ABO-Fehltransfusionen in den USA-2 fatale Ereignisse pro Jahr

Storch EK et al. Trend in ABO-incompatible RBC transfusion-related fatalities reported to the FDA, 2000-2019. Transfusion 2020 16 October 2020 https://doi.org/10.1111/trf.16121

Der FDA  wurden ab 2000 bis 2019 80 Todesfälle gemeldet, die auf eine Major-Inkompatibilität zurückzuführen sind. Diese Fälle wurden nun untersucht. Wie kam es dazu? Welche Ursachen gibt es? Wie kann es zukünftig vermieden werden?

Dabei ist das Problem bei der FDA (und wohl auch weltweit) seit langem bekannt: Im Zeitraum von 1976-1985 wurden ca. 355 fatale Transfusionsreaktionen, davon 180 akut-hämolytisch und zu 78% durch AB0-Inkompatibilität! Eine Rate von 1-2 pro 1 Mio Anwendungen von Erythrozytenkonzentraten wurde geschätzt. Im Bundesstaat New York wurde von 1990-1999 eine Häufigkeit von 1:19 000 für Verwechslungen ermittelt, wenn eine Dunkelziffer für die unentdeckten und AB0-kompatiblen Transfusionen einbezogen wurde sogar von 1:14 000. Bei der Aufarbeitung der Ursachen wurden fehlende Qualitätssicherung und Verfahrensanweisungen, mangelnde Ausbildung und Einweisung des verabreichenden Personals als auch die unklaren Verantwortlichkeiten in der komplexen Prozesskette identifiziert.

Nun wurden die Meldungen über fatale Transfusionsfolgen an die FDA der letzten 19 Jahre ausgewertet. Die 80 Meldungen kamen von 79 Einrichtungen, 63 davon in der ersten 9-Jahres-Periode, mit über die Jahre abnehmender Tendenz. Als klinische Funktionseinheiten, an dem der Fehler passierte, wurden bis 2009 noch die periphere Station, die Intensivstation, vor dem Operationssaal und der Notaufnahme in absteigender Reihenfolge genannt, in der nächsten 10-J-Phase waren nur noch die Notaufnahme und der Operationstrakt führend. Drei Viertel der Fehler ereigneten sich in der klinischen Verabreichungsphase als Anwendungsfehler (34%), Anforderungsfehler (13%) oder Probenentnahme (25%). Die Blutbank/das immunhämatologische Labor war in einem guten Viertel der Fälle am Fehler beteiligt- in 6% als Verwechslung bei der Ausgabe und 20% bei der Testung und Etikettierung. In allen Fällen mangelte es am bettseitigen Identifikationsschritt des Empfängers, dem Abgleich mit der Konserve und dem Anforderungsschein. Nur 60% der Fälle wurden der Blutbank gemeldet.

Erstaunlich ist die hohe Anzahl von Patienten, die gleich mehrere AB0-inkompatible Konserven erhalten haben: 44% aller Aktenkundigen!! Davon war die Hälfte nicht bettseitig als Fehltransfusion zu erkennen, da ein Laborfehler vorlag oder eine Probenverwechslung vorausgegangen war. Bei den restlichen 15 Patienten müssen erhebliche und wiederholte Fehler beim Verabreichungsprozess zugrunde liegen. Die Zeit bis zum Versterben war nicht davon abhängig, ob nur eine Konserve bzw. zum Teil transfundiert wurde oder mehr als eine Einheit. Knapp die Hälfte der betroffenen Einrichtungen berichteten über Vermeidungsstrategien, darunter in letzter Zeit immer mehr elektronische Patientenidentifikationssysteme.

Die Autoren diskutieren die Dunkelziffer und kommen zum Schluss, dass die reale Inzidenz der Verwechslungen mindestens um eine Potenz höher liegen muss als die errechnete. Trotz der über die Jahrzehnte gesunkenen Fallzahlen der gemeldeten Todesfälle, zitieren die Autoren die Schlussfolgerung der SHOT-Organisation in den UK zum Standpunkt bezüglich elektronischer Absicherungssysteme in der Blutprodukteverwendung: 

"This (an electronic blood
management system) is no longer an innovative approach
to safe transfusion practice; it is the standard that all
should aim for.”

Sie zitieren weiterhin knapp 30 Studien aus Canada, USA und UK, die die erfolgreiche Implementation eines solchen System belegen.

Ein Artikel, wie ich ihn mir nicht treffender wünsche hätte können. Wo bleiben die deutschen Anwendungssysteme zur Absicherung unserer Prozesse? Oder meinen wir, in Deutschland ist alles viel besser? Ein Blick in das IAKH Fehlerregister hilft dem, der das glauben will...

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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