Allogenes Vollblut- wie niedrig muss der Plasma-Titer sein?

McCullagh J et al. Assessing the risks of haemolysis as an adverse reaction following the transfusion of ABO incompatible plasma-containing components - A scoping review. Blood Rev 2022 Nov:56:100989. doi: 10.1016/j.blre.2022.100989

Allogenes Low-Titer-Vollblut (LTWB) wird im Vogue der passioniert betrieben Transfusion von Blut am Unfallort neben der Gabe von Komponenten propagiert. Vollblut enthält naturgemäß Erythrozyten, Thrombozyten und Leukozyten einer gemeinsamen Major- Blutgruppe z.B. 0. Bei den Thrombozyten sind neben Blutgruppenmerkmalen auch noch HLA, HNA und HPA- Glykoproteine (GP) auf der Oberfläche vorhanden, die für die Wirkung relevant sind. Auf der Oberfläche von Leukozyten
sind insbesondere HLA-Antigene der Klassen I und II sowie Antigene der neutrophilen Granulozyten klinisch relevant. Im Gegensatz zu den HLA-Antigenen der Klassen I, die auf der Oberfläche zahlreicher Körperzellen vorkommen, sind HLA-Antigene der Klasse II vor allem auf immunkompetenten Zellen wie Monozyten, Makrophagen, B-Lymphozyten und aktivierten T-Lymphozyten zu finden (siehe Fontana S. Die «Blutgruppen» der Thrombozyten und Leukozyten: Bedeutung in der Transfusionsmedizin und Immunhämatologie. Pipette 2009).

Schon diesbezüglich ist bei der Transfusion von allegenem Fremd-und Vollblut eine erhöhte Rate an immunologischen Komplikationen wie TRALI oder ARDS zu befürchten.

Neben diesen nicht universell verträglichen Merkmalen enthält Vollblut auch noch Plasma mit Antikörpern gegen andere Blutgruppen, oftmals Anti -A1 oder Anti-A2. Diese hochhämolytisch wirksame Antikörper sollen bei den ausgewählten Vollblutspenden für den prähospitalen EInsatz im Notfall möglich nicht oder in geringen Titern vorliegen. Doch wie niedrig ist niedrig genug? Das war bisher nicht bekannt.

Eine britische Untersuchung hat nun untersucht, wie hoch der niedrigste Cut-off für Anti-A/Anti-B sein darf, um ohne relevante Hämolyse zu bleiben. In diesem ersten Literaturanalyse ("Scoping-Review"- Orientierung über den Stand der Forschungsliteratur) sollten der niedrigste ABO-Titer und das niedrigste ABO-Volumen ermittel werden, die in der Literatur angegeben sind und bei denen durch ABO-inkompatible Plasmatransfusionen (Plasma, Thrombozyten, Kryopräzipitat und Vollblut) Hämolyse verursacht wird. 

Aus 49 Studien waren insgesamt 62 Fälle berichtetet (34 Erwachsene, 14 Kinder und 14 ohne Altersangabe). Die Mengen der verabreichten Blutkomponenten wurden unzureichend dokumentiert. Die am häufigsten für die Hämolyse verantwortliche Komponente waren Apheresethrombozyten, gefolgt von gepoolten Thrombozyten und Vollblut.

Die meisten gemeldeten Hämolysefälle waren auf Anti-A zurückzuführen. Der niedrigste gemeldete Anti-A-Titer, der eine Hämolyse verursacht hat (Kinder und Erwachsene), betrug 32 (IgG), während er für Anti-B 512 (IgG und IgM) bei Erwachsenen, 16.384 bei Kindern (IgG und IgM) und 128 (IgM) in Fällen betrug, bei denen das Alter nicht angegeben wurde. Die niedrigsten gemeldeten mit Hämolyse verbundenen Volumen waren 100 ml (Erwachsene) und 15 ml (Kinder). Von den 62 erfassten Patienten starben 15 (24 %). 

Damit ist aus dieser hypothesengenerierenden Literaturrecherche ersichtlich, dass der niedrigste gemeldete Titer, der eine Hämolyse verursacht hat, ein Anti-A-Titer von 32 war. Die Transfusion von ABO-inkompatiblem Plasma kann aufgrund dieser nicht repräsentativen Stichprobe mit einer erheblichen Mortalität von 24% verbunden sein. Es besteht die Notwendigkeit, Methoden zur Messung der ABO-Titration für Plasmakomponenten international zu vereinbaren/standardisieren und sich auf den niedrigsten Anti-A/Anti-B-Titer für die Transfusion von ABO-inkompatiblem Plasma zu einigen.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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