Auswirkungen eines Erythrozyten-Konzentrats in der Herzchirurgie

Girardi NI et al. Incidence and Impact of a Single-Unit Red Blood Cell Transfusion: Analysis of The Society of Thoracic Surgeons Database 2010-2019. Ann Thorac Surg 2023 Apr;115(4):1035-1041. doi: 10.1016/j.athoracsur.2022.11.037.

Nach Bypassoperationen ist das Langzeitergebnis zweimal so ungünstig, wenn der Patient Bluttransfusionen erhalten hat (Engoren et al 2002, Ann Thorax Surg) und das Risiko für ein Bypassverschluss steigt um 20% (Engoren et al. 2019 Ann Thorax Surg). Eine kürzlich Studie der Datenbank in Maryland (Ad N et al 2022 Ann Thorax Surg 2022) assoziierte mit jeder Einheit an Blutprodukten eine um 9% erhöhte 30-Tage -Sterblichkeit, eine um 7% oder 4% erhöhte schwere oder leichtere Komplikationsrate. In der Herz- und Thoraxchirurgie mehren sich die Zweifel gegen die Unbedenklichkeit von Bluttransfusionen. Die Frage, ob es nicht auch ganz ohne Bluttransfusion geht, wird erstmalig ernsthaft gestellt.

Zur Klärung dieser Frage hat sich ein Autorenteam einmal mehr die validierte Datenbank der amerikanischen thoraxchirurgischen Gesellschaft vorgenommen. In einem Zeitraum von 10 Jahren seit dem Januar 2010 wurden ca 2 Mio Patienten zur Bypassoperation oder Aortenklappenrekonstruktion gefunden, wovon 60% keine Transfusion benötigten. Von den restlichen knapp 850 000 Patienten bekamen gut 200 000 (24,4%) nur ein Erythrozytenkonzentrat (EK), meist eher post- als intraoperativ (66.8% vs 33.2%, P < 0.001).

Diese beiden Kollektive wurden verglichen. Patienten, die mehr als 1 EK verabreicht bekamen, wurden nicht analysiert. Im Vergleich mit den Nicht-EK-Transfundierten erhielten die 1-EK-Transfundierten mehr Plasma und Thrombozytentransfusionen. Sie waren auch älter und kränker, waren häufiger weiblich und untergewichtig, hatten häufiger Vorhofflimmern, Diabetes, Nierenversagen und weitere Gefäßkrankheiten. 

Aufgrund der großen Fallzahl konnten über 200 000 Paare (0-EK oder nur 1-EK-transfundiert) in einem Propensity Score Matching verglichen werden. Alle ungünstigen Ergebnisse waren in der Gruppe der 1-EK-Behandelten - höhere 30 Tage-  und Gesamtsterblichkeit, postoperativer Schlaganfall, tiefer Sternuminfekt, verlängerte Beatmungsdauer und postoperatives Nierenversagen. Wurden die Patienten aussortiert, die auch andere Blutprodukte bekommen haben, änderte sich das Ergebnis nicht. 

Im Vergleich zu den Transfusionsraten anderer Analysen (STCVS-QC und MSCQU) fällt den Autoren auf, dass zwar die Anteile der mit mehreren oder keinem Ek versorgten Patienten variieren, aber das Kollektiv der Single-Unit-Empfänger uniform bei 9-10% liegt und mit dem schlechtesten Outcome ausgestattet ist. Ob die retrospektive Observationsnatur der Analyse trotz Propensity Score Matching den systemimmanenten und nicht-kausalen Bezug von schwerer Allgemeinerkrankung, schlechtem Outcome mit der Transfusionstherapie überstrapaziert, kann nicht gesagt werden. 

Mehrere Leserbriefe und Kommentare betonen die immer noch zu häufige (jeder Vierte) und eventuell vermeidbare EK-Transfusion, mit einem immer noch zu hohen Anteil an präoperativer Anämie und der postoperativ sicher unscharfen Orientierung der Indikationsstellung am Hämoglobinwert. Unser Ziel müsse es sein, ohne Blutprodukte auszukommen.

Der Artikel drückt aus, dass wir derzeit vom kritischen Transfusionstrigger für die Erythrozytensubstitution noch weit entfernt sind und die Bedenklichkeit jeder einzelnen Konserve gerade für die kritisch Kranken noch nicht in unsere Entscheidungen einbeziehen. Die Forderung eines Kommentars erscheint legitim: Nach jeder notwendigen Einheit eine M&M-Konferenz zur Analyse der kausalen Notwendigkeit. Das finde ich eine gute Idee.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

Zurück