Bestrahlung von EKs - Vor oder nach der Lagerung?

Saito-Benz M et al. Effects of Freshly Irradiated vs Irradiated and Stored Red Blood Cell Transfusion on Cerebral Oxygenation in Preterm Infants: A Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr 2022, May 1;176(5):e220152.

Die Evidenz für oder gegen die klinische Relevanz des Lagerungsschadens von Erythrozytenkonzentraten für Frühgeborene ist widersprüchlich. Es ist allerdings unbestritten, dass Bestrahlung von zellulären Produkten die Funktionsfähigkeit beeinträchtigt, die Lagerungsdauer verkürzt und die Akkumulation von intrazellulären Molekülen und Immunmodulatoren vermehrt.

Gerade die vulnerabelsten Empfänger von Blutkonserven sind im besonderen Maße durch diese Effekte bedroht. Sie benötigen häufig Bluttransfusionen und erleiden aufgrund der Vulnerabilität des unreifen, sich entwickelnden Neuronalnetzes vor allem zerebralen Schaden. Deshalb ist es eine wichtige randomisierte Untersuchung, ob die Wirkung bestrahlter Blutkonserven für extrem-untergewichtige Frühgeborenen vom Zeitpunkt der Bestrahlung abhängt. Gemessen haben Saito-Benz et al. die Wirkung mit der noninvasive gemessenen zerebralen Gewebe-O2-Spannung, da sich hohe Hämoglobinspiegel und eine liberale Transfusionsstrategie nicht als protektiv herausgestellt haben (Kirpalani 2020 und Franz 2020).

Uns fehlte, wie auch beim Erwachsenen die Wirkungskontrolle unserer Therapie im Gewebe. Beim Frühgeborenen aber kann die Gewebewirkung an dem vulnerabelsten Ort gemessen werden, wo die verbesserte Sauerstoffversorgung sich positiv auswirken sollte - per transcutaner Near-Infrared-Oxygen-Saturation (NIRS).

Zwei bis 4 Kindereinheiten von einer Erwachsenenspende wurden entweder nach der Spende und vor Lagerung bestrahlt oder ganz frisch vor der Verabreichung. Die Frühgeborenen waren im Durchschnitt um die 26.Woche Gestationsalter. Frisch bestrahltes Blut bewirkte, dass die damit versorgten Frühgeborenen (n=31) gegenüber der Kontrollgruppe (n=32) einen höheren zerebralen Sauerstoffsättigungswert crSO2 hatten (2.0 %-Punkte; 95% CI, 1.2 - 2.8%-Punkte) und einen weniger ausgeprägten Abfall der zerebralen Sauerstoffextraktion cFTOE (0.02; 95% CI, 0.01 - 0.04) unmittelbar nach Transfusion. Diese Veränderungen waren langfristig nachweisbar - sie hielten bis zu 5 Tage an.

Obwohl es sich hier um eine Studie handelt, die keine Outcomedaten wie Überleben oder neurologisches Ergebnis der Behandlung berichtet (dies sollten jetzt in größeren Studien folgen), haben wir bei Neugeborenen und der noninvasiven NIRS-Technik valide Aussagen über Einflüsse zu messen, die wir beim Erwachsenen nicht so einfach kontrollieren können. Und genau das ist das Ziel, dahin muss sich die Technik auch beim Erwachsenen entwickeln; nämlich dass wir messen können und Outcomedaten zur Beurteilung zur Verfügung haben, die uns klarer sagen, wann wir wieviel von welchem Produkt transfundieren. Auf dem Gerinnungssektor können wir ganz gut anhand schneller POCT-Geräte den Nutzen, die Wirkung und die Therapiesteuerung vornehmen. Das ist für die Therapie mit Erythrozytenkonzentraten nicht der Fall. Und genau deshalb ist dies eine mehr als beachtenswerte Studie. Auch wenn sich später einmal kein outcomerelevanter Vorteil herausstellt (was die Ergebnisse des ARIPI-Trial, dem fehlenden Effekt von frischen und mittelalten Konserven bei Frühgeborenen nahelegen).

 

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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