Sind weibliche Blutspenden schlecht für männliche Empfänger?

Alshalani A et al. Sex Discrepancies in Blood Donation: Implications for Red Blood Cell Characteristics and Transfusion Efficacy. Transfus Apher Sci 2024 Oct 15;63(6):104016. doi: 10.1016/j.transci.2024.104016.

In Gegensatz zur Plasmaspende, zu Stammzelltherapie und Organtransplantation ist das Spendergeschlecht bei der Herstellung und Zuordnung der Erythrozytentransfuson zum Empfänger bislang nicht beachtet. Warum auch. Es ist schon schwer zu belegen, dass zum Beispiel plausiblere Einflüsse wie die Lagerungsdauer erheblichen EInfluss auf den Therapieerfolg mit Erythrozytenkonzentraten (EK) hat. Dagegen schienen geschlechtsspezifische Unterschiede der Erythrozyten (Ery) unerheblich zu sein. Dennoch ist EK-Transfusion mit schlechterem Outcome verbunden. Nach der Einführung der Leukozytendepletion sind kaum mehr immunologisch relevante Zellen in den EKs dafür verantwortlich zu machen. Deshalb wird die Suche nach bislang nicht untersuchten Faktoren fortgesetzt.

Eine Autorengruppe aus Saudi-Arabien hat nun in einem Review die bisherigen Erkenntnisse zu den Geschlechterunterschieden der Erythrozyten von Männern und Frauen zusammengefasst.

Bei Spenderinnen im reproduktiven Alter zirkulieren mehr junge Erys, unreife Vorstufen und Retikulozyten, was mit längerem Therapieerfolg verbunden ist. Erys von Spenderinnen sind lagerungsstabiler (geringere Verluste an ATP und 2-3-DPG Gehalt), geben Sauerstoff besser ab und weisen weniger Vesikelbildung auf. Sie haben zudem niedrigere Hämoyseraten, sind weniger fragil und besitzen rheologisch bessere Eigenschaften. Trotzdem wurden nach ihrer Anwendung mehr immunologische Reaktionen, pulmonale Schädigungen und erhöhte Sterberaten festgestellt. Das könnte auf zelluläre Faktoren und/oder HLA Antikörper zurückzuführen sein.

"Weibliche" Erys sind größer, haben höhere Konzentrationen von ROS (reactive oxygen species) und  Kalzium, eine niedrigere mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (MCHC) und geringere Membranrigidität im Vergleich zu "Männlichen". Der höhere Anteil an Retikulozyten in einem weiblichen EK bringt auch einen höheren Gehalt an Zellfragmenten aus den Interaktionen mit dem Epithel über das Membranprotein Phosphatidylserin (PS) und weitere Adhäsionsmoleküle wie E-selectin, Intracellular Adhesion Molecule 1 (ICAM-1) und von Willebrand -Faktor (vWF). Werden Vorstufen der reifen Erys, die noch den CD-71 Marker tragen, aus dem transfundierten Ery-Gemisch depletiert, sind immunsuppressive Effekte im Tierversuch und vermehrtes Bakterienwachstum in vitro wieder reversibel. Dieser Effekt weist auf T-Zell-Aktivierung und die nachgeordnete Zytokinausschüttung hin.  "Männliche" Erys führen zu einem deutlicheren Anstieg der Hämoglobinkonzentration über den höheren MCHC (gezeigt an einer Kohorte mit einer n= 368 778 aus Schweden (Zhao J et al. JAMA Intern Med 2022 Jul 1;182(7):747-756). Testosteronexposition von Erys führt zu höherer Anfälligkeit für Hämolyse.

Eine longitudinale Kohortenstudie aus Kanada (n= 30 000 Pat.) wies eine erhöhte Mortailtät der Empfänger weiblicher Konserven aus (adjusted hazard ratio, 1.08; 95% CI, 1.06-1.09; P < 0.001) (Chassee M et al JAMA Intern Med 2016 Sep 1;176(9):1307-14). Andere Studien, inklusive retrospektive Analysen, konnten das bestätigen, weitere aber nicht (Edgren 2017, und Patel 2021). In einigen Studien konnte ein unterschiedlicher Effekt der "weiblichen Eks" je nach  Geschlecht des Empfängers nachgewiesen werden: Frauen vertragen weibliche EKs besser als Männer. Vor allem wenn der männliche Empfänger in kritischem Zusatnd z.B. auf der Intensivstation liegt, könnte er von einem männlichen EK profitieren.

Klinische Studien dazu sind schwierig, sollten aber im Hinblick auf die noch nicht verstandenen Effekte der geschlechtsabhängigen Faktoren der Blutkonserven unternommen werden.

 

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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