Bedsidetest und ABO-inkompatible Fehltransfusion in Frankreich, Deutschland und UK

Mirrione-Sauvane A et al. Frequencies and causes of ABO-incompatible red cell transfusions in France, Germany and the United Kingdom. Br J Haematol. 2024;00:1–9. DOI: 10.1111/bjh.19848

Eine Studie unter Mitwirkung der Kollegen Müller und Funk vom PEI, der Transfusionsmedizin der Uni Freiburg sowie Mitgliedern des SHOT (Serious Hazards of Blood Transfusion, UK) hat die Anzahl der AB0-inkompatiblen Transfusionen im Ländervergleich untersucht. Der Bedsidetest (BST) wird in Deutschland und Frankreich zur Vermeidung eingesetzt, in UK anstatt BST eine bettseitig auszufüllende Checkliste und selten ein elektronisches Scannersystem. Die  Ergebnisse bestätigen die Auswertungen unseres Fehlerregisters- der Bedsidetest (BST) ist nicht geeignet, die AB0-inkompatible Fehltransfusion zuverlässig zu verhindern.

Die Häufigkeit der AB0-inkompatiblen Fehltranfusion ist allerdings in Deutschland 5 mal so hoch wie in Frankreich und UK! Die meisten Fehltransfusionen ereignen sich im OP und auf Intensivstation.

Der retrospektiven Studie liegen Daten aus ca. 10 Jahren der jeweiligen verpflichtenden Hämovigilanzsysteme der drei Länder zugrunde; des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI, Langen, seit 2012), des ANSM aus Frankreich (seit 1994)  und des SHOT aus UK (seit 2005).

Die übergeordnete EU-Klassifikation der Transfusionsreaktionen als SAE (Serious adverse event-AB0-Fehltransfusion (AB0F) ohne unmitelbare Reaktion ("folgenlose Fehltransfusion") oder als SAR (Serious adverse reaction) der Schweregrade 1-4 wurde zugrundegelegt. Die zusätzlichen Kategorien Schweregrad (Severity) und Imputability (Zurechenbarkeit) sind in allen drei Systemen nur ungefähr deckungsgleich.

Anders als in Frankreich und in Deutschland, wo der BST unmittelbar vor Anwendung der Blutprodukte die Kompatibilität sicherstellen soll, wird in UK eine sog. "Pretransfusion Checklist" angewendet, die die Identität des Empfängers anhand Armband, die Blutkonservenbestimmung (auf der Konserve wie Begleitschein) und die Anforderung mit Indikation abgleichen soll. Elektronische Maßnahmen sind nur in einer kleinen Anzahl der EInrichtungen etabliert.

Trotz dieser Maßnahmen ereignen sich inkompatible Fehltransfusionen in allen Ländern, in Frankreich (F) pro 0.19 +/-0.09 Einheiten pro 100 000 EKs, in UK 0.28 +/-0.17 Einheiten pro 100 000 EKs und der höchsten Inzidenz in Deutschland 0.71 +/-0.23 Einheiten pro 100 000 EKs (p<0,001 vs F und UK, adjusted pro Jahr). Pro Jahr werden zwischen 2-10 Fälle in Frankreich und UK gemeldet, in Deutschland 14-39 Fälle der AB0F- summatorisch in 10 Jahren n=47 in F, n=273 in D und n=50 in UK. Die Todesrate der gemeldeten Fälle betrug 7%.

Die Ursachenanalyse ergab zwei Hauptprobleme- die Fehlzuordnung der für einen anderen Empfänger bestimmten Konserve zum falschen Empfänger und auch die fehlerhafte Anforderung für den richtig zugeordneten Empfänger. Die Fehlabnahmen der Blutgruppen ("Wrong Blood in Tube") waren lediglich an dritter Stelle. In Deutschland eregneten sich darüberhinaus 2 Fehlbestimmungen der Blutgruppe des Spenders.   

Die wichtigste Information dieser bedeutsamen Studie ist nicht, dass die reale Häufigkeit der Fehltransfusion in Deutschland aufgrund einer hohen Dunkelziffer vermutlich noch viel höher ist, sondern dass sich in allen drei Ländern kein Trend zur Besserung abzeichnet. Dabei hätten wir nachgewiesener Maßen effektive elektronische Systeme, die mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand dieses vermeidbare Risiko minimieren kann. Die Empfehlungen des Fehlerregisters der IAKH enthalten diesbezüglich klare Vermeidungsratschläge, die allerdings solange ungehört verpuffen, solange es keine Verpflichtung zur Anwendung gibt. Die Eingruppierung der Blutkonserven als Arzneimittel mit der abgeschlossenen Verantwortung der Hersteller mit Ausgabe der Produkte und die alleinige Existenz des BST zur Vermeidung von AB0F ist immer noch Argument genug, um eine dringende Sicherheitslücke zu schließen.  

Das muss sich im Hinblick auf die Sicherheit der Patienten und auch der Anwender im Umgang mit Blutprodukten dringend ändern.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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