Bridging der Plättchenhemmung

van Steenbergen et al. Impact of preoperative antithrombotic therapy in patients undergoing elective isolated coronary artery bypass grafting.Interact Cardiovasc Thorac Surg. 2021;33(5):702-709. doi:10.1093/icvts/ivab176.

In der Herzchirurgie ist die zur Blutgerinnungshemmung notwendige Plättchenhemmung mit einer erheblichen Nachblutungsgefahr und dem Transfusionsrisiko (50% aller Patienten mit ACVB) und einer interventionsbedürftigen Nachblutungsrate von 4-5% verbunden. Die aktuellen europäischen Leitlinien (Valgimigli M et al 2018) betonen zwar, dass es unter einer dualen Plättchenhemmung zu einer effektiveren Reduktion des Ischämierisikos kommt, dass aufgrund der erhöhten Blutungsgefahr bei Fortführung der P2Y12-Hemmung bis zur bevorstehenden Bypass-Chirurgie (Ergebnisse aus den beiden existierenden Meta-Analysen) die Prasugrel, Ticagrelor und Clopidogrel pausiert werden sollten.

Aus Holland kommt eine Studie zum Blutungs- und Transfusionsrisiko von Patienten unter intensivierter Plättchenhemmung, die untersucht, ob ein Bridging im Vergleich zur "einfachen" Acetylsalicylsäure (ASS) der wirksamere Plättchenhemmer wie die P2Y12-Hemmer ratsam ist, wenn diese auch mehr klinisch wirksame Blutungen verursachen.

Ein Herzzentrum in Eindhoven untersuchte die retrospektive Kohorte von n=1068 Patienten, die sich einer elektiven Bypass-Operation unterziehen musste. Verglichen wurden Patienten unter einfacher Plättchenhemmung mit ASS (n=710) mit anderen Therapieregimen (n=358). In dieser 2.Gruppe waren Patienten unter fortgeführter dualer Plättchenhemmung (n=289), aber auch unter direkter oraler Thrombinhemmung (Rivaroxaban, Dabigatran und Epixaban, n=39) oder Kumarinen (n=32). Die Patienten wurden gemäß gleichartiger Konstellationen wie Vorerkrankungen und Krankheitsausmaß paarweise zugeordnet ("gematcht" je n=256). Je nach Leitlinienkonformität wurden zusätzlich Subgruppen gebildet, die die Medikation rechtzeitig präoperativ ausgesetzt hatten oder nicht (Subgruppe Leitlinienkonformität).

Primäre Endpunkte der Studie waren die Rate an Revisionseingriffen wegen Nachblutungen und der postoperative Transfusionsbedarf. Sekundär wurde die 30-Tage Letalität, die Rate an Schlaganfällen und Herzinfarkten während des Krankenhausaufenthalts auch die Länge des Aufenthalts.

Es stellte sich heraus, dass die ASS-Monotherapie mit einem dreifach erniedrigten Risiko für eine Revisionsoperation wegen Nachblutung [6.6% vs 2.0%, P=0.017; odds ratio (OR): 3.57 (1.29-9.83)] und beinahe halbierter Transfusionsrate [37.5% vs 20.3%, P<0.001; OR: 2.35 (1.58-3.49)] verbunden war. Die Abkehr von den Leitlinien-Empfehlungen zum Absetzen der dualen Plättchenhemmmung (n=122 gematchte Patienten) erbrachte ein erhöhtes Risiko für Revisionsoperationen [10.7% vs 3.3%, P=0.044; OR: 3.52 (1.11-11.12)] und erhötes Transfusionsrisiko [51.6% vs 25.4%, P<0.001; OR: 3.13 (1.83-5.38)]. Die sekundären Endpunkte unterschieden sich nicht.

Damit konnten die Autoren aus der angewandten Praxis bestätigen, dass die duale Plättchenhemmung tatsächlich mit erhöhten Blutungs- und Transfusionsraten verbunden ist. Die Gründe für die Weiterführung von hoch effizienten Plättchenaggregationshemmern wie Ticagrelor etc. waren kurz zurückliegende Stent-Einlage (76%), kürzliche zerebrale Ischämie oder die Koronar-Anatomie. Sie müssen wohl überlegt sein und gegen die Transfusions- und Wiedereröffnungsrisiken abgewogen werden. Ein Anteil von 40% dieser unerwünschten Ereignisse ist extrem hoch und muss bedacht werden. Ein begleitendes Editorial hat diese Punkte gleichsinnig hervorgehoben (Francois K, Gevaert S. Discontinuation of platelet inhibitors before elective cardiac surgery: a well-considered choice. Interact CardioVasc Thorac Surg 2021;33:710–1.).

Pubmed

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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