Maschinelle Autotransfusion - eine unbefriedigende Übersicht

Seyfried T et Hansen E. Maschinelle Autotransfusion. Wissenschaftliche Evidenz, klinische Praxis und rechtliche Rahmenbedingungen.Anaesthesist 2019 Jan 29. doi: 10.1007/s00101-018-0529-z. [Epub ahead of print

In der Einleitung wird der Stellenwert der maschinellen Autotransfusion (MAT) im Konzept des "Patient Blood Management" Konzepts (PBM) als effektivste Maßnahme der ersten Evidenzklasse gelobt. Das ist für den klinischen Anwender einerseits bisher zwar plausibel, aber noch nie gut mit Evidenz belegt. Außerdem besteht das PBM in vielen Häusern hauptsächlich und alleinig aus der MAT. In Einrichtungen, in denen andere Maßnahmen wie die Anämietherapie präoperativ gut geregelt ist und die Chirurgen blutsparende Techniken einsetzen, kommt auch die MAT immer weniger zum Einsatz und gerät in Vergessenheit. So ist man dann auch auf die Ausführungen zur Evidenz als auch zur klinischen Praxis in diesem Artikel gespannt.

Eingangs werden die Anwendungen der MAT in Deutschland angegeben, die man zweifelnd als Schätzung von 160 000 pro Jahr in Deutschland hinnehmen muss. Hansen und Seyfried zitieren sich dabei selbst mit einer Publikation aus 2011. Die Zahl der Anwendungen ist seit damals deutlich geringer geworde. Genaue Daten zu erheben ist aber schwierig, wenn nicht unmöglich.

Die Tabelle zur Evidenz ist gelungen. Sie führt die Anwendungsgebiete auf, die Einsparungen im Transfusionsbedarf, die nicht signifikanten Ergebnisse für die Beeinflussung der Mortalität und Krankenhausverweildauer. Allerdings sind die unterschiedlichen Meta-Analysen mit mehr oder weniger denselben Orginalstudien. Die erste Evidenzklasse erschließt sich aber nicht daraus. Zumal "nur" die Reduktion des Transfusionsbedarfs übereinstimmend resultiert.

Die Vorzüge der MAT in der Orthopädie, Massivtransfusion und und Herzchirurgie sind gut ausgeführt und unumstritten. Das Waschen von allogenen Erythrozytenkonzentraten mittels MAT ist zwar eine sehr spezielle Anwendung, aber ein guter Tip und einfach durchzuführen. Ob das Waschen eine Herstellungserlaubnis erfordert oder unter die Anzeigepflicht fällt, wird nicht geklärt.Das Waschen von HLM Blut wird nicht erwähnt.

Die Probleme der MAT in der Kinderchirurgie sind erwähnend dargestellt. Allerdings könnte man sich auf diesem Gebiet ein praktisches und anschauliches Beispiel zu den Besonderheiten der kleinen Volumina vorstellen, die auch den Lesern ohne Erfahrungen im kinderchirurgischen Bereich die Herausforderungen veranschaulicht. 

MAT in der Geburtshilfe wird von den Autoren kritisch und als individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung beurteilt. Nur eine "Kann-Empfehlung" bei einer Placenta praevia-auszusprechen, erscheint mir zu vorsichtig, solange es keinen einzigen Bericht einer Fruchtwasserembolie in Zusammenhang mit MAT gibt. Der Einsatz in der Geburtshilfe ist für viele junge Mütter sehr wichtig und lebensrettend. Er sollte nicht unkritisch empfohlen, aber eher ermutigt werden.

Beim Einsatz der MAT zur Tumorchirurgie wird nicht klar zwischen eigenen experimentellen Ergebnissen der Regensburger Autorengruppe und empirischen internationalen Outcome-Studien unterschieden. Letztere haben in Übereinklang zu internationalen Richtlinien den Einsatz der MAT ohne Auswirkungen auf Rezidivrate und Überlebenszeit unkritisch beurteilt. Deshalb ist der Hinweis der Autorengruppe auf die in der Hämotherapie Richtlinie 2017 vorgeschriebene Bestrahlung des Wundblutes unbefriedigend. Die Diskrepanz wird nicht schlüssig erklärt, sondern es wird spekuliert, dass positive Outcome-Effekte des autologen Blutes in diesem Einsatz untergehen, wenn Tumorzellen nicht komplett eliminiert würden (was auch die Bestrahlung nicht kann). Es erscheint einfach, im Geiste der Autoren einer Uni-Klinik, die sich als Maximalversorger die Technik der Bestrahlung verfügbar machen kann, einfach nur zu betonen, dass die Richtlinie auf Grund von experimentellen in vitro-Befunden und theoretischen Erwägungen den MAT-Einsatz nicht empfiehlt. Für die Leser, die die Wichtigkeit der MAT in diesem Einsatz ebenso einschätzen, aber sich trotz der fehlenden Hinweise zur Patientenschädigung aus internationalen Studien dieser Methode nicht bedienen sollen, sind diese Ausführungen frustrierend. 

