Ein Score für den physiologischen Transfusionstrigger-POTTS

Lu K et al. A physiology-based trigger score to guide perioperative transfusion of allogeneic red blood cells: A multicentre randomised controlled trial. Transfus Med. 2022 May 24. doi: 10.1111/tme.12883.

Wäre es nicht schön, wenn man einen verlässlichen Transfusions-Trigger für den individuellen Patienten hätte, der die Unsicherheit beseitigt, wenn wir immer restriktivere Hämoglobinspiegel anwenden?

Der sogenannte Peri-Operative Transfusion Trigger Score (POTTS) beruht auf 4 verschiedenen eingehenden Variablen:

  1. Minimal notwendige Adrenalin-Infusionsrate, um das Herzzeitvolumen aufrechtzuerhalten: Scoring: (0 für keine Infusion,1 für 0.05 μg*kg-1*min-1, 2 für höhere Raten),
  2. Minimal notwendige FiO2 (inspiratorische Sauerstoff-Fraktion, um die pulsoxymetrische Sättigung (SpO2) über 95% zu halten: Scoring: 0 für 35%, 1 für 36-50%, 2 für höher
  3. Körperkerntemperatur: Scoring: 0 für 38°C, 1 für 38-40°C, 2 für höher
  4. Anamnestische Hinweise auf Angina pectoris: Scoring: 0 für nein, 1 für bei Anstrengung, 2 für in Ruhe

Zu der so ermittelten Punktzahl wird 6 addiert und die Endzahl als POTT-Score Ergebnis mit dem aktuellen Hämoglobinwert verglichen. Lag der Hämoglobinwert darunter, besteht eine Transfusionsindikation.

In dieser multizentrischen Studie wurden die Patienten 1:1 randomisiert entweder nach dem POTTS-Transfusionstrigger oder als Kontrollgruppe gemäß Standard nach der üblichen Richtlinie im Rahmen der restriktiven Vorgaben behandelt: Unterhalb einer Hämoglobinkonzentration [Hb] von 6g/dl wird immer ein Erythrozytenkonzentrat (EK) gegeben, über [Hb] 10g/dl wird nie und im Bereich von [Hb] 7-10 g/dl nach Einschätzung des Anästhesisten verabreicht.

Primäres Studienziel war der Transfusionsbedarf (Anzahl von Blutkomponenten: EKs, TKs, Plasma und Kryopräzipitat), sekundär wurde die transfusions- und chirurgisch assoziierte Komplikationsrate sowie die Mortalität beurteilt.

Die beiden Gruppen waren hinsichtlich demographischer Daten, chirugischen Eingriffen, Elektiv- oder Notfall-Interventionen, Anästhesieform, Blutverlust und MAT-Versorgung (maschinelle Autotransfusion) homogen verteilt.

Es wurden an drei Zentren n=864 (POTTS 431 vs. Kontrolle 433) Patienten eingeschlossen. Die POTTS-gesteuerte Transfusionsstrategie reduzierte die Anzahl der notwendigen EKs um 7% (ITT 43,9 vs. 36,9%, p=0.036, PP 42.8% vs. 35.5%, p=0.030). Ebenso hatte die POTTS behandelte Gruppe weniger Gerinnungsprodukte (14.6% vs. 23.1%, p=0.001) und Plasma erhalten (14.4% vs. 22.6%, p=0.002), sowie auch Kryopräzipitat (1.6% vs. 3.9%, p=0.040). Die gesamte Komplikationsrate war nicht unterschiedlich (27 vs. 24), aber die chirurgische Komplikationsrate war in der POTTS-Gruppe höher (3.9% vs. 1.2%, p=0.010). Die transfusionsassoziierten Komplikationen (0 vs. eine autoimmunhämolytische Transfusionsreaktion in der Kontrollgruppe), die Krankenhausverweildauer (14 vs. 15 Tage, p=0.80) und die Mortalität nach 12 Wochen (0 vs. 1, p=0.32) waren in den Gruppen POTTS vs. Kontrolle vergleichbar. Auch die Anämierate bei Entlassung war nicht unterschiedlich.

Damit scheint dieser Score eine schärfere und genauere Anzeige der Transfusionsindikation zu liefern. Lobenswert ist, dass mit dem Einbezug von Kreislaufparametern der Volumenstatus zumindest bei herzgesunden Patienten berücksicht zu sein scheint. Allerdings kommentieren die Autoren, dass auch andere Vasopressoren eingesetzt wurden, aber nicht in den Score eingehen. Die Messung des HZV ist zwar semi-Invasiv möglich und sie sollte eigentlich auch immer wenn möglich angewandt werden, ist aber im Allgemeinen perioperativ nur auf Hochrisikopatienten beschränkt. Deshalb ist dieser Parameter nicht einfach anzuwenden und zu ermitteln. Wäre auch der systolische Blutdruck oder der mittlere arterielle Blutdruck verwendbar? Weiterhin müsste auch die Indikation der Gerinnungsprodukte im Score berücksichtigt werden.

Leider haben die Methode und die Studie noch weitere Schwächen: Die Indikationsstellung in der Kontrollgruppe ist nicht genau definiert und in einem weiten Bereich der individuellen Entscheidung überlassen. Dadurch dass die Verblindung nicht den behandelnden Kliniker betreffen kann, gibt es hier einen nicht erwähnten Studienbias. Die Transfusionsrate (Anzahl der transfundierten Patienten) wurde nicht berücksichtigt, obwohl die Anzahl der verabreichten Konserven alleine nur eine unvollständige Effizienzbeurteilung der Methode zulässt.

Auf jeden Fall ist dieser Score ein Beispiel, wie man das Problem der unscharfen Indikationsstellung besser in den Griff bekommen könnte. Aus diesem Grund ist dieser Artikel eine gute Anregung, ob man nicht eine Modifikation davon bei uns entwickeln und austesten sollte.

 

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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