"IAKH Hemotherapy Slam" Quartal 1+2-2023

12.02.23 Fuchizaki A et al. A novel quantitative method to evaluate the contribution of
platelet products to white thrombus formation in reconstituted
blood under flow conditions. Vox Sang 2023.DOI: 10.1111/vox.13414
Labortest zum neuen zirkulationsnahen Thrombozytenfunktionstest T-TA (Total
Thrombusformation Analysis System, Fujimori Kogyo, Tokyo, Japan) unter Shearstress/Flussbedingungen - einer in-vivo-Simulation im FlowCHip
Das System testet die Thrombozytenfunktion in einem artifiziellen "Shear-Stress-Chip" aus Kollagen und Thromboplastin unter Zugabe von Erythrozyten und Standardplasma. Die Korrelation der meisten Meßergebnisse zur Thrombozytenzahl ist erstaunlich gut. Es ist zu hinterfragen, ob wir zusätzlich zur Standard-Aggregometrie, Impedanz basiertem Multiplate, Rotem-Platelet, VerifyNow, PFA noch eine weitere Diagnostik brauchen, zumal die Korrelation zur Thrombozytenzahl ja doch erstaunlich gut ist.
15.02.23 Xu X et al. Association between perioperative plasma transfusion and in-hospital mortality in patients undergoing surgeries without massive transfusion: A nationwide retrospective cohort study.
Front Med (Lausanne)
2023 Feb 15;10:1130359.
doi: 10.3389/fmed.2023.1130359. Pubmed: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36873874/ Free access: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9975265/
Chinesische nationale retrsopektive Datenbankrecherche über die Mortalität im Krankenhaus nach dem perioperativen Einsatz von Plasma bei ca n= 70 000 nicht massiv blutenden Patienten von 2016-2018 (vor Covid). Achtung:Massivblutende und Patienten mit angeborenen Gerinnungsstörungen waren ausgeschlossen. jede 100 ml Plasma (FFP) war mit einem Anstieg der Mortalität um 5% verbunden (odds ratio 1.05, 95% confidence interval 1.04–1.06, p < 0.001) verbunden ! Ebenso waren mit der Plasmatransfusion verbundene Outcomes pberflächliche Wundinfekte, ein verlängerter Krankenhausaufenthalt und längere Beatmungsdauer sowie ARDS (sekundäre Studienziele als Inzidenz). Der eindeutige Beweis , dass wir bei stabilen nicht blutenden Patienten ohne Koagulopathie mit Plasmatransfusion Schaden anrichten!
28.04.23 Mello Pavao D et al. Predictive and protective factors for allogenic blood transfusion in total knee arthroplasty. A retrospective cohort study. J Orthop 2023 Apr 21;40:29-33. doi:10.1016/j.jor.2023.04.015. eCollection 2023 Jun.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37159823/
Retrospektive Studie mit n=1028 zu den Risikofaktoren für eine Transfusion nach Knieendoprothetik in Brasilien Es sind die gleichen Risikofaktoren wie bei uns: Weibliches Geschlecht (OR 1,6), Alter >55 (OR 2), ASA III (OR 3 ), präoperativer Hämoglobinwert (?), posttraumatischen. Arthritis (OR 4) und Verwendung von Drainagen (OR 1,8). Beachtlich nur eine nicht signifikantes Mehr an Transfusionen mit der Verwendung der Blutsperre (OR 1,18) und ein signifikant wesentlich weniger mit der Intravenösen Applikation von Tranexamsäure (OR 0,4). Leider wurde der Faktor präop. Anämie nicht getestet. Eine nur mäßig aktuelle Neuinformation, aber beachtlich, weil in Brasilien ohne Unterschied zu Deutschland.
05.05.23: Dhiman P et al. Systematic review highlights high risk of bias of clinical
prediction models for blood transfusion in patients undergoing elective surgery, Journal of Clinical Epidemiology (2023), doi:10.1016/j.jclinepi.2023.05.002.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37156342/
Systematische Literaturübersicht und Meta-Analyse zu Voraussage-Scores von Transfusionswahrscheinlichkeiten in der elektiven Chirurgie (n=66 Studien und 120 Modelle). Die Studien und Modelle sind hinsichtlich Verallgemeinerung untauglich: Zu sehr abhängig von den lokalen Gegebenheiten (zumeist monozentrisch), hinsichtlich der nicht existierenden oder ungenügenden internen wie externen Validierung,der ausgewählten Parameter (im Median 20 zu einer Anzahl von 6 Prädiktoren für den Score), der binären Erfassung (EK ja/nein) etc. Die meistverwendeten Prädiktoren waren Hämoglobinkonzentration, Alter und Eingriffsart. Die 8 verlässlichsten, validierten Modelle für Allgemeinchirurgie, Gefäß- und Thoraxchirurgie wie für Wirbelsäulenchirurgie ergaben moderate bis gute Diskriminationsfähigkeit mit Schätzwerten der Varianz von 0,67 bis 0,78. Die Bedeutung dieser Analyse ist einem sofort klar: Obwohl es sehr von lokalen Faktoren abhängt, ob wir bei elektiven Eingriffen Transfusionen vorbereiten oder vorher auch vermeiden können, ist die bisherige Datenlage und Evidenzgrundlage durch mangelnde Einhaltung von Formalien und Universalität extrem schlecht. Das betrifft ein eigentlich gut planbares und ergründbares Thema- das der elektiven Chirurgie. Mit dem Versorgungsengpass und den Möglichkeiten, den Transfusionsbedarf in vielen Fällen zu minimieren, sollte das besser geregelt sein.