Tips zur klinischen Praxis stellen nur einen kleinen Teil des Artikels. Wichtig und richtig finden das strategisch wichtige Stand-By-Sammeln ebenso Erwähnung wie das gelegentlich auftauchende Problem der Antikoagulation des Reservoirs bei Heparin-induzierter-Thrombopenie (HIT 2). Allerdings ist an diesem Teil einiges zu kritisieren:

  • Anwenderfehler und Einsätze in der Geburtshilfe führen laut Shot-Report zu einer Komplikationsrate von 0.066%. Beides wird in einen Topf geworfen und als vernachlässigbar befunden. Gerade Anwenderfehler müssten als Systemmängel vermeidbar sein. Nur auf Schulungen der Anwender zu verweisen, erscheint angesichts der großen Anzahl von Fehlerberichten im IAKH Fehlerregister unzureichend. Eine Weiterentwicklung zu mehr Sicherheit zusammen mit den Herstellern sollte gefordert und verfolgt werden. 
  • Geräteseitige Luftdetektoren sind zur Vermeidung von Luftembolien erwähnt. Aber der Einsatz der Geräte bei Massivtransfusion, bei der gleichzeitig aufbereitet und retransfundiert werden muss, ist laut MPG-Klasse nicht erlaubt. Dies findet keine Erwähnung.  Die liberale Indikationsstellung zur Retransfusion wird empfohlen und begründet, auch wenn sie im Widerspruch zur Richtlinie Hämotherapie steht. 
  • Leukozytendepletionsfilter werden im Ausland zum MAT-Einsatz in Geburtshilfe und Tumorchirurgie empfohlen (Europäische ESA-Leitlinie, Englische UK-Guideline, Amerikanische AST-Guideline). Die Blutdruckabfälle durch Mediatorenfreisetzung aus Leukozyten beim Einsatz dieser Filter sind den Autoren wohl Grund genug, diese Filter abzulehnen. Mit Hypotonie nach bettseitigen Leukozytendepletionsfiltern ist vor allem bei Verwendung von Filtern spezieller Hersteller und älterer Bauart zusammen mit "Druckinfusion" zu rechnen. Wir sehen keine Probleme bei langsam tropfender Transfusion. Die Empfehlung gegen den Gebrauch der Filter erscheint vor allem für Einrichtungen schwierig umzusetzen, die ontologische und geburtshilfliche Einsätze hätten, die Hürden der Herstellungserlaubnis und der Etablierung der Bestrahlungsmöglichkeit als Alternative nicht nehmen können.
  • Die Patienten aus der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovah tauchen in diesem Artikel nur kurz erwähnt auf. Als Patientengruppe, die erheblich von der Rückführung in geschlossenem Kreislauf profitieren könnte, könnte eine Darstellung des Einsatzes im Einklang mit der Auslegung ihres Glaubens Einfluss auf die Akzeptanz haben. Diese Chance wurde verpasst.

In den Ausführungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen meinen die Autoren, dass

  • die vorgeschriebene unmittelbare fachliche Verantwortung des anwendenden Arztes bei einem Patienten im Falle eines Arztwechsels unproblematisch ist, das die durchführende Abteilung bzw. der leitende Arzt gemeint sei. Das steht nach meiner Lesart nicht in der Richtlinie.
  • Zur Kontraindikation "Tumoroperation" wird ausgeführt, dass die Verwendung von Leukozytendepletionsfilter nicht von der Richtlinienformulierung gedeckt sei.
  • Zum Thema Qualitätskontrolle zur Plasma- und Eiweisseliminationsrate wird behauptet, dass Entnahmesets von den Herstellern zu Verfügung stünden. Das ist aber derzeit noch nicht von allen Herstellern der Fall. Es werden Tips zum korrekten Entnahmezeitpunkt und -technik gegeben. Quellenangaben zur Sinnhaftigkeit und Korrektheit stammen alle aus Artikeln der Autorengruppe. Demnach muss sie auch diesen Abschnitt mit dem Statement beschließen: "Die geforderten Qualitätskontrollen ... sind praktikabel. Durch sie kann die MAT effektiv und nützlich weiterhin angewendet werden." Nicht überzeugend, auch wenn die Erfinder der Methode das schreiben, die Zweifel an Korrektheit und Praktikabilität bleiben, siehe Forumbeiträge.

Gut finden wir die Empfehlung der großzügigeren Re- Transfusion von gewaschenem MAT-Blut. Die klinisch/praktischen Fragen, die daraus erwachsen, suchen wir aber vergeblich in der Diskussion: Warum wasche ich und wann? Erwarte ich anschließend noch weiteren Blutverlust? Wie hoch ist mein individueller Hämoglobin-Zielwert? Kann es durch primären Volumenersatz und spätere MAT-Retransfusion zur Volumenüberladung kommen? Gibt es kein TACO (Transfusion-associated Circulatory Overload) mit MAT?

Lesen Sie selbst und bilden Sie ihr eigenes Urteil. Wünschenswert wäre eine kritische und korrekte Auseinandersetzung mit der wichtigen Technik der Einsatz gewesen. Die Vorzüge der MAT sind unumstritten, die Autoren neigen darüberhinaus dazu, einzelne Aspekte zu wohlmeinend oder zu unkritisch zu bewerten, andere Aspekte werden zu kategorisch als unzulässig qualifiziert.

MAT ermöglicht als einfache Technik auch die Anwendung an kleinen und mittleren Häusern. Damit ist es im Interesse vieler Anwender und aller Patienten, dass diese Technik sicher und einfach ist. Die Anwenderfehler sollten nicht unter den Tisch gekehrt werden, sondern zum Anlass genommen werden, regelmäßige Schulungen als auch den didaktisch motivierten Einsatz ebenso wie die anwendergesteuerte Geräteweiterentwicklung zu unterstützen. 

Pubmed

Für Sie gelesen von K. Gürtler und Th. Frietsch

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