COVID-19 ECMO und Gerinnungsstörung

Kowalewski M. et al. COVID-19 and ECMO: The Interplay Between Coagulation and Inflammation-A Narrative Review. Crit Care. 2020 May 8;24(1):205. doi: 10.1186/s13054-020-02925-3.

Der Artikel, eine Literaturübersicht, des polnisch-holländischen Autorenteams aus Warschau und Maastricht stellt die Notwendigkeit von Variationen der ECMO je nach Symptomatik dar: Vorherrschende Covid-19-Pneumonie mit Oxigenisierungs- oder und Decarboxilierungsstörung, Veno-venöse ECMO (VV), Veno-arterielle (VA ECMO) Variante bei Covid-19-Myokarditis und kardialem Pumpversagen. Ist die Oxygenierungs- und metabolische Störung extrem ausgeprägt, ist eine Erhöhung der Flussrate durch die arterielle Entnahme und die Rückführung in eine zusätzliche andere große Vene als VV-A-ECMO effektiv. Bei gemischt septisch und kardinalem Schock mit Multiorganversagen werden zum Erreichen eines hohen Flusses und zur optimierten biventrikulären Drainage ein zusätzlicher arterieller Ausfluss über eine sogenannte V-VA-Hybrid ECMO über eine Entnahmekanüle in der Art. femoralis ermöglicht. Dieser Kontakt mit Fremdoberflächen und unphysiologischen Flussraten aktiviert das Gerinnungssystem und die Thrombozyten zusätzlich zu der COVID-19-immanenten Koagulopathie (wir berichteten: Siehe hier). Die Koagulopathie ist prognostisch auch bei Patienten mit ARDS und ECMO bedeutsam - je ausgeprägter desto schlechter.

Nach diesem eher technischen ECMO-Diskurs gehen die Autoren auf die Besonderheiten des "Cytokin-Sturmes", der Hyperinflammationsreaktion" unter COVID-19 ein: Durch die Entzündungsreaktion kommt es im Rahmen der sekundären "Hämophagozytischen Lymphohistiozytose" zu einer überschießenden Gerinnungsaktivierung und einem von-Willebrand-Faktor-Verlust. In einer Tabelle sind die Veränderung verschiedener Gerinnungsfaktoren (auch F VIII bis XII) im Vergleich zu anderen vergleichbaren ECMO-Patienten dargestellt. Insbesondere Thrombin (aktivierter Faktor II) spielt als prokoagulatorische Protease eine wesentliche Rolle in sowohl Inflammation als auch Gerinnung. Die Endothelitis durch das Virus und dessen Angriff an den ACE2-Rezeptoren bewirkt eine vermehrte Freisetzung von Antithrombin. Dessen Interaktion mit "Heparin-like GAGs" auf der endothelialen Oberfläche bewirkt die Freisetzung von Prostazyklin, was wiederum die Freisetzung von IL-6, IL-8 und TNFalpha aus Leukozyten hemmt. Inwieweit COVID-19 diesen Vorgang hemmt, so dass es zu Beginn der Erkrankung zu einem "Zytokin-Sturm" mit hohen Spiegeln an IL-6 kommt, die prognostisch bedeutsam sind, ist noch nicht verstanden. IL-6 ist verantwortlich für die erhöhte Gefäßdurchlässigkeit ("vascular leakage"), die über Ödembildung, Extravasation, Hypoxie und Nekrose für weitere Organschädigung sorgt. Sowohl die Therapie mit Dexamethason als auch Hämadsorption zur Reduktion der Zytokinspiegel haben sich in einigen Berichten als erfolgreich gezeigt. Auch der Einsatz des monoklonalen Antikörpers gegen IL-6, Tocilizumab, ist deshalb vielversprechend und wird in einer laufenden Studie erprobt.

