Antifibrinolytika in der Kraniosynostosenchirurgie

Soltani ZE et al. Safety and efficacy of aprotinin versus tranexamic acid for reducing absolute blood loss and transfusion in pediatric patients undergoing craniosynostosis surgery... J Neurosurg Pediatr 2022 Feb 11;1-9. doi: 10.3171/

Das vorzeitige Verwachsen der Schädelnähte im Kindesalter wird meist bei Geburt diagnostiziert und hat mitunter schwere Schädeldeformationen und Hirnschädigung zur Folge, wenn nicht frühzeitig genug in den ersten Lebensjahren operiert wird. Nicht selten blutet es bei Eingriffen zur Korrektur von Kraniosynostosen erheblich, vor allem wenn mehrere Schädelnähte betroffen sind.

Das Ausmaß des Fremdblutbedarfs beträgt 20 bis 500% des kindlichen Blutvolumens! Um dieses Transfusionsausmaß zu reduzieren bieten sich die Antifibrinolytika (AF) an, die auch sonst perioperativ bei Erwachsenen und anderen Fachdisziplinen weitgehend sicher eingesetzt werden.

Eine iranische prospektive doppelblinde Monozenter-Studie hat nun drei Gruppen von Kindern im Alter von 2 Monaten bis 2 Jahren (im mittleren Alter von 10 Monaten) und syndromassoziierten oder primären Kraniosynostosen miteinander verglichen - Tranexamsäure (TXA) mit Aprotinin (APR) mit bisheriger Standardtherapie als Kontrolle (KO) (je n=30). Primäres Studienziel war die Effektivität, den Blutverlust und auch den Transfusionsbedarf durch die Gabe von AF zu reduzieren, als auch Sterblichkeit und Komplikationsrate durch diese Maßnahme festzustellen.

Interessanterweise wurden Kinder, die präoperativ nicht einen Hämoglobinspiegel über 13 g/dl hatten, in der Woche vor der Operation über dieses Niveau auftransfundiert, wie in dieser Teheraner Klinik üblich. Auch Eisenpräparate wurden eingesetzt. Die Autoren beschreiben die Gruppenverteilung hinsichtlich Vorbehandlungen, Art der Kraniosynostosen und chirurgischer Invasivität als homogen und nicht unterschiedlich zwischen den Gruppen.

Der gewichtsadapierte Transfusionsbedarf war sowohl in der APR-Gruppe als auch der TXA-Gruppe um ca. zwei Drittel geringer als in der KO-Gruppe, aber ohne Unterschied zwischen APR und TXA. Es trat in der TXA-Gruppe ein epileptischer Krampfanfall auf, sonst traten Hämaturie, Grippe-ähnliche Symptome und Temperaturerhöhungen in kleiner Zahl und in allen Gruppen auf.

Hinsichtlich der Sicherheit und Komplikationsrate durch die AF war diese kleine Anzahl von Teilnehmern nicht geeignet, verlässliche Zahlen zu liefern. Dass die AF geeignet sind, Blutverlust und Transfusionsbedarf zu verringern, wurde schon vor 10 Jahren gezeigt. (Gunnarsson I, Hlynsson BÖ, Rosmundsson T, Thorsteinsson A. Haemostatic effect of aprotinin during craniosynostotic surgery in children. Acta Anaesthesiol Scand. 2011;55(8): 1010-1014 und Dadure C, Sauter M, Bringuier S, et al. Intraoperative tranex- amic acid reduces blood transfusion in children undergoing craniosynostosis surgery: a randomized double-blind study. Anesthesiology. 2011;114(4):856-861).

Der in dieser Studie nicht vorhandene Unterschied zwischen TXA und APR ist der einzige Mehrwert dieser Studie. Die Ausrichtung der Powerkalkulation auf den Transfusionsbedarf ist unbefriedigend, da die aktuelle Fragestellung die Sicherheit der AF und die Gesamtsterblichkeit sowie die Komplikationsrate bei Kindern dieses Alters ist, wenn die seltenen und nur in größten Meta-Analysen in der Herzchirurgie demonstrierten Auffälligkeiten immer angezweifelt wurden, was APR angeht.

Zum Thema Einsatz von APR zur pädiatrischen Herzchirurgie gibt es gerade rechtzeitig eine aktuelle Meta-Analyse: Atasever AH et al. Efficacy and safety of aprotinin in paediatric cardiac surgery: A systematic review and meta-analysis. Eur J Anaesthesiol 2022 Apr 1;39(4):352-367. Aprotinin APR hat auch bei Kindern in der Herzchirurgie die effektivste Reduktion des Blutverlusts (mean difference -4.70 ml kg-1, 95% confidence interval (CI), -7.88 to -1.53; P=0.004) sowie des postoperativen Transfusionsbedarfs und der Notwendigkeit von hämatombedingten Re-Explorationseingriffen (OR=0.74, 95% CI, 0.56 to 0.97; P=0.03), aber sonst nur eine wie bereits bei Erwachsenen nachgewiesene erhöhte Notwendigkeit von Nierenersatzverfahren (OR=1.29, 95% CI, 1.08 to 1.54; P=0.006). Die dafür notwendigen Zahlen der Meta-Analyse sind aussagekräftig: Es wurden nahezu 64 000 Patientendaten aus 32 Studien ausgewertet.

Deshalb ist die iranische Studie zur Kraniostenosenchirurgie eigentlich verzichtbar und hinsichtlich der Aussage der Autoren, dass TXA und APR den Blutverlust sicher und komplikationslos reduzieren sicherlich irreführend.Die Meta-Analyse des APR-Einsatzes ist lesenswert, auch wenn sie nur die Ergebnisse bei Erwachsenen bestätigt.

Pubmed

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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