Die Planung der Bluttransfusion soll mehr auf den individuellen Empfänger fokussieren

Choorapoikayil S et al. How do I/we forecast tomorrow’s transfusion? A focus on recipients’ profiles. Transfus Clin Biol. 2022 Sep 13;S1246-7820(22)00306-8. doi: 10.1016/j.tracli.2022.09.063. Online ahead of print.

Wie ist es um die Vorhersage der Transfusionswahrscheinlichkeit und damit der ressourcenschonenden Transfusionsplanung bestellt? Ist die gängige Transfusionspraxis eine Therapie von der Stange oder kann und muss sie für jeden Patienten individuell zugeschneidert werden? Das einleuchtende Beispiel der Methode zur Einschätzung der Transfusionswahrscheinlichkeit durch Berechnung des individuellen Erytrozytenvolumens in Relation zum erwarteten Blutverlust macht es uns deutlich. Die Autoren um Zacharowski, Meybohm und Steinbicker haben einen schönen perspektivischen Artikel in der franszösischen Transfusionszeitschrift veröffentlicht.

EIngangs werden die Verbesserungen der Indikationsstellung im Rahmen des Patient Blood Management (PBM)-Konzepts gewürdigt. Die immer dringendere Notwendigkeit der individuellen Zuordnung zum bedüftigen Patienten wird durch den weltweiten Versorgungsmangel verstärkt. Verschiedene Methoden werden erwähnt:

1. Die derzeit gebräuchlichen Bereitstellungskataloge (Maximal surgical blood ordering schedule-MSBOS) sind zuwenig individualisiert. Die Analyse einer amerikanischen Datenbank ermittelte 20 Eingriffsprozeduren mit hoher Wahrscheinlichkeit, mindestens einmal innerhalb von 72 bei und nach einem Eingriff transfundiert zu werden (anhand der Daten aus 12 Jahren und 6,6 Mio Datensätzen). Die Zuverlässigkeit dieser Versorgungsplanung sei aber niedrig, da sie stark vom individuellen Chirurgen, den jeweilig angewnadten Transfusionstriggern abhänge und auch keine Aussage über die Anzahl der konserven pro EIngriff erlaube.

2. Benchmarking- Institutionelle Verbrauchslisten im Vergleich bieten diesen Einbezug an. Eine statistische Zusammenstellung anhand der OPS-Codierung des jeweiligen EIngriffs wie von P. Meybohm veröffentlicht (Automatized OPS-based calculation of likelihood of RBC concentrate transfusion in a hospital. Anästh Intensivmed, 61 (2022), p. 14) verbessert die Präzision, wenn sie regelmäßig upgedated wird.

3. Transfusionsscores sind geeignet, individuelle Faktoren wie Alter, Geschlecht, Erfahrenheit des Chirurgen, verfügbare blutsparende Verfahren und Transfusionstrigger einzubeziehen. Die CHirurgen validierten den sogenannten "CTA-PORT"- Score mit einer zufriedenstellenden Treffsicherheit für kardiothorakale EIngriffe, mussten aber Ungenauigkeiten durch den individuellen Anämiegrad einräumen.

4. Der Einbezug von digitaler Technik (Artificial Intelligence oder Software) bieten in Zeiten der zunehmenden elektronischen Prozesssteuerung auch im Krankenhaus ihre Vorteile. Selbstlernende Programme extrahieren die vorab definierten mutliplen Einflussfaktoren aus den elektronisch geführten Krankenakten und Laborparametern und können als APP einfach und schnell verfügbar mit höherer Präzision die Transfusionsplanung optimieren. Das gelang in einigen Pilotprojekten bereits gut. Dabei wurden aus über 10 000 möglichen Einflussfaktoren ca. 200 isoliert und zuverlässigere Algorithmen erstellt werden. Dabei ist das Entscheidende, dass künstliche Intelligenz die Fähigkeit hat, die nicht-linearen Verhaltensweisen der hohen Anzahl von Einflüssen in Ihrer Bedeutung für eine gegebene individuelle Situation zu gewichten.

Diese Methoden sind um so wichtiger, als die Versorgungslage mit Blutkonserven weltweit kritischer wird. Wenn genauer geplant, bereitgestellt und alternative Verfahren eingesetzt werden, gewinnt das ganze System vom Spender, über den Anwender zum Patient. Im Vergleich zu den bisher möglichen Fehleinschätzungen des Transfusionsbedarfs durch die oftmals nicht statistisch fundierten Bedarfslisten der Chirurgie besteht die Möglichkeit einer dramatischen qualitativen Verbesserung. Deshalb ein guter und lesenswerter Artikel.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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