Anämietherapie durch Eisen oder Transfusion?
Choi UE et al. A Propensity-Matched Cohort Study of Intravenous Iron versus Red Cell Transfusions for Preoperative Iron-Deficiency Anemia. Anesth Analg. 2024 Jul 22. doi: 10.1213/ANE.0000000000006974
Präoperative Anämie verschlechtert nachweislich das Behandlungsergebnis („Outcome“) von chirurgischen Eingriffen. Die intra- und postoperative Transfusion von Erythrozytenkonzentraten (EK) verschlechtert ebenfalls das Outcome. Die Behandlung der präoperativen Anämie mit neuen, gut verträglichen und hoch-effektiven Eisenpräparaten kann vermutlich die Wahrscheinlichkeit und den Bedarf von Bluttransfusion verringern, in einigen Studien nur die Anämie beseitigen, in anderen die Verweildauer oder die Wiederaufnahmerate reduzieren. Ob aber eine präoperative „Auftransfusion“ ein einfaches und effektives Konzept konnte bislang nicht überzeugend nachgewiesen werden. Die korrekte Vergleichsgruppe von isolierter und effektiver pharmakologischer Eisenzufuhr besteht aus Patienten, die eine Beseitigung der Anämie und eine Eisenzufuhr in Form von gelagerten Fremd-EKs bekommt. So können die potenziell negativen Einflüsse von Ischämie und Eisenmangel auf das Outcome eliminiert werden und die immunologische Reaktion auf Fremderythrozyten in Lagerungslösung untersucht werden.
Aus einer Datenbank der amerikanischen Gesundheitseinrichtungen inklusive Krankenkassenabrechnungen und Gerichtsgutachten von insgesamt mehr als 122 Mio Patienten aus dem Zeitraum von 2003 bis 2023 wurden chirurgische Fälle von Erwachsenen über 18 J mit einer Eisenmangelanämie herausgesucht (n=2,5 Mio). Diese waren entweder nur mit Eisenpräparaten (inklusive Fe- Sucrose (hauptsächlich), aber auch Fe-Dextran, Fe-Carboxymaltose, Fe-Glukonat und Ferumoxytol) (ca. n=114 000) oder nur mit EK-Transfusion (ca. n= 122 000) behandelt worden. Diese wurden dann „gematcht“ nach Einflussfaktoren wie Diabetes, Anämiegrad, Geschlecht, Alter, Übergewicht, Herz- und Niereninsuffizienz, Rauchen, Eingriffsart etc. (Propensity Score Matching). Die verbleibenden Kohorten aus jeweils n= 77 179 Patienten wurden hinsichtlich der 30-Tage-Sterblichkeit, Morbidität (Komplikationen innerhalb der 30-Tage-Periode), Hämoglobinspiegel und Anzahl der Transfusionen nach 30 Tagen verglichen.
Ergebnis: Intravenöse (i.v.) Eisentherapie (vs. EK- Transfusion) war mit einer erniedrigten 30-T Sterblichkeit verbunden (3.30% vs. 5.24%, Relatives Risiko [RR] 0.63, 95% CI, 0.60–0.66), ebenfalls einer erniedrigten kombinierten Komplikationsrate (18.37% vs. 24.14%, RR 0.76, 95% CI, 0.75–0.78)(siehe Abbildug); im Detail besonders der respiratorischen Morbidität (0.78%-1.85%], RR, 0.42, 95% CI, 0.38–0.46), renalen Morbidität (9.22%- 11.12%, RR 0.83, 95% CI, 0.81–0.85), ischämischen (3.87% vs. 4.80%, RR 0.81, 95% CI, 0.77–0.84), thrombotischen (4.19% vs. 6.01%, RR, 0.70, 95% CI, 0.67–0.73) und auch der infektiösen Morbidität (4.22% vs. 7.56%, RR, 0.56, 95% CI, 0.53–0.58).
Die Hämoglobinspiegel nach dreißig Tagen waren in der Eisengruppe signifikant höher (10.1 ± 1.8 vs. 9.4 ± 1.7 g/dL). Die postoperative Transfusionsrate war in der Eisengruppe signifikant niedriger (4.89% vs. 16.36%; RR, 0.30, 95% CI, 0.29–0.31; p= 0.001)
Schlussfolgerung: Es ist also eindeutig und mit der derzeit bestmöglichen Evidenz erwiesen, dass präoperative Bluttransfusionen ein schlechtes und nur scheinbar kosteneffektives Mittel sind, um die präoperative Anämie zu therapieren. Trotzdem ist mit der Beachtung des negativen Einflusses der präoperativen Anämie im amerikanischen Datensatz ein leichter Anstieg der präoperativen Bluttransfusionen zu bemerken. Das ist nur fraglich auf den Covid Einfluss der letzten Jahre zurückzuführen. Vermutlich spielen Bedenken gegen die neuartigen intravenösen Eisenpräparate eine Rolle und die nur langsam wachsende Beachtung der negativen Einflüsse von EK-Transfusionen.
In der präoperativen Abwägung i.v. Eisen vs. EK sind nun bislang unklare gleichsinnige Effekte quantifizierbar- z.B. die Erhöhung der postoperativen Infektionsrate durch Eisen und EKs: Im Vergleich zu den intravenösen Eisenpräparaten verdoppelte die EK-Transfusion die postoperative Infektionsrate.
Bewertung: Mit dieser Datensicherheit und Fallzahl kann diese retrospektive Studie eine sichere Empfehlung FÜR die intravenöse Eisentherapie zur klinischen Behandlung der präoperativen Anämie abgeben. Eine wichtige Studie. Damit sind hoffentlich viele Zweifel und Gegenargumente ausgeräumt.
Pubmed https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39037926/
Für Sie gelesen von Th. Frietsch