Verwechslung von Blutkonserven- die Stellungnahme des AK Blut des RKI

Fehlanwendung von Blutkomponenten : Verlautbarung des Arbeitskreises Blut vom 14.Mai 2019: https://doi.org/10.1007/s00103-019-02989-9

Bundesgesundheitsbl 2019 · 62:1140–1143

Die IAKH und einige klinische Fachvertreter sind im AK-Blut vertreten. Die Empfehlungen wurden von den Mitgliedern der Untergruppe„Fehltransfusionen“ des Arbeitskreises Blut: Prof. Dr. Dr. h. c. Erhard Seifried, Prof. Dr. Markus Funk, Prof. Dr. Birgit Gathof, Dr. Jochen Hoch, Dr. Gabriele Hutschenreuter, Dr. Reinhard Kasper erarbeitet. 

Der eingangs in der Empfehlung des AK-Blut postulierten Definition von Fehltransfusionen als "Transfusionen, bei denen die zu transfundierenden Blutkomponenten dem falschen Patienten zugeordnet oder verabreicht wurden, was meist eine Transfusion von Komponenten mit nicht identischer Blutgruppe zur Folge hat." kann man nur bedingt zustimmen, da der letzte Halbsatz aus behördlicher Sicht (als Empfänger der Meldungen) stimmen mag, nicht aber wenn wir unser IAKH Fehlerregister und die dortigen Meldungen objektiv beurteilen. So kommen auf 8 bis 10 Meldungen mit erfolgter versehentlicher Fehltransfusion nur eine bis zwei inkompatible Verabreichungen. Der Begriff wird dann zwar in Anlehnung an die SHOT-Klassifizierung erweitert auf "...die Gabe unbestrahlter Blutkomponenten trotz entsprechender Anforderung oder die blutgruppenkompatible Transfusion bei Patienten ohne Transfusionsindikation...“, aber die zunächst majorkompatible "folgenlose" Fehlmedikation wird nach wie vor nicht durchgehend und eindeutig als Fehltransfusion charakterisiert.  (siehe weiter unten zur Meldepflicht).

In den 3 Jahren von 2015-2017 wurden dem PEI 79 Fehltransfusionen mit Transfusionsreaktion (TR), davon 6 letale gemeldet und 130 Fehlverabreichungen ohne TR*. Sie setzt diese Zahl von 209 zu den beinahe 11 Mio. Anwendungen in Relation (Rate an Fehlanwendungen 1: 55 000).

Die angegebene Inzidenztabelle muss damit als nur bedingt realistisch angesehen werden. Im wesentlichen beruft sich die Stellungnahme auf die belastbaren Meldungen des PEI, ergänzt diese mit dem Hinweis, dass "*Fehltransfusionen ohne Transfusionsreaktion... nicht meldepflichtig..." sind und entsprechend von einer Untererfassung auszugehen ist.

Dieser Umgang mit der Begrifflichkeit "Fehltransfusion" ist zwar aus Sicht der Behörden verständlich, muss aus Sicht der Kliniker stark kritisiert werden, da sie das mit der Transfusion verbundene Risiko als besondere Arzneimittelanwendung oder Organtransplantation verringert darstellt. Die Fehltransfusion ohne Transfusionsreaktion war weder nach der alten Version der Richtlinie Hämotherapie noch nach der Novelle von 2017 nach extern meldepflichtig und das PEI kann keine validen Zahlen darüber haben. Zur Fehlanwendung von Blutprodukten, die nach EU Richtlinie 2001/83/EG dem Hersteller meldepflichtig ist, gehören unserer Ansicht auch die im SHOT berücksichtigten Kategorien wie unnötige, zu späte oder unterlassene Transfusionen sowie Fehldosierungen. Über diese Fehler berichten wir im IAKH Fehlerregister immer wieder und empfehlen Maßnahmen zur Vermeidung. 

