Flüssigkeitsmanagement im septischen Schock- CLOVER

Shapiro N et al. Early restrictive or liberal fluid management for sepsis-induced hypotension. N Engl J Med. 2023;388(6):499–510. doi: 10.1056/NEJMoa2212663

Eine Glaubensfrage ist es nicht, da wir ja bereits mit gut belegter Evidenz wissen, dass eine positive Flüssigkeitsbilanz dem Überleben des Patienten nicht förderlich ist. Und genau deshalb erscheint die liberale Volumengabe im septischen Schock mit einem weit gestellten Gefäßsystem nachteilig zu sein, wenn es auch die Möglichkeit gibt, unter dem Einsatz von Vasopressoren die positive Flüssigkeitsbilanz zu vermeiden.

Dennoch hatte eine Meta-Analyse von Hirano et al.  2019  keinen Unterschied feststellen können, ob viel Volumen oder wenig Volumen mit dem frühen EInsatz von Katecholaminen einen Unterschied fürs Überleben macht. Lag es daran, dass die Studienbedingungen und die eingeschlossenen 1500 Patienten aus mehreren RCTs zu heterogen waren? Dafür bräuchte es vermutlich ein homogenes Kollektiv in ähnlicher Zahl, einen eindeutigen Therapieunterschied zwischen den Interventionsgruppen mit einheitlichen Kriterien für viel oder wenig Volumen und dem Zeitpunkt. Und nun, seit Februar 2023 haben wir diese Forderungen erfüllt gefunden:

Zu viel Volumen im septischen Schock ist nicht schlechter als weniger Volumen mit frühem Einsatz von Noradrenalin.

Die amerikanische Multicenter-Studie CLOVERS (Crystalloid Liberal or Vasopressors Early Resuscitation in Sepsis) mit über 1500 eingeschlossenen Patienten war als Überlegenheitsstudie angelegt, d.h. sie sollte die Überlegenheit der restriktiven Volumen- aber frühen Katecholamingabe im septischen Schock erbringen.

Das konnte abermals nicht gezeigt werden. DIe Studie war insofern erfolgreich, als dass sie die Vorgabe der Gruppentrennung gut einhalten konnte: Die Experimentalgruppe erhielt nach den ersten 3 Litern innerhalb der ersten 24 h 2134 ml weniger Flüssigkeit als die Volumengruppe in engen Grenzen (95% Konfidenzinterval [CI], −2318 to −1949 ml). Die restriktive Studiengruppe erhielt in den ersten 6h ca. 1800ml weniger Volumen, aber früher Katecholamine (ca 1,4h früher(1,8 h vs. 3,2h nach Randomisierung) erhielt. Die liberale Gruppe erhielt seltener und später Katecholamine (36 vs 59%).

Bei gleicher Nebenwirkungsrate war die Mortalität innerhalb 90 Tagen gleich (14.9% in der Volumengruppe vs. 14.0% in der Experimentalgruppe (Differenz −0.9 %; 95% CI, −4.4 to 2.6; P=0.61). Damit war das primäre Studienziel nicht erreicht, die Nebenwirkungsrate war ebenfalls in beiden Gruppen vergleichbar. 

Was machen wir denn nun mit dieser datenbasierten Evidenz? Ist es jetzt egal, ob wir mit Volumen oder Katecholaminen therapieren? Das ist es vermutlich doch nicht, sondern der individuelle Fall sollte wohl die Entscheidungskriterien liefern. Dazu ist auch ein anderer ergänzender Artikel von Monnet et al. in Critical Care erschienen (Siehe die IAKH Rezension mit dem Link zum Artikel)

Das Studiendesign von CLOVERS ist in vielfältiger Wiese zu beachten. Interessant sind die im Studienprotokoll enthaltenen, aber nicht zur Entscheidungsfindung vorgeschriebenen Tests auf Hypovolämie wie Echokardiographie -Ventrikelfläche  enddiastol. < 5,5cm2/BSA, Sonographie -Cava-Weite < 5mm, SVI >30% nach PLR, Bolusbelastung oder PEEP-Manöver. Die Katecholamingabe meist im Schockraum (emergency department) wurde durch die im Protokoll erlaubte periphere Verabreichung anstatt durch den zentralen Venenkatheter früher als üblich ermöglicht. Die vorgeschrieben Therapie bezog sich lediglich auf die ersten 24 h, warum nicht länger? Der Einfluss der ersten Therapiestunden mag einen großen, aber nicht so entscheidenden Einfluss auf die Sterblichkeit haben. Und dann war die Studie natürlich nicht verblindet.

So wirft die Studie auch im Resultat viele Fragen auf. Komisch erscheint trotz hohem SOFA Score die niedrige 90-Tage-Mortalität der Patienten (14-15%) im Vergleich zum deutschen Durchschnitt (34-40%, z.B. Fleischmann-Struzek C et al. 2022). Die Patienten der Studie waren vielfach jüngere Patienten (Durchschnittsalter 59J) von außerhalb des Krankenhauses und hatten vermutlich "community acquired infections" und eine Begleithypotonie. Das kann sich natürlich  vom Kollektiv (nicht nur des deutschen) Krankenhauses mit schweren Begleiterkrankungen, nosokomialen Infekten und höherem Alter unterscheiden. Vorausgehende amerikanische Studien zu Theme Volumenersatz bei Sepsis wie die "CLASSIC"- Studie hatte nur Intensivpatienten (Durchschnittsalter 70J) eingeschlossen, die "CLASSIC II"- Studie Patienten die vorher operiert oder auf der peripheren Station waren.

Also insgesamt eine Studie, die uns trotz hoher Qualität wenig weiter bringt.

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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