Gibt es noch Indikationen zur Transfusion von Plasma?

Von Heymann C et al. Indications for the Use of Therapeutic Plasma in Adult Patients. Transfus Med Hemother 14. Dec 2022 DOI: 10.1159/000528136

Insgesamt wurden 2020 in Deutschland noch ca. 630 000 Einheiten an therapeutischem Plasma (TP) transfundiert. Die Logik sagt uns, Gerinnungskonzentrate sind der Effektivität der regulären Plasmatransfusion überlegen. Ausnahmenn könnten aber Massivtransfusionen sein, in denen gleichzeitig langfristig im Gefäßbett verbleibendes Volumen UND Gerinnungsaktivität gefragt ist. Vergleichende Studien dazu sind als randomisierte kontrollierte RCTs spärlich. 

Im Übersichtsartikel zum aktuellen Evidenzgrad für Anwendungen der Plasmaprodukte (Eingangs des Artikels wird eine Übersicht, Herstellung, Charakterisitk und Lagerfähigkeit über die in Deutschland erhältlichen TP-Präparate gegeben: Einzelspender(Quarantäne-) oder Poolplasma mit Pathogenreduktion und lyophilisiertes Plasma wird die Evidenzlage und die Daten der dazu publizierten RCTs einzeln aufgeführt und in ihrer Bedeutung für die Leitlinie interpretiert. Da der schöne Artikel leider in englisch geschrieben ist, haben wir ihn hier in Auszügen für Sie zusammengefasst.

Generell ist TP indiziert bei akut auftretenden Blutverlusten und dem damit verbundenen Verlust an Gerinnungsfaktoren bei Trauma oder Operation, um Gerinnungsstörungen zu verhindern. Darüberhinaus bestehen berechtigte Indikationen bei Gerinnungsfaktordefiziten, die nicht anders auszugleichen sind (wie Faktor V oder XI) und zum Plasma-Austausch bei Erkrankungen wie TTP (thrombotisch- thrombozytopenische Purpura).

Massiver Blutverlust: Die Effektivität von TP zur Steigerung der Gerinnungsaktivität  in Situationen mit massivem Blutverlust ist begrenzt: Im Durchschnitt eine Steigerung von 10-12% bei einer Dosis von 15ml/kg Körpergewicht, um 25-35% bei 33,5ml/kg KG ohne signifikante Steigerung von Fibrinogen. Die damit verbundene Dosierungsempfehlung geht mit zweistelligen Konservenzahlen, großen Infusionsvolumina, dem damit verbundenen Risiko der Volumenüberladung und eine aufwendige Logistik einher. Die dabei notwendige Diagnostik von Kreislauf und Volumen als auch zur Steuerung der Gerinnungsaktivität und Kontrolle der Calciumspiegel soll beachtet werden. Gerinnungsfaktorkonzentrate erscheinen in dieser Situation effektiver zum Ausgleich der Gerinnungsdefizite und vermindern das Risiko an Volumenüberladung. TP wird in den Querschnittsleitlinien der BÄK von 2020 deshalb nur zum "Ersatz von verlorenem Plasmavolumen" empfohlen.

Die Massivtransfusions-Algorithmen mit festen Therapieschemen ( z.B. EK/TP 1:2, EK/TK/TP 1:1:1, etc.) sind wegen der Gefahr, den Verdünnungseffekt auf die Gerinnungsfaktoren (Fibrinogen, Faktoren V und IX) zu unterschätzen, nur bedingt geeignet, die Koagulopathie bei massivem Blutverlust zu korrigieren. Sie sind zwar mit einer 1C Empfehlung bei einem initialen unkontrollierten Verlust von Gerinnungsaktivität empfohlen, sollte aber als initiale Notfalltherapie von der Gabe von Konzentraten ergänzt werden. Bei gestoppter Blutung sind weder Konzentrate noch TP empfohlen. Eine Prophylaxe mit TP vor EIngriffen bei abnormen Laborparametern oder Bypasschirurgie ist nicht empfohlen.

