Eine randomisierte Studie zum Rekonvaleszentenplasma aus China

Li L, et al. Effect of Convalescent Plasma Therapy on Time to Clinical Improvement in Patients With Severe and Life-threatening COVID-19: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2020 Jun 3 : e2010044. doi: 10.1001/jama.2020.10044.

Wir berichteten bereits mehrfach zu den aktuellen Therapieversuchen über die Therapie mit Rekonvaleszentenplasma (RKP) von gesundeten COVID-19-Patienten (siehe Nachrichten der IAKH). Jetzt gibt es eine erste, bereits veröffentlichte kontrollierte Studie. Diese 6-wöchige multizentrische Studie aus Wuhan, China mit einer geplanten Fallzahl von 200 wurde auf halbem Weg Anfang April gestoppt. Nachdem 103 Patienten eingeschlossen waren, die randomisiert entweder RKP (n=52) oder Standardtherapie (n=51) erhielten, war die Studie wegen mangelnder Neuinfektionen in Wuhan vorzeitig beendet worden.

Geplante Endpunkte der Studie war eine Verbesserung der Erkrankung, beurteilt an einer klinischen Outcome-Skala von 1 (Entlassung aus dem Krankenhaus), 2 (Stationärer Aufenthalt ohne O2-Bedarf), 3 (Stationär mit O2-Therapie), 4 (Noninvasive Beatmung oder High-Flow-O2), 5 (Invasive Beatmung oder ECMO), 6 (Versterben) innerhalb von 28 Tagen. Eine Verbesserung galt als erzielt, wenn sich innerhalb der 28 Tage eine Herabstufung um 2 Kategorien oder die Entlassung erreicht wurde. Die Patienten wurden zur Auswertung post hoc in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt.

Die RKP-Spender wurden 2 Wochen nach Krankenhausentlassung rekrutiert. Das RKP wurde als Plasmapherespräparat entnommen und gefroren gelagert. Die IgG-Titer eines eigenen Elisa-Tests mit rekombinanten RBD-Polypeptiden (Sino Biological, Beijing, China wurden vorher getestet und durch die Korrelation (r=0.622, p=0.030) mit den Tests für neutralisierenden AK validiert (S-RBD-specific IgG-Titer von 1:1280 entsprach einem Serumtiter der neutralisierenden AK von 1:80). S-RBD-spezifischen IgG des RKP mussten minimal ≥1:640 sein. Das RKP wurde blutgruppenkonform in einer Dosis von 4 bis 13 ml/kg gegeben, zunächst langsam 30ml/ über die ersten 15min, dann mit einer Infusionsrate von 100ml/h.

Die eingeschlossenen Patienten waren im Mittel 70 Jahre alt, mit einem leichten Überhang des männlichen Geschlechts (53-62%) mit dem Hang der eingeschlossenen Männer zum schwereren oder lebensbedrohlichen Verlauf. Die meisten Patienten waren bei Randomisierung (nach im Mittel 30 Tage nach Symptombeginn) fieberfrei.

Der klinische Verlauf war durch das RKP innerhalb von 28 Tagen nicht signifikant verbessert worden: RKP 51.9% vs. Kontrolle 43.1% (Gruppendifferenz, 8.8% [95% CI, 10.4% - 28.0%]; HR, 1.40 [95% CI, 0.79-2.49]; p= 0,26). In der Subgruppe der schwerer Erkrankten wurde aber erwartungsgemäß eine signifikante Verbesserung im Definitionssinn bei 91.3% durch RKP erreicht (HR, 2.15 [95% CI, 1.07-4.32]; p = 0,03). Allerdings waren auch in der Gruppe der am schwersten erkrankten, vital-bedrohten Patienten keine signifikanten Unterschiede (RKP 20.7% vs. Kontrolle 24.1% (HR, 0.88 [95% CI, 0.30-2.63]; p= 0,83) erzielt worden. Weder die gesamt Entlassungsrate noch die Sterblichkeit waren unterschiedlich (n.s.).

Es fanden sich jedoch innerhalb der ersten 72 Stunden nach RKP Transfusion signifikant mehr Patienten mit fehlendem Virusnachweis in der RKP Gruppe vs. Kontrolle (44.7% vs. 15.0%, p= 0,003 nach 24h; 68.1% vs. 32.5%, p= 0,001 nach 48h; 87.2% vs. 37.5%, p<0,001 nach 72h).

Nebenwirkungen des RKP waren 2 Transfusionsreaktionen bei 103 Patienten, entsprechend 1,94%. Eine Reaktion mit Zittern und Exantem trat innerhalb von 2h nach Transfusionsbeginn bei einem Patienten mit schwerem Verlauf auf. Die als allergische oder nicht febrile Transfusionsreaktion interpretierte unerwünschte Reaktion sprach gut auf Steroid- und Antihistaminbehandlung an. Ein weiterer Patient mit lebensbedrohlichem Verlauf entwickelte Atemnot und Zyanose, was sich innerhalb von 2h unter der Therapie mit Steroiden und Bronchodilatantien verbesserte. Die unspezifisch als "Transfusionsreaktion mit Atemnot" eingestufte unerwünschte Wirkung könnte also entweder einer TRALI oder Volumenüberladung TACO entsprechen.

Die Autoren schlussfolgern, dass durch die frühzeitige Beendigung der Studie und die fehlende statistisch notwendige Power signifikante Erfolge der RKP-Therapie möglicherweise unentdeckt bleiben. Die späte Randomisierung und späte RKP Therapie als auch die kurze Beobachtungsperiode von 28 Tagen seien ebenso gleichermaßen für einen fehlenden Effekt verantwortlich. Die unerwartet hohe Rate an Nebenwirkungen führen sie ebenfalls auf die geringe Fallzahl und die besonders aufmerksame Überwachung im Rahmen der Studie zurück.

Die Qualitätskontrolle des RKP durch eine Korrelation zu den neutralisierenden AK ist lobenswert. Kritisch ist für mich die fehlende Verblindung und die Nichttherapie der Kontrollgruppe mit Nicht-Rekonvaleszenten Plasma. Die frühzeitige Beendigung wegen fehlender infektiöser Patienten ist ein eher zweifelhafter Abbruchgrund.

Schade, dass eine doch so frühe Studie ein so wenig überzeugendes Ergebnis hat. Aber sie zeigt uns, dass RKP nicht einfach eine ansonsten unproblematische Therapie mit einem bereits zugelassenen Präparat ("FFP") ist. Und dass die Indikation, die Dosis und der Verabreichungszeitpunkt besonders bei den lebensbedrohlich schwer erkrankten COVID-19 Patienten inklusive einer gegenüber dem "normalen" Gefrierplasma hinsichtlich des AK Gehalts unterschiedlich ist und in randomisierten Studien erprobt werden muss.

 

Pubmed

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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