FROG-ICU - Mortalität durch Transfusionen auf Intensivstation

Blet A, McNeil JB, Josse J, et al. Association between in-ICU red blood cells transfusion and 1-year mortality in ICU survivors. Crit Care. 2022;26(1):307. Published 2022 Oct 7. doi:10.1186/s13054-022-04171-1

In der Intensivmedizin ist ein großer Konserveneinsatz üblich. Kritisch Kranke müssen mit meist erkrankungsbedingten Anämie und Gerinnungsstörungen aufgenommen werden. Eingriffe und Blutabnahmen führen zu weiteren Blutverlusten. Da sind Transfusionen in den meisten Fällen nicht verzichtbar oder nur schwer durch Alternativen ersetzbar.

Eine frühere prospektive Kohortenstudie (n=3534) zu diesem Thema von vor 20 Jahren (J.L. Vincent- Jama 2002, Anemia and blood transfusion in critically ill patients) hatte eine Beziehung von Transfusion und Kurzzeitsterblichkeit und Organversagen nachgewiesen. Nun ist es klar, dass diejenigen Patienten aufgrund der schwereren Anämie eine höhere Sterblichkeit haben und auch aufgrund der vermutlich schwereren Erkrankung. Solche Kausalitäten sind nur durch eine randomisierte Studie zu klären, was von vielen Ethikkommissionen nicht bewilligt würde. Die derzeit in solchen Situationen eingesetzte Methode des "Propensity Matching" funktioniert durch die Anpassung an bekannte Einflussfaktoren wie die Krankheitsschwere oder die Anämie für eine Zuordnung von sich ähnelnden Patienten/gruppen, hat aber ebenfalls Nachteile: Sie schließt eine ganze Reihe an Patienten von der Auswertung aus und kann unbekannte oder unberücksichtige Einflüsse nicht berücksichtigen. Für den Leser ist die Gewichtung und die Aufnahme von Einflussfaktoren oftmals nicht transparent.

Die veröffentlichte Studie analysierte konsekutiv die auf Intensivstation aufgenommenen und behandelte Patienten in Belgien und Frankreich von 2011-2013, die mindestens 24h beatmet werden mussten oder Katecholamine erhielten.  Erfasst wurden die verabreichten Blutprodukte, die Organersatzverfahren, Katecholaminbedarf ebenso wie SAPS Score, antikoagulanzien, Gerinnungsstöungen, bestimmte Laborparameter wie Hämoglobinwert (Hb) etc.   Von n= 2087 eingeschlossenen Patienten konnten n=1635 entlassen und n=1552 ausgewertet werden. Primär untersucht werden sollte die Beziehung zwischen Erythrozyten-Transfusionen und der 1-Jahres-Sterblichkeit als erhöhtes Sterberisiko (HR) und der Reduktion der Lebenszeit nach Entlassung (restricted mean survival time (RMST)) der Transfundierten im Vergleich zu den Nicht-transfundierten. Der angewendete Propensity Score umfasste 40 Kriterien, parametrische und nicht-parametrische Werte und korrigierte für fehlende Daten.

Die Transfundierten waren im Schnitt 3 Jahre älter (63J), mittelschwer erkrankt (SAPS-II 46(34-60), nicht moribund (Charlson 1(0-2). Die durchschnittliche Sterblichkeit war 20% nach einem Jahr. Transfundiert im Rahmen der Intensivtherapie wurden 16% und mehrfach mit verschiedenen Blutprodukten 42% der Kranken mit im Schnitt 4 Konserven (2-7). Die Krankenhausverweildauer der Transfundierten war 6 Tage länger als der der Nicht-transfundierten (Im Mittel 12 Tage).

Je nach dem, ob alle Patienten oder nur die Lebend-Entlassenen einberechnet wurde, betrug das unkorrigierte Risiko zu Versterben 74% (HR 1,74 (95% CI 1,55-2,02)), alle) oder 78% (HR 1,78 (95% CI 1,45-2,16)), überlebend entlassen). Wurde für die Einflussfaktoren korrigiert, reduzierte sich das Risiko auf 12% (HR 1,12 (95% CI 1,03-1,25), alle)  bzw. 21% ( HR 1,21 (95% CI 1,06-1,46), lebend entlassen). Transfusion reduzierte die Lebenszeit nach Entlassung unkorrigiert 30 Tage (RMST −30, 95% CI−42 bis −18 Tage) und korrigiert um 16 Tage (RMST -16, 95% CI−28 bis−3 Tage). Der erfasste Transfusionstrigger war eher im liberalen Bereich (>8g/dl).

Die Effekte der Transfusion waren für alle Patientengruppen inklusive die Polytraumata und die im hämorrhagischen Schock.

Das Ergebnis ist konsistent mit anderen Beobachtungen niedrigen Evidenzgrades wie die Folgen von Transfusion bei Zeugen Jehovahs (besseres Überleben nach Intensiv nach 1 Jahr und gleich nach 20 Monaten). Auch die Vergleichsstudien von restriktiven zu liberalen Triggern berichten ein vergleichbares oder besseres Überleben der weniger Transfundierten. 

Klar, eigentlich brauchen wir die kontrollierten und randomisierten Vergleich, das in Anbetracht dieser Studien dann vielleicht doch ethisch vertretbar wird. Und ein weiterer Aspekt dieser Studie ist mehr als beachtenswert: Die Transfusionstrigger waren nicht so restriktiv wie sie hätten sein können. Zumindest das müssen wir Kliniker umsetzen.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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