Flüssigkeitsüberladung bei Kindern auf der PICU
Lintz VC et al. Fluid accumulation in critically ill children: a systematic review and meta-analysis. EClinicalMedicine 2024 Jul 3:74:102714. doi: 10.1016/j.eclinm.2024.102714.
I
In der Meta-Analyse der Autoren geht es ausschließlich um die Flüssigkeitsbilanz, beziehungsweise um eine Akkumulation oder Überladung des intravasalen Blutvolumens mit was auch immer- Elektrolytlösungen genauso wie mit Blut- und Plasmaprodukten. Die Messung der Bilanz aus Ein- und Ausfuhr stellt eine überall verfügbare, wenn auch nicht immer verfügbare Beurteilung der Flüssigkeitstherapie bei allen Intensivpatienten dar, die nicht selbst trinken und essen können. Sie betrifft mindestens ein Drittel der kritisch kranken Kinder.
Bekannt war von der letzten Meta-Analyse von Alobaidi et al. 2018, dass die überschießende Flüssigkeitstherapie zur erhöhten Mortalität, zum verlängerten Krankenhausaufenthalt und vermehrten Nierenversagen führt. Allerdings ist der Flüssigkeitsbedarf auch mit einer schwerwiegenden Erkrankung und vermehrten Komplikationen, Kreislaufinstabilität und Organversagen verbunden. Insofern, man kennt das Problem, ist die kausale Verknüpfung nicht eindeutig: Führt Flüssigkeitakkumulation zum schlechteren Outcome oder ist sie nur Anzeichen der schwereren Erkrankung und der schlechteren Prognose?
Es wurden zur erneuten Beantwortung der Frage 80 retrospektive Studien, 40 prospektive Kohorten, 2 Fallkontrollstudien und eine Zweitanalyse einer RCT (kontrollierten Studie) gefunden. Das Alter der knapp 45 000 Patienten reichte von 4 Monaten bis 11 Jahren in Studien zur Sepsis (12,5%), zur Herzchirurgie (13,3%), zum Nierenversagen und Ersatztherapie (25,8%), zu gemischt -chirurgischen Krankheitsbildern (16,6%) und ARDS (5,8%). Flüssigkeitsakkumulation (FA, von 3-20%) wurde meist als Prozentsatz (Flüssigkeitsbilanz geteilt durch das Aufnahmekörpergewicht) oder nur als Körpergewichtszunahme im Verlauf der Therapie erfasst.
Flüssigkeitsakkumulation (FA) erhöhte das Sterblichkeitsrisiko über das 4-fache [OR = 4.36 (95% CI, 3.53–5.38; p < 0.001], bei Kontrolle der möglichen Einflussfaktoren immer noch um das 3,9-fache. Wurden Studien zusammengefasst, die gleiche FA-Definitionen benutzten, erhöhte sich jedoch das Sterblichkeitsrisiko auf angehend das 9 -fache. Ein Anstieg der FA um 1% erhöhte die Mortlität um 6%. Früh vorhandene FA von 5 oder 10% nach den ersten 24h erhöhte das Mortalitätsrisiko um eine Odds Ratio von 7.93 und 8.77. FA verdoppelte das Risiko für Nierenversagen (genauer AKI, Acute kidney injury) assoziiert (OR = 1.98 [95% CI, 1.60–2.44]; p < 0.001; I2 = 76%; n = 47,577), verlängerte die Beatmungsdauer (mittlere Dauer WMD = 38.1 h [95% CI, 19.35–56.84]; p < 0.001; I2 = 84%; n = 1819) und den Aufenthalt auf der PICU (WMD = 2.29 days [95% CI, 1.19, 3.38]; p < 0.001; I2 = 75%; n = 2034).
Diese sehr klaren Ergebnisse mit guter Studienqualität und plausiblen Endzielen betonen den erheblichen EInfluss des Flüssgkeits- bzw. Volumenmanagements. Die Verwendung des Begriffs "Flüssigkeitsakkumulation" erscheint etwas präziser als "Fluid Overload" oder "Hypervolämie", da Extravasationen und Gewebsödeme auch bei intravasaler Normovolämie prognoserelevant sind, wie diese Studie zeigt. Dass die Erkrankungsschwere zu mehr FA führt ist unbestritten, aber auch nach Korrektur für diese EInflüsse blieb das Risiko zu Versterben durch FA erhöht. Je ausgeprägter die FA (10 oder 20%) bei Beginn der Nierenersatztherapie (RRT) war, desto höher war die Mortalität. Das könnte bedeuten, die RRT frühzeitig zu indizieren. Flüssigkeitschallenges zur Identifikation von intravasaler Hypovolämie waren in einigen Studien ebenso mit erhöhter Sterblichkeit verbunden.
Diese Meta-Analyse fusst auf Observationsstudien, da FA nicht randomisiert in RCTs untersucht werden kann. Weil FA ein Symptom der schweren Erkrankung ist, erschließen sich nicht zwingend Therapieempfehlungen wie restriktives Volumenmanagement oder zu liberaler Einsatz der RRT. Allein die Vermeidung leichtfertiger Flüssigkeitszufuhr ohne Not sowie ein sorgfältiges Monitoring der Flüssigkeitsbilanz sind aus dieser Analyse in den Klinikalltag einzubringen. Weitere Studien zu therapeutischen Möglichkeiten müssen folgen.
Für Sie gelesen von Th. Frietsch