien und Kohortenstudien zeigen, dass bei Patienten mit COVID-19 eine übermäßige Gerinnungsaktivierung bezüglich Krankenhaussterblichkeit und Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung von prognostischer Relevanz ist [1–3]. Diese Daten werden ergänzt durch Berichte über ein gehäuftes Auftreten von venösen Thromboembolien (VTE) bei ambulanten und stationären COVID-19 Patienten. In einer niederländischen Auswertung von 184 kritisch kranken Patienten mit COVID-19 Pneumonie lag die kumulative Inzidenz thromboembolischer Komplikationen über einen medianen Beobachtungszeitraum von 7 Tagen trotz standardmäßiger Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) bei 31 % (27 % venöse und 4 % arterielle Ereignisse) [4]. In einer Studie aus Wuhan, China wurde bei 20 von 81 Intensivpatienten mit COVID-19 Pneumonie (25 %) eine VTE diagnostiziert [5]. Eine retrospektive Analyse von 449 Patienten mit schwerer SARS-CoV-2 Infektion legt zudem nahe, dass in den Subgruppen von Patienten mit septischer Koagulopathie (definiert durch die Parameter Thrombozytenzahl, Quick/INR und SOFA-Score) oder mit deutlich erhöhten D-Dimeren (> 6-fache des oberen Referenzwertes) eine prophylaktische Antikoagulation ≥ 7 Tage, vorwiegend mit NMH, die 28-Tages-Mortalität reduziert [6].

Basierend auf der bisher verfügbaren Literatur sowie in Anlehnung an die ISTH [7] und andere Fachgesellschaften [8,9] hat der GTH Vorstand Empfehlungen zur VTE-Prophylaxe bei Patienten mit SARS-CoV-2 Infektion (COVID-19) formuliert und nachfolgend aktualisiert. Weitere Anpassungen an neue medizinische Erkenntnisse sind im Verlauf zwingend erforderlich.
  • Bei allen Patienten mit gesicherter SARS-CoV-2 Infektion sollte die Indikation zur medikamentösen VTE-Prophylaxe mit NMH unabhängig von der Notwendigkeit einer Hospitalisierung fortlaufend geprüft und großzügig gestellt werden.
  • NEU: Ist eine Indikation zur medikamentösen VTE-Prophylaxe gegeben, sollte diese mit NMH in einer für den Hochrisikobereich zugelassenen Dosierung erfolgen. Liegen Kontraindikationen für eine Antikoagulation vor, sollten physikalische Maßnahmen (z.B. Kompressionsstrümpfe) zur Anwendung kommen.
  • Bei Patienten mit gesicherter SARS-CoV-2 Infektion und akuten Krankheitssymptomen ist eine Bestimmung der D-Dimere sinnvoll. Bei signifikant erhöhten D-Dimeren (≥ 1,5–2,0 mg/l) ist eine medikamentöse Thromboseprophylaxe indiziert. Zudem sollte dann unabhängig von der Krankheitssymptomatik eine stationäre Aufnahme zur Überwachung erwogen werden.
  • Alle hospitalisierten Patienten mit SARS-CoV-2 Infektion sollten in Abwesenheit von Kontraindikationen eine medikamentöse VTE-Prophylaxe erhalten.
  • NEU: Bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren (z.B. BMI > 30 kg/m², stattgehabte VTE, aktive Krebserkrankung), bei intensivmedizinisch behandelten Patienten und/oder bei einem raschen Anstieg der D-Dimere sollte unter Berücksichtigung von Nierenfunktion und Blutungsrisiko eine intensivierte Thromboseprophylaxe erwogen werden (z.B. NMH in halbtherapeutischer Dosierung 1 x täglich oder NMH in prophylaktischer Dosierung 2 x täglich).
  • NEU: In Abwesenheit einer gesicherten Thromboembolie oder ECMO-Behandlung kann eine therapeutisch dosierte Antikoagulation aktuell nicht routinemäßig empfohlen werden. Bei klinischem Verdacht auf eine VTE (z.B. akute Zunahme der Dyspnoe, unerklärter Abfall von Sauerstoffsättigung/-partialdruck, zunehmende Beinödeme, massiver Anstieg der D-Dimere) sollte jedoch die Indikation zur bildgebenden Diagnostik (CTPA, Sonographie) großzügig gestellt werden.
  • Alle hospitalisierten Patienten mit SARS-CoV-2 Infektion sollten fortlaufend hämostaseologisch überwacht werden. Sinnvolle Laborparameter sind: D-Dimere, Prothrombinzeit (Quick/INR), Thrombozytenzahl, Fibrinogen und Antithrombin.
  • Bei Patienten mit SARS-CoV-2 Infektion stellen eine Thrombozytopenie und eine verlängerte APTT oder Prothrombinzeit ohne Blutungssymptome per se keine Kontraindikation zur Durchführung einer medikamentösen VTE-Prophylaxe dar.
  • Bei einer ECMO-Behandlung sollte unter Verwendung von unfraktioniertem Heparin (UFH) eine 1,5- bis 1,8-fache APTT-Verlängerung angestrebt werden.
  • NEU: Bei fortbestehender Immobilität, hoher entzündlicher Aktivität und/oder zusätzlichen Risikofaktoren (siehe oben) ist nach Entlassung aus der stationären Behandlung eine prolongierte ambulante NMH-Prophylaxe sinnvoll und dann im Arztbrief entsprechend zu kommunizieren.
Literatur:
  1. Guan WJ, Ni ZY, Hu Y et al. Clinical Characteristics of Coronavirus Disease 2019 in China. N Engl J Med 2020 [Epub ahead of print]
  2. Huang C, Wang Y, Li X et al. Clinical features of patients infected with 2019 novel coronavirus in Wuhan, China. Lancet 2020; 395: 497-506
  3. Tang N, Li D, Wang X, Sun Z. Abnormal coagulation parameters are associated with poor prognosis in patients with novel coronavirus pneumonia. J Thromb Haemost 2020 [Epub ahead of print]
  4. Klok FA, Kruip MJHA, van der Meer NJM et al. Incidence of thrombotic complications in critically ill ICU patients with COVID-19. Thromb Res 2020 [Epub ahead of print]
  5. Cui S, Chen S, Li X et al. Prevalence of venous thromboembolism in patients with severe novel coronavirus pneumonia. J Thromb Haemost 2020 [Epub ahead of print]
  6. Tang N, Bai H, Chen X et al. Anticoagulant treatment is associated with decreased mortality in severe coronavirus disease 2019 patients with coagulopathy. J Thromb Haemost 2020 [Epub ahead of print]
  7. Thachil J, Tang N, Gando S et al. ISTH interim guidance on recognition and management of coagulopathy in COVID-19. J Thromb Haemost 2020 [Epub ahead of print]
  8. Casini A, Alberio L, Angelillo-Scherrer A et al. Thromboprophylaxis and laboratory monitoring for in-hospital patients with COVID-19 - a Swiss consensus statement by the Working Party Hemostasis. Swiss Med Wkly 2020; 150: w20247
  9. Marietta M, Ageno W, Artoni A et al. COVID-19 and haemostasis: a position paper from Italian Society on Thrombosis and Haemostasis (SISET). Blood Transfus 2020 [Epub ahead of print]
     
Das aktualisierte PDF mit Stand vom 21.04.2020 zum Download und zur Weiterleitung finden Sie auf der Seite der GTH unter gth-online.org.

 

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