Funktioneller Eisenmangel mit oder ohne Anämie - was macht den Unterschied?

Tonino RPB et al. Prevalence of iron deficiency and red blood cell transfusions in surgical patients. Vox Sang 2021 Aug 24. doi: 10.1111/vox.13194.

In einer retrospektiven Studie haben jetzt die Autoren aus mehreren Zentren in den Niederlanden Daten aus einem Jahr 2016/17 zum perioperativen Eisenstatus an einem der Zentren in Den Haag untersucht. In Holland ist es genauso wenig wie bei uns üblich und etabliert vor einer größeren Operation den Eisenstatus zu bestimmen.

Die Autoren glauben von der Diffenzierung des Eisenmangels die Unterscheidung ableiten zu können, ob eine parenterale oder enterale Substitution therapeutisch effektiv sein könnte. Die Diagnostik kann zwischen einem funktionellen Eisenmangel durch Verwertungsstörung (verringerte enterale Aufnahme, Verbrauch im Rahmen einer chronischen Entzündung) und einem absoluten Eisenmangel (Blutverlust oder mangelnder Aufnahme) unterscheiden.

Ziel der retrograden Datenanalyse war es, erst einmal die Prävalenz des Eisenmangels und der Eisenmangelanämie festzustellen. Weiterhin sollte eine Korrelation der Art des Eisenmangels - funktionell oder absolut - mit dem Transfusionsbedarf bestimmt werden. So sollte eine Voraussage getroffen werden können, ob eine Therapie überhaupt effektiv zur Verbesserung des Outcomes beitragen könne.

Von n=2711 im Untersuchungszeitraum von 1 Jahr behandelten Patienten hatten n=618 (22.8%) einen präoperativen Eisenmangel (= Transferrinsättigung [TSAT] <16%) und ein Drittel davon eine Anämie (32,4%), davon 54.9% mit absolutem und 23.6% mit funktionellem Eisenmangel). Von der gesamten Kohorte hatten n=173 (6.4%) einen absoluten Mangel, definiert durch eine TSAT <16% und einen Ferritinspiegel <30 μg/L während bei n=445 (16.4%) ein funktioneller oder gemischter Eisenmangel (TSAT <16% und Ferritin ≥ 30 μg/L) festzustellen war.

Die Autoren haben die Daten bezogen auf den Hämoglobinspiegel (Hb) korrigiert und zum Transfusionsbedarf in Bezug gesetzt. Nicht weiter überraschend wurden Patienten mit einer präoperativen Eisenmangelanämie 4-fach mehr Konserven transfundiert als ohne (p=0.026).

Überraschenderweise war der Anteil der Patienten mit absolutem Eisenmangel ohne Anämie nicht öfter transfundiert worden als Patienten ohne Eisenmangel (7.5% Anteil der Transfundierten; p=0.12 nach Korrektur für den Hb). Patienten mit funktionellem oder gemischtem Eisenmangel bekamen im Gegensatz mehr Blutübertragungen als Patienten ohne Eisenmangel (6.1% vs. 1.7%; p=0.021).

Da die Gruppen mit funktionellem und absolutem Eisenmangel ungleich gewichtet (n=445 vs. n=173) waren und die Patienten ohne Anämie einen nicht-signifikanten Trend zum vermehrten Transfusionsbedarf aufwiesen, liegt eventuell ein Problem bei der ungenügend großen Beobachtungszahl - sprich die Studie war vermutlich unterpowert. Es erscheint nicht sehr plausibel, dass Patienten mit Eisenmangel ohne Anämie keinen höheren Transfusionsbedarf haben können, im Vergleich zu nicht-anämischen nicht an Eisenmangel leidenden Patienten.

Aber wenn das so ist und sich das bestätigt, sollten wir in Zukunft, ähnlich des italienischen Studiendesigns funktionelle und absolute Eisenmangelzustände unterscheiden.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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