Bei den Veränderungen der Laborparameter von Patienten ist die Thrombopenie nur bei den schweren Verläufen häufig. Obwohl die schweren Thrombopenien unter ECMO pathologisch gut erklärbar sind, ist eine deutlichere Assoziation zur Erkrankungsschwere als zur Dauer der ECMO gegeben. Die bei erwachsenen Erkrankten häufig festzustellende Lymphopenie ist auch von anderen Coronavius-Infektionen MERS und SARS bekannt. Auch bei COVID-19 korreliert sie in ihrer Ausprägung mit der Erkrankungsschwere und den Organschäden. Steroidtherapie kann die Lymphopenie aggravieren. Die prognostische Bedeutung der erhöhten D-Dimer-Spiegel ist mittlerweile auch bekannt. Andere Routinelaborparameter wie INR und aPTT sind meist normal und ohne Bezug zur Erkrankungsschwere, was den frühzeitigen und bedeutsamen Einsatz von Antikoagulantien nicht verhindern soll. Speziell die Patienten mit einer ECMO-Therapie, die die therapeutische Heparindosierung erfordert, ist der durch die infekt- und therapieimmanente Aktivierung erworbene Antithrombinmangel zu beachten: Die ECMO bewirkt Hämodilution, Kontaktaktivierung der Thrombozyten durch den Fremdoberflächenkontakt und Verbrauch an Gerinnungsfaktoren. Die Bildung von Antithrombin an das therapeutisch eingesetzte Heparin verringert den Ansatz an den endothelialen Bindungsstellen ("Heparin-like GAGs") und erhöht so die Zytokinspiegel durch die verminderte Hemmung der leukozytären Interleukinfreisetzung. Dennoch sind die Autoren der Meinung, dass der intensivierten Gerinnungshemmung unter ECMO die erste Priorität bei der Therapie gegeben werden soll, da die prognostische Bedeutung eher von thromboembolischen Komplikationen abhängig ist.

Der Erfolg der ECMO in dieser Erkrankung ist beachtlich und deshalb bedeutsam (bitte beachten Sie auch die Literatur Empfehlungen zur ECMO Therapie von COVID-19 untenstehend). Von den 16% aller Erkrankten die ein ARDS entwickeln, benötigten nur 1,5% eine ECMO. Die Mortalität von unter 10% dieser ECMO-therapierten ARDS-Fälle anderer Genese ist weit unter der sonst üblichen beobachteten von 30-50%. Allerdings beruhen diese Daten auf einer Analyse von aktuellen Studien mit nicht ganz 3000 Patienten und hoher Streuung der Erfolgsrate unter den Zentren - auch vereinzelt Zentren und Studien mit 100% Mortalität waren darunter. Ob diese Ergebnisse verfahrensbedingt, erfahrungsbedingt oder nur ein Effekt von kleinen Fallzahlen sind, ist schwer zu beantworten.

Ein Artikel, der zwar lesenswert ist, aber immer noch viele Fragen offen lässt ...

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Weiterführende Literatur zur ECMO von Covid-19:

  1. Köckerling D er al. Blood transfusion strategies and ECMO during the COVID-19 pandemic. Lancet Respiratory Med 2020 May;8(5):e40. doi: 10.1016/S2213-2600(20)30173-9. Download PDF
  2. Ramanathan K, Antognini D, Combes A. Planning and provision of ECMO services for severe ARDS during the COVID-19 pandemic and other outbreaks of emerging infectious diseases. Lancet Respir Med. 2020 doi: 10.1016/S2213-2600(20)30121-1. published online March 20. - DOI - PMC - PubMed
  3. Kim HS, Park S. Blood transfusion strategies in patients undergoing extracorporeal membrane oxygenation. Korean J Crit Care Med. 2017;32:22–28. - PMC - PubMed
  4. American Red Cross American Red Cross faces severe blood shortage as coronavirus outbreak threatens availability of nation's supply. March 17, 2020. https://www.redcross.org/about-us/news-and-events/press-release/2020/american-red-cross-faces-severe-blood-shortage-as-coronavirus-outbreak-threatens-availability-of-nations-supply.html
  5. Hébert PC, Wells G, Blajchman MA. A multicenter, randomized, controlled clinical trial of transfusion requirements in critical care. N Engl J Med. 1999;340:409–417. - PubMed
  6. Agerstrand CL, Burkart KM, Abrams DC, Bacchetta MD, Brodie D. Blood conservation in extracorporeal membrane oxygenation for acute respiratory distress syndrome. Ann Thorac Surg. 2015;99:590–595. - PubMed

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