02.05.23: Hall C et al. Hypocalcemia in Trauma is Determined by the Number of Units Transfused, Not Whole Blood Versus Component Therapy. J Surg Res 2023 May 4;289:220-228.
doi: 10.1016/j.jss.2023.03.043
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37148855/
Retrospektive Analyse (n= 223 (107vs116), Mitte. Alter 45J, ISS 23) in einem amerikanischen Traumazentrum (OHSU) zur Inzidenz von Hypokalzämie und dadurch verursachte Mortalitätssteigerung durch den Einsatz von Vollblut im Vergleich zu Vollblut zusammen mit anderen Komponenten Von den ausschließlich mit Vollblut behandelten schwerverletzten Polytrauma-Patienten bekamen lediglich ca 60% mehr als eine Konserve, das war auch die weniger schwer verletzte Gruppe (ISS 18 vs 26). Deshalb entwickelte sich auch lediglich in 13% vs 29% (p<0,02) eine Hypocalcämie. Hypocalcämie-Korrekturauf ein ionisiertes Serumkalzium >1.0 mmol/L war mit einem verbesserten Überleben jede Stunde innerhalb der ersten 24h verbunden (X2 = 14.77, P < 0.01). Tranexamsäure wurde nicht erfasst, die Komponentengruppe bekam doppelt so viel Transfusionseinheiten (6vs 3), mehr WB(+2), E Eis, 1 FFP, 1 TK, keine Cryopräziptateinheiten. Hypocalcämie ist häufig bei Massivtransfusion und wirkt sich auf die Mortalität aus. Das wussten wir bereits. Die Korrektur ist wichtig, wie diese Studie demonstriert. Die Ungleichheit der Gruppen mit erheblich höherem ISS, Transfusionsbedarf und konsequent auch höherer Sterblichkeit irritiert allerdings stark. Keine tolle Arbeit Martin Schreiber
19.05.23: Lehnte T et al. Understanding Intraoperative Transfusion Decision-Making Variability: A Qualitative Study.
Transfus Med Rev
2023 Apr;37(2):150726.
doi: 10.1016/j.tmrv.2023.150726. Epub 2023 May 19. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37315996/
Prospektive Interview-Befragung von einer überschaubaren Anzahl internationalen und erfahrenen (im Mittel 15J Berufserfahrung) Anästhesisten (n=45) und Chirurgen aus 22 universitären Häusern über die Entscheidungskriterien, bei operativen Eingriffen abseits der Herzchirurgie zu transfundieren. Übertransfusion ist von den Interview-Partnern als eine häufige Folge der Annahme unter Klinikern, dass die Evidenz aus Leitlinien nur schwer auf den individuellen Fall anzuwenden sei. Der Informationsstand der Interviewten war, dass alle seit dem TRICC restriktiver geworden sind, aber die Evidenz für restriktiv und liberal ausgeglichen sei. Die Nebenwirkungen von Anämie und Transfusion wurden von Chirurgie und Anästhesisten uneinheitlich beurteilt. Viele Transfusions-Entscheidungen im OP sind antizipatorischer Natur. Einfluss auf das Transfusionsverhalten haben auch die Versorgungssituation, der Zugang zur POCT-Analytik und die postoperative Überwachungsstrukturen und die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen. Die stärkste Motivation für eine Transfusion war übereinstimmend die Angst, zu spät oder nicht reagiert zu haben. Dass die Parameter Hämoglobinwert, hämodynamische Stabilität, Blutverliust und Begleiterkrankungen die individuelle Transfusions-Entscheidung hauptsächlich beeinflussen, heißt nicht , dass andere Begleitfaktoren nicht erhebliche Auswirkungen haben können. Übereinstimmend wurde ausgesagt, dass die Entscheidungen intraoperativ aus Gründen und aufgrund von Kriterien getroffen werden, die nur ungenügend evidenzbasierten fundiert sind. Die Aussage, dass Mediziner eher zum Handeln als zum Beobachten geneigt und ausgebildet sind, was zur Übertransfusion besonders im Operationssaal führt, ist auch bei uns uneingeschränkt gültig. Ein erwägenswerter neuer Verbesserungsvorschlag ist die interdisziplinäre Erwähnung des Transfusionstriggers im Team-Time-Out. Insgesamt interessant und lesenswert mit Anregungen zu Verbesserung und innerbetrieblichen Diskussion

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