Prähospitale Versorgung mit Bluttransfusionen - Erst-Analyse nicht erfolgversprechend

van Tourenhout EC et al. Prehospital transfusion of red blood cells part 2: A systematic review of treatment effects on outcomes. Transfus Med. 2020 Jan 5. doi: 10.1111/tme.12659. [Epub ahead of print]

Die Gabe von zellulären Blutkomponenten und Plasma am Unfallort ist ein aus dem militärischen Bereich stammendes Konzept, das theoretisch die Schockschwere reduzieren sollte, die traumatisch bedingte Koagulopathie verringern und das Überleben der Opfer verbessern soll. Wie bereits früher bei der prähospitalen Volumensubstitution kann die Theorie nicht immer plausibel mit dem verbesserten Outcome übereinstimmen. Es sollten also zunächst kontrollierte Studien die Theorie bestätigen oder die Patientenkollektive identifizieren, die davon profitieren.

Eine Meta-Analyse hat nun die Evidenzlage für die prähospitale Transfusion überprüft. In den Datenpool konnten 55 Observationsstudien (davon 47 nicht-militärisch), aber keine randomisiert kontrollierten Studien eingeschlossen werden. Die häufigste Verletzungsart in den Zivil-Studien war das stumpfe Torsotrauma mit einem Schweregrad ISS von 18 bis 44, meist durch Stürze aus großer Höhe und Verkehrsunfälle. In den militärischen Studien waren penetrierende Verletzungen vorherrschend, mit vergleichbarem Schweregrad (ISS 15 bis 45) durch Explosionen und Schussverletzungen. Auch nicht-unfallbedingte Patienten wurden aus 16 Zivilstudien eingeschlossen - gastrointestinale Blutungen und rupturierte Aortenaneurysmen.

Bei den meisten Studien wurden neben der Transfusion von Erythrozyten auch andere Blutprodukte transfundiert, oftmals war die Zeit bis zur ersten Versorgung mit Blutkomponenten unter 15 min. Die Sterblichkeit am Unfallort war heterogen von 10% bis knapp 30% (oder nicht angegeben). Insgesamt waren die Studienbedingungen und Protokolle hochgradig heterogen.

  • Die Mortalität war aber entgegen der Erwartung auch bei 14 Observationsstudien mit Vergleichsgruppe nicht unterschiedlich; zu keinem Zeitpunkt (3h, 6h, 24h, 28 o. 30 Tage, exemplarisch 24h-Sterblichkeit OR 0,92 (95%CI 0,46-1,85), Heterogenität I2 80%) im Krankenhaus oder insgesamt.
  • Der Schweregrad des Schocks wurde nicht nur anhand der systolischen, diastolischen und mittleren Blutdruckwerte beurteilt, sondern auch anhand von Herzfrequenz, Laktatspiegel, Base Exzess und pH-Wert des Blutes. Auch hier fanden sich keine eindeutigen und gleichsinnigen Ergebnisse, weder im zivilen noch im militärischen Bereich.
  • Der Transfusionsbedarf an Erythrozytenkonzentraten (EK) in den ersten 24 Stunden war in 12 Zivil-Studien nicht unterschiedlich, gleich ob vor Einlieferung oder erst im Krankenhaus Blutprodukte transfundiert wurden. Im militärischen Bereich wurden auch Frisch-Vollblutkonserven transfundiert, im Mittel 5 bis 15 Einheiten. Obwohl ohne signifikanten Unterschied zu den erst im Krankenhaus transfundierten Patienten fand sich aber ein Trend zur Übertransfusion in der bereits vor dem Eintreffen im Schockraum mit Blut versorgten Gruppe.
  • Auch bezüglich der Koagulopathie bei Eintreffen im Krankenhaus sowie der Krankenhaus- und Intensivstation-Verweildauer fanden sich keine Unterschiede zwischen den bereits vorstationär versorgten und den erst im Schockraum versorgten Zivilisten und Soldaten.
  • Allerdings fanden sich eine Transfusionsreaktion und eine transfusionsassoziierte Volumenüberladung (TACO) und 2 hämolytische Konserven aufgrund von fehlerhaften Transportbedingungen. Die bereits vor Aufnahme transfundierten Zivilisten waren häufiger hypotherm und hypokalzämisch. Bei den Soldaten ereignete sich ebenfalls eine Transfusionsreaktion und 7 lagerungsabhängige Temperaturabweichungen der Blutkonserven wurden registriert.

Damit kann aufgrund dieser Analyse nur ausgesagt werden, dass die prähospitale Versorgung mit Blutprodukten nicht ausreichend erforscht ist, um die physiologischen Vermutungen zu bestätigen. Bei der Durchführung von kontrollierten Studien muss darauf geachtet werden, dass die in gleicher Frequenz auftretenden Transfusionsreaktionen und unerwünschten Wirkungen auch während des Transports und am Unfallort eine in diesem Umfeld besondere, weil unbekannte Herausforderung darstellen, die Übertransfusion/Überversorgung mit verfügbaren Blutprodukten vermieden werden müssen und die Lagerung und der Transport dieser empfindlichen Arzneimittel fehlerfrei vonstatten geht.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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