Die vom AK-Blut ausgesprochenen Empfehlungen  entsprechen korrigieren diese Meldelücke jetzt aber eindeutig und unmissverständlich. Insgesamt wird empfohlen: 

1. Die Aufnahme der Hämotherapie in das Curriculum des Studiums der Humanmedizin wird von den medizinischen Fakultäten der Universitäten dringend  und verpflichtend eingefordert. (siehe auch offener Brief der IAKH 2016)

2. Die Einweisung aller Ärzte durch die TBs muss auch die Fehlanwendung und deren Meldepflichten enthalten und jährlich wiederholt werden. Die Einrichtungen haben sicherzustellen, dass die TBs alle 5 Jahre durch Schulung dazu befähigt werden. Wir interpretieren diese Empfehlung so, dass die Einrichtung regelmäßiger Transfusions-Fortbildungen für alle Ärzte gefordert und die Berechtigung zur speziellen Fort/Weiterbildung für die TBs empfohlen wird.

3. Die DGTI ist aufgefordert, dem AK-Blut Muster-Schulungsmaterial zur Vermeidung, Meldung und Ursachenanalyse zur Verfügung zu stellen. Wir sind gespannt!

4. Schließlich wird die Optimierung der Meldeverpflichtung behandelt und endlich eindeutig klargestellt: Nach § 63i Abs. 6 Arzneimittelgesetz sind auch Fehltransfusionen ohne Transfusionsreaktionen (wie oben definiert) der Bundesoberbehörde zu melden. Zusätzlich soll derjenige, der im Qualitätssicherungssystem der Einrichtung die dafür verantwortliche (gemäß RiLI-Formulierung) Person ist, das Ereignis dem Transfusionsverantwortlichen oder der zuständigen Person melden. Der TV hat die Fälle zu analysieren und mindestens einmal jährlich der Transfusionskommission darzustellen. Daraus sollen Ursachenanalyse und Vermeidungsmaßnahmen erwachsen. Das sind begrüßenswerte Forderungen, die durchaus wirksam sein sollten. Durch die eindeutige Darstellung aber, dass die Meldepflicht auch für Fehltransfusionen ohne Transfusionsreaktionen gilt, die dem PEI gemeldet werden müssen (bliebe noch zu klären auf welchem Formular), wird das Meldesystem im Sinne eines echten Hämovigilanzsystems verbessert.

5. Eine "Sicherheits-Checkliste" für die Anwendung und Zuordnung von Blutprodukten ist vom AK-Blut empfohlen. Wir haben die erwähnte Version der Bundesärztekammer (Muster-Arbeitsanweisung Transfusion EK [Word]) schon seit Jahren auf unserer Webseite und darüberhinaus eigene Checklisten zu Download (als Musterverfahrensanweisung zur Vermeidung von Blutprobenverwechslung - empfohlenes Vorgehen der IAKH und Musterverfahrensanweisung zur korrekten Verabreichung von Blutprodukten und Blutkonserven - empfohlenes Vorgehen der IAKH).

6. Es werden IT-gestützte Systeme zur Identitätssicherung gefordert. Das entspricht der Charakteristik der Vermeidungsmaßnahmen, die die Auswertekommission der IAKH bei nahezu jeder 2. Meldung ausspricht. Eine nationale Pilotstudie wird gefordert. Das unterstützen wir in vollem Umfang.

Insgesamt ein sehr positives Signal zur Verbesserung der Anwendungssicherheit von Blutprodukten, das der Arbeitskreis Blut aussendet. 

Prädikat: unbedingt lesenswert

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Zitierbar: Bundesgesundheitsbl 2019 · 62:1140–1143

In der gleichen Ausgabe des Bundesgesundheitsblatts können Sie auch einen Beitrag der Vorsitzenden des AK Blutes, Dr. Ruth Offergeld, lesen, der die Arbeitszeit des Gremiums darstellt.

Weiterhin ist in der gleichen Ausgabe vom September 2019 und auch für Belang für viele IAKH-Mitglieder die Darstellung des Look Back Verfahrens gemäß § 19 TFG zu lesen.

 

 

 

 

 

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