ESA-Update der Leitlinien zu perioperativen Blutungen

Kietaibl S et al. Management of severe peri-operative bleeding: Guidelines from the European Society of Anaesthesiology and Intensive Care: Second update 2022. Eur J Anaesthesiol. 2023;40(4):226-304. doi:10.1097/EJA.0000000000001803.

Das Update der Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (ESAIC, früher ESA) von 2017 für Erwachsene, pädiatrische und schwangere Patienten mit erhöhtem perioperativem Blutungsrisiko bei elektiven und dringlichen Eingriffen wurde von 24 Ausschussmitgliedern erarbeitet. Das knapp 80-seitige Dokument schließt Unfallopfer und die Versorgung von Schwerverletzten explizit aus (siehe AMWF Leitlinien Schwerverletzten/Polytrauma, unsere IAKH-Rezension) und definiert schwere Blutungen als den perioperativen Verlust als mehr als 20% des zirkulierenden Blutvolumens.

Knapp 86 000 Artikel (!) wurden gesichtet, gute 5000 in die Systematik einbezogen. Die Empfehlungsgrade der 253 Empfehlungen (!) waren unterteilt in 1 starke Empfehlung, 2 schwache Empfehlung, mit Anzeige von A,B oder C der gestuften Evidenz von hoch- bis tiefrangig, Unterstützung der Experten von breit (>90%) bis gering (<50%), Anwendung für ein weites Kollektiv oder nur vereinzelte Fälle.

Beim Thema schwere Blutungen stand im Vordergrund,

  • welche Patienten im Vorfeld des Eingriffs optimiert werden könnten.
  • wie Patienten im Vorfeld des Eingriffs optimiert werden könnten.
  • wie intra- und postoperative Blutungen behandelt werden könnten.
  • wie die akute und postoperative Anämie zu therapieren werden könnte.

Alle Fachrichtungen und EIngriffsarten, sowie Patientencharakteristika (z.B. angeborene und erworbene Koagulopathien, etc.) wurden von den jeweiligen Spezialisten bearbeitet. Als therapeutische Maßnahmen standen zur Auswahl-

(1) Eisen, Erythropoetin-stimulierende Agenzien (ESAs)
(2) Antifibrinolytika (Tranexamsäure (TXA), u.a.)
(3) Maschinelle Autotransfusion
(4) Normothermie, NaBic, Electrolyte
(5) Gerinnungsfaktoren [Fibrinogen, Prothrombinkomplex (PCCs), Rekombinanter Faktor VII (rFVIIa), Factor XIII (FXIII), others]
(6) Desmopressin (DDAVP)
(7) Antikoagulantien-Antidote
(8) Topische Wundblutstillende Maßnahmen.

Die mehrseitigen Empfehlungen sind es wert im Detail nachzulesen. Allgemeine, bisher gültige Kenntnisse wurden meist durch die Bewertung bestätigt und einige beachtenswerte Neuigkeiten aufgenommen. Im Auszug haben wir für Sie ein paar aufgeführt:

  • Präoperative Anämie (PA) bei Kindern und Erwachsenen erhöht die Mortalitäts- und Komplikationsrate (1A),
  • Bei PA sollen elektive EIngriffe verschoben werden (1A),
  • Eisenmangelanämie soll gewichtsadaptiert therapiert werden (1A),
  • ASS soll mindestens 4 Wochen nach unbeschichtetem und 3-12 Monate nach Drug-Eluting Stent DES eingenommen werden und in diesem Zeitraum nur bei vitaler Bedrohung (druch Blutung) abgesetzt werden (1A),
  • In den selben Zeiträumen soll keine elektiven (nicht - kardiale) Eingriffe geplant werden (1A),
  • Blutungen unter unfraktioniertem Heparin (UFH)-Einfluss sollen durch 1mg für jede 1000 I.E. UFH, das in den letzten 2-3h gegeben wurde, antagonisiert werden (1A),
  • Bridging von DOAC (direkten oralen Antikoagulantien) mit niedermolekularem Heparin (NMH) ist nicht empfohlen (1A),
  • Für die intraoperative Periode während größeren Lebereingriffen ist ein niedriger ZVD und restriktive Volumensubstitution empfohlen (1A),

