COVID-19-Pandemie: Blutversorgung in Seattle - ein Erfahrungsbericht

Pagano MB et al. Prepare to adapt: Blood supply and transfusion support during the first 2 weeks of the 2019 Novel Coronavirus (COVID-19) pandemic affecting Washington State. Transfusion. 2020 Mar 21. doi: 10.1111/trf.15789.

Dieser Preprint-Artikel ist ein erster und leider auf die ersten 2 März-Wochen beschränkter Bericht aus Seattle in Washington. Er schildert die dortige Entwicklung und die Maßnahmen von Politik, transfusionsmedizinischen Abteilungen in den Krankenhäusern und der Blutspendedienste (der lokale überregionale Bloodworks Northwest (BWNW) und der nationale Blutspendedienst AABB).

In der ersten Märzwoche 2020 traten die ersten 4 gesicherten Fälle in Seattle auf. Die Öffentlichkeit war beunruhigt, Hamsterkäufe traten auf und die Blutspenden gingen drastisch zurück, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder ein Schulschluss angeordnet noch eine Ausgangssperre verhängt worden war. Lediglich die Universitäten schlossen und HomeOffice wurde propagiert. Spendeaufrufe des Blutspendedienstes wurden veröffentlicht.

Die Kliniken wurden auf die Lage hingewiesen und aufgefordert, einen Notfallplan zu erstellen und auch zu implementieren ("shortage protocol"). Selektive Eingriffe fanden aber weiterhin statt. Stringente Indikationsstellung für Operationen und Bluttransfusionen wurde angemahnt. Anforderung für Blut sollten kritisch überprüft werden, um die Blutversorgung so lang wie möglich zu schonen. Die dem regionalen Blutspendedienst übergeordnete Vereinigung der Amerikanischen Blutspende Task Force der AABB wurde angefragt und um Unterstützung aus Gebieten mit noch gefüllten Depots gebeten.

Die lokalen Blutdepots hatten in der ersten Woche noch genügend Vorräte, um die Routineoperationen zu versorgen. Die tägliche Kommunikation von beauftragten Gremien unter Einbezug von Onkologen und Anästhesisten diente zur Anpassung des Transfusionsbedarfs an die Konservenbestände. Es wurde ein Triage-Plan zum angemessenen Einsatz der Konserven entwickelt: Rückfragen zur Anforderung gab es, wenn die Normalstation mehr als eine Erythrozyten (EK) und Thrombozyten-Konserve (TK) pro 24h bestellte und wenn mehr als 4 EKs oder 2 TKs für einen chirurgischen Eingriff eingekreuzt werden sollten.

Während eingangs die vorherrschende Unsicherheit über die zu erwartende Entwicklung und die Vorbereitung darauf vorherrschte, war die zweite Woche dann bereits durch Priorisierung und Kontingentvergabe gekennzeichnet. Die Steigerung der positiv getesteten Patienten um den Faktor 25 (!) ist ein Anzeichen dafür, dass die bisherige Erfassung wohl nicht ausreichend war. Noch bestand keine Ausgangssperre, aber die Schulen wurden geschlossen, weshalb die Kinderbetreuung für Mitarbeiter vom Arbeitgeber neu organisiert wurde. Die Reservierung von Material für die klinische Versorgung von Covid-19 Patienten erforderte die Aussetzung aller elektiven Eingriffe.

Die Anzahl der Blutspenden steigerte sich wieder. Das Personal des Blutspendedienstes arbeitete teilweise im Homeoffice. Mit den Krankenhauslaboren und Transfusionsmedizinischen Einrichtungen in den Häusern wurden Personal-Sharings-Konzepte für Bereitschaftsdienste diskutiert. Das Personal und die Analysatoren der Blutspendedienste wurden zur Virustestung benötigt, so dass auch im Blutspendedienst die Personaldecke ausgedünnt war.

Es bleibt zu wünschen, dass die weitere Entwicklung im endgültigen Artikel noch hinzugefügt wird. Da sich dort die Lage ebenso wie im Rest der USA noch weiter entwickelt, wäre eine Schilderung der Dynamik und der dortigen Maßnahmen und Regelungen eine Vorwarnung - auch wenn unsere Strukturen nicht identisch sind.

Als eines der wichtigsten, weil nachweislich wirksamen handfesten Rezepte, die wir übernehmen könnten, erweist sich die Rückfrage nach der Notwendigkeit der Blutprodukte-Verordnung. Aus den PBM-Publikationen ("Patient Blood Management") wissen wir, dass die "Decision Support Methode" (zum Beispiel: Kassakian SZ et al. Clinical Decision Support Reduces Overuse of Red Blood Cell Transfusions: Interrupted Time Series Analysis. American Journal of Medicine (2016) 129, 636.e13-636.e20) wirksam die Anzahl des EK- und Blutpodukte-Verbrauchs reduziert. So kann und muss mit der wertvollen Ressource Blut generell umgegangen werden, auch ohne Covid-19.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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