Bluttransfusion zu Hause - möglich auch in unserem Gesundheitssystem?

Corte JR et al. Home-based blood transfusion therapy: A systematic review. Br J Haematol 2022 Jul 1. doi: 10.1111/bjh.18344. Online ahead of print.

Ambulante Transfusionen in der onkologischen Praxis oder im Hospiz sind auch bei uns von vielen Einrichtungen eine geübte Praxis. Immer häufiger sind die Patienten kaum zu einem Transport fähig und leiden aber dennoch unter Gerinnungsstörungen oder schwerer Anämie, die die sowieso schon geringe Lebensqualität weiter beeinträchtigt. Der Transportgefährdung der Patienten und der hohen Aufwand der Beförderung zur Konserve könnte unter Umständen mit einem ambulanten Heimservice, mit einer "einfacheren" Beförderung der Blutkonserven zum Patienten begegnet werden. Gerade in Ländern mit längeren Wegen wie den USA, aber auch Frankreich, Spanien und der Schweiz ist diese Versorgungsart seit den 1950er Jahren praktiziert und wird nun immer häufiger gefragt.

Die Alters- und Gesundheitstrends in Deutschland legen nahe, dass es sich um ein auch hierzulande plausibles Scenario handelt, wo wir doch auch schon Unfallopfer direkt am Unfallort transfundieren. Über die Heimtransfusion sollten wir uns also gerade im Palliativsektor, in der hämato-onkologischen Praxis und als niedergelassene Transfusionsmediziner informieren.

Aber wie sieht es derzeit mit der Logistik und der Sicherheit dieses Konzeptes aus? Was ist denn bekannt und in der Literatur aus den erwähnten Ländern der Erprobung erwiesen? Es heißt zu Recht in einer der vielen Arbeiten (n=942, "home blood transfusion"), die sich zum Thema in Pubmed finden:

"The safety of blood transfusion depends both on the blood products and on the safety of the clinical transfusion process, which consists of a number of interconnected steps that include correct indication, collection, transport, handling of the bags, administration of the components, and patient surveillance. This is thus a process which requires quality and safety protocols to ensure optimal performance and outcomes." (Corte et al. Br J Haematol 2022 Jul 1. doi: 10.1111/bjh.18344. Online ahead of print)

Das spanische Autorenteam hat nun eine systematische Übersicht veröffentlicht, in dem es die Erfahrungen aus 13 Fallserien (4 prospektive darunter) und 1 Crossover-Studie seit 1987 aus den USA, UK, Schottland, Kolumbien, Brasilien, Australien, Schweden, Italien Frankreich, und Spanien methodisch zusammenfasst.

Bei n=2259 Patienten wurden mehr als n=12625 Transfusionen durch Ärzte mit oder ohne Pflegepersonal durchgeführt. In Spanien und Frankreich war der Arzt nicht anwesend, aber in Rufbereitschaft. Als "Pflegegeführt" bezeichnet wurde die Praxis in den USA, Schweden, Australien und Großbritannien. Die Anleitung der Familienangehörigen zur Überwachung der Transfusion ist in einer Publikation aus den UK ebenso berichtet, darunter die Anleitung zur Transfusion von mindestens drei Bluttransfusionen mit Legen des intravenösen Zugangs im Krankenhaus.

Die versorgten Patienten waren meist onkologisch oder hämatologisch erkrankt. Meist wurden 1 bis 1,6 Einheiten, manchmal auch mehr als 2 Erythrozytenkonzentrate (EK) und/oder Thrombozytenkonzentrate (TK) über periphere oder liegende zentralvenöse Katheter (ZVK) transfundiert, darunter auch gewaschene, bestrahlte und leukozytendepletierte Konserven. Zu den "vorbereitenden Maßnahmen" bei Patienten mit vorherigen Episoden an Transfusionsreaktionen wurden oral oder intravenös Medikamente wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Steroide, Diuretika und Antihypertensiva verabreicht.

Die Publikationen berichten meist nicht über Sicherheitsstandards. Bei knapp 12000 Anwendungen wurden n=144 (1,21%) milde Transfusionsreaktionen (TR), meist febrile nicht-hämolytische TR und verabreichungsbezogene Schwierigkeiten (intravenöser Zugang), in n=6 (0,05%) schwere TR wie anaphylaktischen/allergischen Reaktionen (in 5 Fällen mit stationärer Notfallaufnahme, aber ohne Todesfolge) erfasst.

  • Manchmal wurde die Mindestentfernung zum nächsten Krankenhaus mit <15km gefordert.
  • Transfusionstrigger und angestrebte Ziel-Hämoglobinspiegel (inklusive, ob das kontrolliert wird) bei der EK-Verabreichung wurden nicht berichtet. Die Indikation bei TKs war eine Anzahl von 2000-70000/µl, die zu erreichenden/erreichten Zahlen nach Transfusion von 20000-370000/µl.
  • Die Effektivität der Transfusionen wurde in einer Studie nach unklaren Kriterien zu 68% als verbesserter Gesundheitszustand bewertet.

Obwohl die Autoren dieses Artikels die Sicherheit als ausreichend bewerten, an anderer Stelle aber das geringe Evidenzniveau dieser Studien als Einschränkung betonen, muss an die Stelle der Sicherheit ein großes Fragezeichen gesetzt werden.

Neben der unklaren Effektivität bei besonderen, z.B. palliativen Indikationen bleibt eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung vorzunehmen. Aber natürlich wäre es schön, wenn man schwer kranke, nur schwer transportable Patienten komfortabel und sicher zu Hause transfundieren kann und hinterher ist die Lebensqualität der Patienten tatsächlich eine bessere.

Aber das sollte vorher geklärt werden, damit der Nutzen den Aufwand rechtfertigt.

 

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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