Chronische Lebererkrankung: Diese Patienten weisen durch kompensatorische Steigerung prokoagulatorischer und Reduktion hemmender Faktoren (wie AMTS13) oft eine normale Blutungsneigung, aber eine erhöhte Thromboseneigung auf. Deshalb sind die Routineparameter aPTT, Quick/INR, Thrombozytenzahl anders an die klinische Blutungsneigung pathologisch. Eine präventive Korrektur bei pathologischen Werten ist beim nicht-blutenden Patienten mit Leberinsuffizienz nicht indiziert, mit der Ausnahme vor der Ventrikeldrainage/Hirndrucksonde gemäß der EASL -Empfehlung. Die Empfehlungen zur Anwendung von TP beim blutenden Patienten mit chron. Lebererkrankung sind von schwacher Evidenz (2C) und nur auf die aktive Blutung begrenzt.

Disseminierte intravasale Gerinnung DIC/septischer Schock: Dieses kombinierte Krankheitsbild betrifft in Deutschland ca. 200 000 Patienten pro Jahr. Nach der chirurgischen Sanierung und der Antikoagulation zur Thrombosevermeidung kannn eine Blutungsneigung entstehen. In Anlehnung an andere internationale Leitlinien kann (2C) hier die Anwendung von TP indiziert sein, wenn die Gerinnungsparameter aPTT u. Quick/INR verlängert sind (> 1,5 fach) und der Fibrinogenspiegel erniedrigt (< 1,5 mg/dl) UND eine aktive Blutung besteht.

Plasmaaustausch bei TTP: Der Plasma-Austausch bei der erworbenen Form mit 40-60ml/kg pro Tag eliminiert die AMTS13-Antikörper, restituiert die Protease zur Spaltung von Von-Willebrand- Multimeren, stabilisiert die Thrombozytenzahlen über 100 000/µl und senkt die sonst 90%ige Mortalität auf noch 10%. Bei der kongentitalen Form sind 5-10ml/2-3 Wochen ausreichend. Ein neuer bivalenter mononukleärer Antikörper Caplacizumab bindet an den von Willbrand Faktor und verhindert Mikrothrombosen. Er scheint die Austauschfrequenz und andere Outcomeparameter positiv zu beeinflussen.

Faktor V und XI-Mangel: Faktor V: Dieser seltene angeborene Gerinnungsfaktordefekt ist nur bei einer Restaktivität von F V 0,1 IE/ml deutlich symptomatisch, die milden heterozygoten Formen sind oftmals asymtomatisch. Da es keine Einzel-Faktorenkonzentrate in Deutschland gibt und bei niedrigen Aktivitäten eine deutliche Blutungsneigung existiert gibt es schwach belegte, aber eindeutige Empfehlungen (2C) für die TP-Transfusion vor größeren Eingriffen von 15– 20 ml/kg um Plasmaaktivitäten von 15–20% zu erhalten. Bei anhaltender Blutung ist die Wiederholdung nach 12h indiziert, bei Versagen der Therapie legen Fallberichte die erfolgreiche Transfusion von Thrombozytenkonzentraten oder die Verabreichung von aktiviertem Faktor VII nahe. Faktor XI: Bei diesem Defekt ist die messbare Plasmaaktivität nur ungenau mit der Blutungsneigung korrelierend. Die Unterscheidung von schweren Mangelformen unter 5% (oder 0,5 IE/ml) von milden Formen unter 20% Aktivität im Plasma ist deshalb nicht therapierelevant. Es gibt ein Faktorenkonzentrat für F XI in Großbritannien, aber nicht in Deutschland zugelassen (wenn dann in einer Dosis 10-15 IE/KG unter möglicherweise erhöhter Thromboemboliegefahr). Empfohlen (1C+) ist deshalb die TP-Transfusion von 20ml/kg bei beiden Formen nach erfolgloser Gabe von Tranexamsäure o. DDAVP und lokaler Blutstillung.

Wir sehen, es gibt noch Indikationen, aber deutlich weniger als früher. Wichtig erscheint die Empfehlung zum Monitoring von Volumen und Gerinnungsaktivität.

Karger

Free Access

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

Zurück