Hämotherapieleitlinien in der Herzchirurgie: Ergebnisse einer Umfrage in USA und Canada

Likowsky et al: Effect of the perioperative blood transfusion and blood conservation in cardiac surgery clinical practice guidelines of the Society of Thoracic Surgeons .....Anesth Analg 2010; 111(2):316-323

Wie konsequent werden Leitlinien in der Hämotherapie umgesetzt?

Die in den USA und Canada im Jahre 2007 von den Berufsgesellschaften der Herzchirurgie und -anästhesisten in Canada und USA veröffentlichten Leitlinien für die Hämotherapie („perioperative blood transfusion and blood conservation“) sind jetzt mittels einer Umfrage auf ihre Umsetzung und Durchdringung der Praxis überprüft worden.

In den Leitlinien 2007 waren evidenzbasierte Erkenntnisse in praktische Handlungsempfehlungen unter Angabe der zugrunde liegenden Datenlage aufgeführt. Es war zu erwarten, dass diese Leitlinien das klinische Handeln im Sinne einer verbesserten klinischen Hämotherapie von Anästhesisten, Chirurgen und Kardiotechnikern wesentlich unterstützen.

Diese Erwartung hat sich nun als voreilig oder unbeantwortet herausgestellt: Bei der Überprüfung, wie sehr sich die klinische Hämotherapie geändert hat, sind die Autoren der Umfrage gezwungen gewesen zu berichten, dass sich nur wenig verändert hatte. Manche Empfehlungen der Leitlinien waren in weniger der Hälfte aller antwortenden Institutionen praktiziert worden. Obwohl beinahe 80% der Kliniker die Leitlinien ganz oder in Auszügen gelesen hatten, führten sie selten zu institutionellen Übernahmen in SOPs oder Dienstanweisungen. Die empfohlene  Einrichtung einer „monitoring group“ wurde in max. 10% der Antworten umgesetzt, nur dort aber auch traten wesentliche Veränderungen der klinischen Praxis auf. Nur wenige Leitlinienempfehlungen wurden von mehr als 75% umgesetzt-die Routine-Verwendung des Cell Savers und die Routine-Rückgabe des Maschinenblutes, der Einsatz von Antifibrinolytika, und das präoperative Absetzen von allen Plättchenaggregationshemmern (außer Acetylsalicylsäure). Hinsichtlich sonstiger Praktiken wie Anästhesie, präoperatives Laborscreening, chirurgische Techniken, eingesetzte Pharmaka und extrakoporaler Perfusion bestanden große Variationen. Selten genutzt wurden off-pump-Bypasschirurgie, Erythropoetin und DDAVP, Point-of- Care-Diagnostik, niedrigere Heparindosen und ACT-Grenzwerte, Routine-Transfusion von gewaschenem Mediastinalblut. Allerdings wurde ein höherer Hämoglobinwert als Transfusionstrigger auch seltener eingesetzt. 

Die Autoren diskutierten, dass die Existenz von Leitlinien alleine nicht zur Veränderung der Praxis führt. Ohne die Implementationshilfen- wiederholte Aufrufe und Demonstration der Vorzüge, Fortbildungen, kollegialer Diskurs bis hin zum institutionellen Benchmarking findet die Umsetzung in der Praxis sehr zögerlich statt. Günstige Faktoren für die verbesserte Umsetzung seien die eindeutige Evidenz für oder gegen eine Maßnahme, das Gewicht und die Aktivität der empfehlenden Gesellschaft (Die American Herat Association hat sogar ein spezielles Programm gegründet: das AHA “Get with the Guidelines” Programm) und die Autorität der Führungskräfte in einer Institution. 

Im Vergleich dazu haben wir in Deutschland die strukturellen Voraussetzungen, die die Implementation unserer Leit- und Richtlinien begünstigen- die Transfusionskommissionen, die -beauftragten und verantwortlichen und vor allem die Qualitätsbeauftragten. Sind wir bei uns also schneller im Umsetzen? Der geneigte Leser möge die Aktivität seiner Hämotherapiebeauftragten mit dem Grad der Umsetzung der Richtlinien korrelieren- stimmts? Kommentare gerne an iakh@iakh.de

T. Frietsch, Marburg

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