 

Zu beachten sind

  • Bei gastrointestinalen Blutungen ist die systemische Gabe von TXA nicht empfohlen (1B)
  • Bei postpartalen anhaltenden Blutungen und einem Fibrinogenspiegel über 2mg/dl u./o. einem FibTem 5 > 15mm nicht empfohlen (1B)
  • Maschinelle Autotransfusion (MAT) für Tumorchriurgie ist nicht kontrainduziert, wenn Leukozytendepletionsfilter (LDF)benutzt werden und das direkte Absaugen von Tumormaterial vermieden wird (2C)
  • Bei Lebertransplantation auch bei hepatozellulärem Karzinom ist MAT mit LDF empfohlen (2C)
  • Bei gynäkologischen eingriffen inklusive Tumoroperationen reduziert MAT den Fremdblutbedarf (B).

 

Die lange Leitlinie endet mit einer Zusammenfassung von insgesamt 9 Empfehlungen:

(1) Schwere Blutungen über 20% des Blutvolumes sind ein Risikofaktor für Anämie, Fremdbluttransfusion, Koagulopathie und Organminderdurchblutung. Jeder dieser Faktoren ist unabhängiger Prädiktor für Überleben und gleichzeitig Treiber für Ressourcenverbrauch und Kosten.

(2) Peri-operatives Patient-Blood-Management PBM ist indiziert für das Management schwerer Blutungen bei dem Hochrisikopatient in der Chrirugie. Das multimodale PBM Konzept erlaubt perioperativ eine restriktive Transfusionstrategie.

(3) Vor Eingriffen mit großem Blutverlust soll eine existierende Anämie detektiert und korrigiert werden, um die Toleranz für  koagulopathisch und chirurgisch bedingte Blutverluste zu erhöhen und Fremdblut zu vermeiden.

(4) Vor Eingriffen mit großem Blutverlust sollen hereditäre, iatrogene und erworbene Gerinnungsdefekte einschließlich von  Koagulopathien bei Covid und auf Intensivstation detektiert und korrigiert werden, um die perioperativen Blutverluste und den Fremdblutbedarf zu reduzieren.

(5) Während Eingriffen mit großem Blutverlust soll die maschinelle Autotransfusion und die (pharmakologische) Prophylaxe der Fibrinolyse genutzt werden, wenn möglich. Körpertemperatur, Homöostase und Gewebsperfusion soll gemessen und im Normalbereich gehalten werden. monitored and kept within normal range.

(6) Chirurgische Blutungen sollen durch chirurgische Maßnahmen beendet werden. Koagulopathische Blutungen sollen durch eine individuelle Korrektur der zugrundeliegenden Pathomechanismen mit Antifibrinolytika u.o. Prokoagulatoren und vorzugsweise virusinaktivierten Faktorkonzentraten gestoppt werden.

(7) Blutverlustreiche EIngriffe erfordern eine Infrastruktur mit Labortests wie Blutgasanalysen, Gerinnungstests und vorzugsweise auch Antikoagulantienmonitoring und viskoelastische Meßmethoden.

(8) Für das perioperative Management der Anämie, der Fremdbluttransfuson, der Verordnung von Antithombotika, der Koagulopathie, der Anämietolreanz und das Volumentmanagement sollen interne Verfahrensanweisung /SOPs(standard operating procedures) vorzugsweise anhand der ESAIC Leitlinie erstellt werden.

(9) Die Blutverlustchirurgie erfordert Ausbildung und Training in PBM für das involvierte medizinische und nichtmedizinische Personal.

 

Insgesamt zwar lang, aber mit interessanten Details. Da kann man nur dankbar sein, dass sich hier Viele viel Mühe gegeben haben.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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