Auch nur eine (unnötige) Konserve im Trauma schadet...

Cobler-Lichter MD et al. Has the pendulum swung too far? Discretionary single-unit red blood cell transfusion in trauma is associated with infection, thromboembolic events, and mortality. Transfusion 2025 Mar

Wir ahnen, dass eine zu liberale Haltung und Verabreichung von Transfusionen dem Patienten schadet. Besonders bei Unfällen, in der frühen Phase, steht der adäqaten Therapie die Befürchtung gegenüber, eine relevante Blutung zu übersehen. Vorsichtigkeitshalber wird mal eine Erythrozytenkonserve transfundiert...Mit welchem Outcome?

Das hat nun eine Autorengruppe aus einer großen retrospektiven Datenbank der Amerikanischen Chirurgie-Qualitätssicherung nachgeprüft. Dabei suchten sie die mittelschwer Verletzten mit stumpfem oder penetrierendem Trauma, einem Glasgow-Koma-Skala-Score (GCS) von ≤ 8 (leichte bis mittelschwere Hirnverletzung) und einem Injury Severity Score (ISS) zwischen 10 und 25 (mittelschwere bis schwere Verletzung) aus, die auf eine Krankenhausstation, eine Intensivstation oder direkt in den Operationssaal eingeliefert wurden. Patienten mit nicht dokumentierter oder schwerer Hirnverletzung (GCS ≤8) wurden ebenso ausgeschlossen wie Patienten mit leichter (ISS < 9), schwerer (ISS > 25) oder nicht dokumentierter Injury Severity Score. Patienten mit dokumentiertem Herzstillstand vor der Vorstellung im Traumazentrum, die in der Notaufnahme verstarben oder aus einem anderen Zentrum verlegt wurden, wurden ausgeschlossen. 

Drei Ergebnisse wurden bewertet: (1) Krankenhausmortalität; (2) Infektion; und (3) das Auftreten eines thromboembolischen Ereignisses. Als Infektion galt das Auftreten einer Harnkatheter- oder zentralvenösen Venenkatheter-assoziierten Infektion, einer tiefen, oberflächlichen oder organbezogenen Wundinfektion, einer Sepsis oder einer Osteomyelitis. Als thromboembolisches Ereignis galt das Auftreten einer tiefen Venenthrombose oder einer Lungenembolie. Zu den unabhängigen Variablen, die potenziell beeinflussen, ob ein Patient eine Transfusion erhielt, gehörten der ISS, der SBP und die Herzfrequenz zum Zeitpunkt der Ankunft, das Alter und die Art des Traumas.

Von insgesamt 49,841 Patienten wurden n= 6802 mit einer Konserve innerhalb der ersten 4 Stunden transfundiert und n= 643,039 Kontrollpatienten nicht.

Das Alter war laut multivariabler logistischer Regressionsanalyse nicht mit der Entscheidung zu transfundieren vergesellschaftet. Bei jedem 65. Patienten, der nur ein EK innerhalb der ersten 4 h erhält ist mit einem Zusätzlichen Todesfolge zu rechnen, bei jedem 64. mit einer zusätzliche Infektion, und bei jedem 126 eine zusätzliche Thromboembolie! Das relative Risiko zu versterben ist damit mehr als verdoppelt (RR 2.11 (1.66–2.69) 65.1 (41.1–103.2) p<0.0001), das Risiko einer Infektion ist beinahe vervierfacht (RR 3.92 (2.91–5.27) 63.5 (42.8–94.2) p<0.0001) sowie das für eine Thrombose verdoppelt (RR 2.02 (1.55–2.64) 126 (74.2–213.9) p<0.0001).

Das macht deutlich, dass die ersten Stunden nach einem Trauma bei der intrahospitalen Erkennung und Diagnostik des Blutverlusts besonders bedeutsam sind und die unnötige Exposition mit Fremdblut das Behandlungsergebnis erheblich verschlechtert. Die unkritische Verabreichung auch nur einer Konserve schadet. In der prähospitalen Behandlungssituation ist die Unsicherheit der EInschätzung bei mittelschweren Traumata extrem hoch. Diese Traumakategorie sollte deshalb von der derzeit propagierten prähospitalen Versorgung mit Blutkomponenten auf jeden Fall ausgenommen werden. 

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch 

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