Frauen werden häufiger transfundiert
Arya S et al Re-evaluating treatment thresholds in patient blood management: Female patients experience more perioperative anaemia and higher transfusion rates in major elective surgery. Vox Sang 2024 Oct;119(10):1090-1095. doi: 10.1111/vox.13717
Einen geschlechterangepassten Transfusionstrigger ist trotz einer bekannt unterschiedlichen Erythrozytenmasse der Geschlechter in den gängigen Leitlinien nicht empfohlen. Selbst die Orientierung am Hämoglobinspiegel von der WHO-Anämiedefinition weist unterschiedliche Grenzen für Männer und Frauen aus. Es ist zu befürchten, dass die undifferenzierte Angleichung der Transfusionsindikationen, die gleichen Konservenvolumina für beide Geschlechter zur Übertransfusion oder Unterversorgung des weiblichen Geschlechts führt.
Das haben kanadische Autoren nun in einer ihrer großen nationalen Datenbanken in Ontario recherchiert. Dort werden jährlich 400 000 Konserven transfundiert. In 25 Krankenhäusern in Ontario wurden von 2018 bis 2022 17 700 Patienten perioperativ in der Herzchirurgie und orthopädischem Gelenksersatzeingriffen transfundiert.
Unabhängig von der Eingriffsart (Bypass- oder Klappenchirurgie, Knie- oder Hüftprothetik) und konstant über die vierjährige Erhebungsdauer hatten weibliche Patienten niedrigere präoperative Hämoglobinspiegel, niedrigste Tiefpunkte im Verlauf und bei Entlassung. Das war auch ungeachtet der korrektiven Therapiebemühungen der Anämie (intravenöses Eisen, Erythropoetin, Vit B12 etc.). Weibliche Patienten bekamen mehr Eisen und EPO Behandlung perioperativ, erreichten aber nicht die gleichen Hämoglobinspiegel wie männliche Patienten vor den jeweiligen Eingriffen. Allerdings überschritt das Mittel aller Patientinnen die untere Grenze zur Anämie (für Frauen 12,0 bis 12,5 g/dl). Dennoch war die Transfusionsrate von Patientinnen gleichbleibend über die Jahre überall höher als die der männlichen Patienten, in der Herzchirurgie doppelt so hoch (speziell isolierte Klappenchirurgie 30.1% vs 17.6% (p < 0.001) (siehe Abbildung aus dem Orginalartikel in Vox Sanguinis)
Die Studie bestätigt die Nachbetrachtung von Hans Gombotz's "Benchmarkstudie" (Gombotz H et al.. Gender
disparities in red blood cell transfusion in elective surgery: a post hoc multicentre cohort study. BMJ Open. 2016;6:12210). Es ist einleuchtend, dass das Verhältnis des geringeren Blutvolumens des weiblichen Geschlechts zum Standard-Blutverlust für die jeweiligen Eingriffe eine relativ bedeutsamere Änderung bedeutet, was die höhere Transfusionsrate trotz gewissenhafter Vorbehandlung erklärt. Die für Frauen niedrigere Anämieschwelle benachteiligt sie im Falle einer Operation. Zusätzlich belegt diese sehr schöne retrospektive kanadische Arbeit eindrücklich die Untauglichkeit des Hämoglobinspiegels zur Beurteilung der Transfusionsbedürftigkeit. Die Berechnung der Erythrozytenmasse ist kein Hexenwerk und muss in Relation zum mittleren Blutverlust des vorgesehenen Eingriffs gebracht werden. Ein höherer präoperativer Hämoglobinspiegel wäre also für Patientinnen notwendig, wenn die Transfusionsrate die der Patienten angeglichen werden soll.
Die Autoren legen allerdings in ihrer Diskussion das Hauptaugenmerk auf die nicht geschlechtsspezifischen Transfusionstrigger. Sie diskutieren die geschlechtsgleiche Flüssigkeit und Primingtechnik der Herzlungenmaschine, und betonen die Notwendigkeit von geschlechtsspezifische Transfusionstriggern, um eine Übertransfusion der weiblichen Patienten zu vermeiden. Alle Verbesserungsmöglichkeiten sind es Wert, dass Ihnen nachgegangen wird- der Patientinnen zuliebe, der Blutreserven und der Präzision der Hämotherapie zuliebe aber auch.
Für Sie gelesen von Th. Frietsch