Ältere Thrombozyten sind weniger gerinnungsaktiv, dafür proinflammatorisch
Anjum A et al. Aging platelets shift their hemostatic properties to inflammatory functions. Blood 2025 Apr 3;145(14):1568-1582. doi: 10.1182/blood.2024024901
Derzeit wird die längere Lagerung von Thrombozytenkonzentraten unter Pathogenaktivierung diskutiert. Die Verfügbarkeit würde verbessert werden und die Übertragung von Erregern sinken. Die Qualität der Thrombozyten sei nicht wesentlich schlechter, so die bisherigen Erkenntnisse.
Doch jetzt hat eine tierexperimentelle Laborstudie einer vorwiegend deutschen Autorengruppe einen Funktionswandel im Alterungsprozess und damit ein nicht so wünschenswertes Portfolio der älteren transfundierten Thrombozytenkonzentrate nahegelegt. Über die Gerinnselbildung hinaus sind Blutplättchen auch wichtige Mediatoren der Immunität, die zuerst an Entzündungsherden ankommen, eine enge Partnerschaft mit angeborenen Immunzellen eingehen und für die vaskuläre Adhäsion von Leukozyten, die Immunüberwachung und die Extravasation von entscheidender Bedeutung sind. Sie fungieren als vaskuläre und lymphatische Gefäßinstallateure, sind involviert in die Krebsabwehr und adaptive Immunantwort.
Bislang dachte man, die Vielzahl der Funktion nähmen mit dem Altern der Zellen ab. Mit den neuen präzisen Nachweismöglichkeiten des Alters einer Zelle der Forschergruppe wurde das genauer in vitro und vivo untersucht. Der Einfluss des Alterns in der Zirkulation wurde mit Techniken wie innovative "Puls-Labeling", funktionale Einzelzellassays, transgene Mausmodelle als auch Transfusionsexperimente zu verschiedenen Nachweise von phänotypischen, funktionellen und proteomischen Veränderungen der Thrombozyten näher umschrieben.
Da Thrombozyten pathophysiologisch erheblich zu akuten Lungenschäden und ARDS beitragen, indem sie immunkompetente Zellen rekruitieren und die vaskuläre Integrität aufrechterhalten, wurden in einem speziellen peziellen Mesenterialthrombosemodell pulsmarkierte Thrombozyten unterschiedlichen Alters mittels Intravitalmikroskopie verfolgt. Dabei war ein starker Anstieg der Rekrutierung von 0- bis 12-Stunden-alten Thrombozyten in den frühen Phasen der Thrombusbildung feststellen, während die ältere Kohorte im Vergleich zur Blutfülle einen relativen Defekt in der Rekrutierungsdynamik aufwies. Diese Resultate wurden durch die Analyse des Proteomgehalts der Thrombozyten bestätigt. Die Veränderungen des Proteingehalts im Laufe der Lebensdauer der Blutplättchen bestärkten die relative Zunahme der Proteine, die an der angeborenen Immunfunktion und der Blutgerinnung beteiligt sind, mit dem Alterungsprozess. Interessanterweise waren auch viele Serine nachweisbar, eine Familie von Proteaseinhibitoren, die wichtige Rollen bei der Gefäßfunktion innehaben. Weitere Proteine, die sich im Vergleich verstärkt bei älteren Thrombozyten fanden, waren die proinflammatorische Immunglobuline, Complementfactoren C3, C5, B, H, I, die Gerinnungsfaktoren II, XII, and XIII, sowie Plasmaproteine Fibrinogen und Fibronectin.
Über die proinflammatorische Aktivität der Thrombozyten war bislang wenig bekannt. Dafür wurden verschiedene gentechnisch veränderte Mäuse (Knock-outs) mit verlängert gelagerten Thrombozyten transfundiert. Die Spiegel der proinflammatorischen Zytokine Tumornekrosefaktor α und Interleukin-6 in der (Knock-aus-Maus-)Lunge waren signifikant höher als in der Kontrollgruppe normaler Tiere. Dieser Effekt war nach Neubildung frischer Thrombozyten in den Knock-outs umkehrbar. Dies unterstreicht, dass die Alterung der Thrombozyten eher mit funktionellen Veränderungen als mit einem reinen Funktionsverlust einhergeht und diese funktionellen Veränderungen der Thrombozyten im Zuge des Alterns die Entzündungsergebnisse beeinflussen können.
Zusammengefasst hat diese Studienserie eindrucksvoll und überzeugend demonstriert, dass Thrombozyten ihren Phänotyp und ihre Funktion im Laufe der Zeit verändern und anfälliger für bestimmte, mit der Immunität verbundene Effektorfunktionen sind, darunter die Bildung von Thrombozyten-Leukozyten-Aggregaten, die prokoagulierende Transformation, die Bindung und Abtötung von Bakterien sowie die Expression von Tyrosin-basierten Immunorezeptor-Aktivierungsmotiv-Rezeptoren wie CLEC-2 und dem Scavenger-Rezeptor CD36 sowie CD40L und C5aR. Dies spiegelt sich in vivo in einer erhöhten relativen Rekrutierung gealterter Thrombozyten in einem Lungenentzündungsmodell wider. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die beobachteten Veränderungen höchstwahrscheinlich keine echten, separaten Populationen darstellen, sondern eher allmähliche, relative Veränderungen des Phänotyps während ihrer Lebenszeit im Blutkreislauf.
Obwohl es labor- und tierexperimentelle Ergebnisse sind, stellen diese qualitativ hochrangigen Techniken Erkenntnisse bereit, die auch für die Verlängerung der Lagerungsdauer von Thrombozytenkonzentraten relevant sein könnten. So sind bisher immer nur nachlassende prothrombotische Wirkungen bei der Diskussion der Lagerungsdauer, nicht aber inflammatorische, immunologische oder vasogene Einflüsse untersucht worden. Diese Aspekte gilt es meiner Meinung nach zu klären, bevor die Lagerungsdauer der pathogeninaktivierten Thrombozytenkonzentraten verlängert werden kann.
Für Sie gelesen von Th. Frietsch