AWMF Leitlinie S3 intravasale Volumentherapie

Schneck E et al. Kommentar zur aktualisierten S3-Leitlinie zur intravasalen Volumentherapie beim Erwachsenen. Anaesthesist 2021; 70: 413-419

Wer die lange Leitlinie 001-020 nicht lesen will, der kann nun einen knappen, wenn auch nicht so minutiös begründeten Kommentar der Autoren im "Anästhesisten" versuchen.
Die aktualisierte Version der bisherigen AMWF S3-Leitlinie zur Volumentherapie der Erwachsenen finden sie auf den Seiten der AWMF (Link PDF Langversion).


Neu in der Leitlinie sind die evidenzbasierten Empfehlungen zur Kolloidtherapie nach Beendigung der Ära "Hydroxyethylstärke" und die schon lange überfällige Korrektur der Volumendiagnostik. Eine Abgrenzung gegen die Volumentherapie in der Herzchirurgie (bei der es um die Abgrenzung zur kardial bedingten Perfusionsschwäche geht) und den Formen des speziellen Volumenmangels (z.B. die Volumenmangelzustände mit Änderung des onkotischen Drucks) ist zwar von den Autoren des Kommentars vorzunehmen, aber in der Praxis meiner Ansicht wenig relevant.


Die Diagnostik des Volumenmangels wurde nochmalig zusammengefasst: Weiterhin gibt es kaum eine Alternative zur Passive-Leg-Raising-Methode (PLR), die präzise und quantitativ in allen Situationen anwendbar den Volumenstatus misst und/oder kontinuierlich, noninvasiv monitort. Der ZVD als reiner druck-basierter Wert eignet sich zur Vorhersage auch bei diesem Kollektiv nur wenig. Verlässlich und angeraten, wenn auch noch nicht mit der höchsten Evidenz sind die Pulskonturanalyse, die Dopplersonsographische Bestimmung des V.Cava-Durchmessers und die Echokardiographie in allen Situationen perioperativ und Intensivstation inklusive der Sepsis.
Trotz allem ist die Steuerung der Flüssigkeitstherapie mit dynamischen flussbasierten Parametern auch beim Hochrisiko-Patienten (def. als vorbestehend eingeschränkter kardiozirkulatorischer Reserve) und bei EIngriffen mit großen Volumenumsätzen mit schwachen Evidenz und Empfehlungsgraden belegt (Empfehlung 6a-1, Grad 0). Eine zielgerichtete Optimierung des HZV bekam trotzdem auch perioperativ bei nicht kritisch Kranken die Empfehlung 6a-2, Grad B.  
Da die zwar größere Anzahl von Studien auch die Heterogenität erhöht hatten, ohne die Fallzahl wesentlich zu vermehren, war auch nicht gut nachzuweisen, dass die sowieso niedrige perioperative Sterblichkeit weiter gesenkt werden könnte. Die vergleichsweise hohe Sterblichkeit des Kritisch-Kranken ist auch die Begründung, warum die Steuerung der Volumentherapie beim Intensivpatienten trotz ähnlich dünner Evidenzlage eine wesentlich stärkere Empfehlung bekam (Empfehlung 6b-1, Grad A). Der ZVD soll nicht mehr dazu benutzt werden, aufgrund einer hohen Fehleranfälligkeit. Die Echokardiographie bekam eine unverständlich schwache Empfehlung (Empfehlung 6b-5, Grad 0), vermutlich wegen der Abhängigkeit vom Untersucher, der Passive Leg Rasing Test (PLR) eine verständlich Starke (Empfehlung 6b-4, Grad A) zur Detektion des Volumenmangels.


Art des interventionellen/ intraoperativen Flüssigkeitsersatzes: Die Substitutions-Therapie der präinterventionellen Nüchternheit könnte vermutlich bei herz- und colorektalchirurgischen Eingriffen Komplikationen wie Nierenversagen und Ischämien verhindern, ist aber generell nur mit einer schwachen Grad 0-Empfehlung versehen.
Auch die Therapie der akuten intraoperativen Hypovolämie mit Kolloidallösungen kann nur mit einer Empfehlung 3a-1, Grad 0 versehen werden, wobei die individuelle Risiko-Nutzen-Bewertung bei den unterschiedlichen Lösungen (Albumin, Gelatine oder Hydroxyäthylstärke (HAES) beachtet werden soll und zwar auf Basis von „medizinischen, rechtlichen, organisatorischen, ökonomischen und logistischen Gründen“ (Statement 5). Den kolloidalen Lösungen soll vor den kristalloiden Lösungen zum Preloading vor der Spinalanästhesie der Vorzug gegeben werden (Empfehlung 3a-4, Grad B).
Nicht neu, aber mit einer höheren Evidenz wurden balanzierte Lösungen empfohlen, egal ob mit Malat oder Acetat. Isotonische Kochsalzlösung soll zumindest in großen Volumina nicht mehr verwendet werden (Empfehlung 5a-1).


Intensivtherapie: Für kritisch Kranke wird die "bedarfsgerechte und indizierte Applikation von kristalloiden Infusionslösungen" empfohlen (Empfehlung 3b-1, Grad B). Mit einer eindeutigen Grad A - Empfehlung soll auf HAES in der akuten Hypovolämie verzichtet werden, stattdessen auf Gelatine und Albuminlösungen gesetzt werden (Empfehlung 3b-3, Grad 0, basierend auf CRISTAL und ALBIOS). Ausnahme ist das schwere Schädel-Hirn-Trauma (SHT), bei der balanzierte Lösungen zum Einsatz empfohlen sind (Empfehlung 3b-4, Grad A; Empfehlung 5b-2, Grad A). Kolloidale sind zur Vasospasmus-Therapie nach Subarachnoidalblutung (Empfehlung 4b-2, Grad 0), nicht aber hypo-osmolare Lösungen, wie zum Beispiel Humanalbumin, bei SHT empfohlen, wegen der erhöhten Frühsterblichkeit nach dem Einsatz (Empfehlung 4b-1, Grad A).  

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