Wie variabel ist die Transfusionsindikation in der Intensivstation?

Kranenburg FJ et al. Variation in red cell transfusion decisions in the intensive care unit - a nationwide survey in the Netherlands. Vox Sang. 2018 Feb 23. doi: 10.1111/vox.12639. [Epub ahead of print]

Wie unterschiedlich Kliniker die Notwendigkeit zur Bluttransfusion auf Intensivstation beurteilen, hat sich nun in einer exzellenten Befragung anhand von 4 realitätsnahen Szenarien herausgestellt.

Nach welchen Kriterien und bei welchem Trigger transfundiert werden sollte, war abhängig von bestimmten vorgegebenen Konstellationen- bei einem 70 Jährigen mit Myokardinfarkt (MI), einer 42-Jährigen in der Sepsis, einer 71-Jährigen mit Schädelhirntrauma (SHT) und einer  88-Jährigen nach komplizierter Abdominalchirurgie (ACh)?

Die Befragten waren in der Mehrzahl erfahrene Kliniker (1 bis 10 Jahre Berufserfahrung (43%), 11-20 Jahre (25%)). In 3 Viertel aller befragten Intensivstation war eine Arbeitsanweisung bzw. ein Bluttransfusionsprotokoll (SOP) vorhanden.

Die Einschätzung des Transfusionsnutzens variierte von 5 bis 60% bei den Teilnehmern der Befragung, während das Risiko, dem Patienten zu schaden, mit 5-10% viel geringer eingeschätzt wurde. Das variierte je nach Szenario: Beim akuten Infarkt transfundierten 73,7% , in der Sepsis: 43,2%, im SHT 25,9% und bei der 88-Jährigen mit Komplikationen nach Abdomialchirurgie 81,6%.

Hämoglobinkonzentration [Hb], Kreislaufsituation und Grunddiagnose beeinflussten die Entscheidung maßgeblich, weniger das Geschlecht, Beatmungspflichtigkeit und Dauer der Intensivpflicht.

Interessant ist vor allem die graphische Darstellung des Kreuzungspunkts der Kurven für einen potenziellen Nutzen und Schaden durch die Maßnahme (Nutzen=Schaden). Die Lage dieser Kreuzungen favorisierte die Entscheidung zur Transfusion unter 1: MI 0,85, Sepsis 3,25, SHT 6,25, ACh 0,60.

Man sieht aus dieser Arbeit, dass es wenig Diskussion oder Uneinigkeit bei der Einschätzung des Schadens gibt, aber erhebliche Unsicherheit bezüglich des Nutzens. Vor allem in der Sepsis und des Schädel-Hirntraumas wurde sehr zögerlich transfundiert, aber relativ liberal bei einem Myokardinfarktpatienten mit einer [Hb] von 8,5g/dl und der Blutungskomplikation nach ACh.

Für mein Gefühl zu viel Variationsbreite bei der Beurteilung des Transfusionsnutzens und zu viele Einflussfaktoren für eine solch wichtige Therapieentscheidung.

PBM

Für Sie gelesen von T. Frietsch

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