Inkompatible Plasma-Fehltransfusion nach prähospitalem allogenem Vollblut
Brown M et al. Incorrect blood typing and mis-transfusion due to low-titer group O whole blood resuscitation. Transfusion 2025; 11. April; ahead of print. DOI: 10.1111/trf.18268
Die Anwendung von Blutkonserven am Unfallort könnte theoretisch Vorteile bringen, wenn die Indikationsstellung jeweils korrekt wäre. Da aber die klinische Erkennung von relevanten Blutverlusten und der Mangel an Gerinnungsfaltoren bereits unter kontrollierten Bedingung und verfügbarer Diagnostik in der Klinik schwer zu erkennen und nicht immer einfach zielgerichtet therapierbar ist, muss die Anwendung von Erythrozytenkonzentraten (EK) und Vollblut am Unfallort kritisch gesehen werden. Zumal keine Evidenz vorliegt. Die vorliegenden kontrollierten Studien sind entweder auf der hohen Sterblichkeit und den langen Flugzeiten nicht auf Deutschland übertragbar, oder haben keinen Vorteil zur bisherigen Beginn der Transfusion im Krankenhaus erbracht. Oft lag den beobachteten Vorteilen in den wenigen Studien lediglich ein Volumeneffekt, das heißt eine erfolgreiche Behandlung des Volumenmangelschocks mit Blutkomponenten zugrunde. Entsprechende Meinungen des Plasmaeinsatzes (siehe aus der Spinelli Gruppe van den Brink DP, et al.. Plasma as a resuscitation fluid for volume-depleted shock: Potential benefits and risks. Transfusion. 2021 Jul;61 Suppl 1(Suppl 1):S301-S312. doi: 10.1111/trf.16462 ) widersprechen der Evidenz und damit auch den aktuellen deutschen Querschnittsleitlinien.
Und trotzdem werden bereits jetzt sogar in Deutschland EK und Plasma in unplausiblen Quantitäten von Rettungshubschraubern und bodengebundenen Rettunsmitteln mitgeführt und auch außerhalb von kontrollierten und registrierten Studien verabreicht. Und auch die Diskussion der Wiedereinführung von Vollblut für diesen Zweck ist wieder aufgeflammt.
Vollblutkonserven mit niedrigem Anti-A Titer (LT0WB) im enthaltenen Plasma verursachen in der Massivtransfusion wenig, keine oder minimale Hämolyse der zirkulierenden Erythrozyten. Der Einsatz von Vollblut- meinen einige Wenige- sei genau das richtige Vorgehen in der Blutungssituation, da man genau das gleiche Verhältnis von Sauerstoffträgern, Gerinnungsfaktoren und Volumen zuführt wie es verloren geht.
Allerdings ist das bislang bewährte Konzept der effektiveren Therapie mit Einzelkomponenten- und Gerinnungskonzentraten genauer und nebenwirkungsärmer, da TRALI, Volumenüberladung, Übertragung von Viruserkankungen und Alloimmunisierung vermieden werden.
In dem vorliegenden Artikel in Transfusion sind nun 3 Fälle der Versorgung mit diesem niedrig-titrigen Vollblut der Blutgruppe (BG) 0 beschrieben, die danach im Verlauf des Krankenhausaufenthalt und weiteren Blutverlusten mit inkompatiblem Plasma der BG 0 versorgt wurden.
Der erste Fall mit ca. 500-600ml Blutverlust erhielt lediglich 2 EInheiten LT0WB vor EInlieferung, bei einer Zweitversorgung der Frakturen und einem größeren Blutverlust ein zur Blutgruppe 0 passendes EK und der Blutgruppen-0-identische Einheit Plasma. Der zweite Fall nach Sturz-Trauma und Reanimation erhielt während des Transports ins Krankenhaus ein EK BG0 und ein Plasma BG A, dann im Schockraum nochmal 2 Einheiten LT0WB wegen anhaltender Hypotension. Die anach abgenommene Blutgruppenbestimmung (Ergebnis 0) widersprach der in der Einrichtung hinterlegten BG A. Ihr wurde nach mehrfacher Überprüfung der korrekten Blutgruppe A eine Plasma- Fehltransfusion erspart. Der dritte Fall war ein verunfallter Motoradfahrer, der präklinisch zunächst ebenfalls mit 2 EK der BG 0 und 2 EInheiten Plasma der BG A erhielt, dann ebenso wegen anhaltender Hypotension eine Einheit LT0WB. Bei der Diagnostik stellt sich ein Subduralhämatom, Milzlazeration und Hämatothorax heraus, die bestimmte Blutgruppe war 0. Eine halbe Stunde nach der Vollbluttherapie erhielt er nochmalig eine Einheit Plasma der Blutgruppe 0 im Rahmen der Stabilisierungseingriffe. Bei einem Absinken des Hämoglobinniveaus auf 7g/dl in den nächsten Tagen ergab die Kontrolle der Blutgruppe nicht nur die BG A pos, sondern auch einen Allo-anti-Jk Antikörper. Dieser stammte nachweislich aus den transfundierten EInheiten. Hämolyseparameter waren nicht deutlich erhöht.
Auffallend bei den 3 Fällen sind die vergleichsweise geringen Mengen an Konserven als auch die geringen Blutverluste (< 1 l), insbesondere der Einzelgaben von Plasmakonserven. Die Indikation bei den 2 älteren Patienten war Hypotension, also Volumentherapie. Die Blutgruppenbestimmung erfolgte bei diesen nicht gerade ultravitalen Transfusionsfällen nach Verabreichung der LT0WB -Einheiten und nur fraglich über einen eigenen Zugang. In den USA wird Plasma der BG A gleichwertig zu Plasma der BG AB als Universalplasma erachtet.
Die Autoren folgern aus ihrer Darstellung, dass ein seltenes, aber klinisch signifikantes Risiko von AB0-Typisierungsfehlern nach LTOWB-Transfusionen, hauptsächlich aufgrund der Kontamination von Patientenproben mit Spenderblut besteht. Solche Fehler bergen das Potenzial für akute hämolytische Reaktionen und unterstreichen die Notwendigkeit der strikten Einhaltung der Verfahrensanweisung für die Probenentnahme. Wann immer möglich, sollte die AB0-Typisierung vor der LTOWB-Gabe durchgeführt werden, und die Proben sollten an einer Stelle kontralateral zur Transfusion entnommen werden.
Da wir wissen, dass diese Probenentnahme trotz dort strukturiert verankerter Routine in um die 1:500-1:1000 Fällen fehlerhaft ist, ist diese Schlussfolgerung mit Hinweis auf die Risiken zwar richtig. Der Hinweis zur Vermeidung jedoch kann im prähospitalen Settung nur schwerlich besser funktionieren als in der Intrahospitalroutine. Der Artikel unterstreicht die Stellungnahme der IAKH zur Prähospitalen Bluttransfusion der IAKH von 2019.
Für Sie gelesen von Th. Frietsch