Ist das Geschlecht der Blutspender/innen von Belang für die Verträglichkeit der Blutkonserve?

Zeller MP et al. Sex-mismatched red blood cell transfusions and mortality: A systematic review and meta-analysis. Vox Sang. 2019 May 23. doi: 10.1111/vox.12783.

Bis zum kürzlichen Verständnis der TRALI-Ursachen wurde nicht angenommen, dass das Geschlecht der Blutspender Auswirkungen auf die Verträglichkeit beim Spender hat. Aber da hatte man auch einen Pathomechanismus gefunden, der dafür verantwortlich war - die Anti-HNA Bildung im Rahmen von Schwangerschaften. Um sicherzustellen, dass keine weiteren, noch nicht bekannten Unverträglichkeiten beim geschlechterübergreifenden Transfer von Blut eine Rolle spielen, hat eine kanadische Forschergruppe jetzt eine Meta-Analyse angestrengt.

Vorab hatte eine andere kanadische Arbeitsgruppe 2016 in JAMA ein um 8% erhöhtes Risiko nach dem Erhalt eines Erythrozytenkonzentrats einer weiblichen Spenderin konstatiert (retrospektiv, n=30 503, Pubmed). Eine niederländische Gruppe fand bei der Analyse von über 31 000 EK-Transfusionen von Frauen, die im Lauf ihres Lebens einmal schwanger waren, bei männlichen Empfängern eine erhöhte Mortalität, nicht aber bei Frauen (Pubmed)! Zwei schwedische Studien konnten keinen Zusammenhang feststellen.

Es gibt keine kontrollierte Studie zu diesem Problem, aber es fanden sich in der aktuellen Analyse 5 retrospektive Beobachtungsstudien (n=86 737), die das Geschlecht der Spender und Empfänger registriert und zugeordnet hatten.

Erstaunlicherweise stellte sich heraus, dass die Mortalität nach 6 geschlechtsfremden Transfusionen um 13% erhöht war (pooled hazard ratio [HR]: 1,13; 95% confidence interval [CI]: 1,02-1,24). Dieser Bezug war allerdings in der Subgruppe der kardiovaskulärer Patienten (n=57 712) nicht nachweisbar (pooled HR: 1,08; 95% CI: 0,95-1,22). Der Nachbeobachtungszeitraum war sehr heterogen - von der Sterblichkeit im Krankenhaus bis zu 12 Jahren danach. Wenn geschlechtszugeordnete EK-Transfusion die Sterblichkeit auch nur um 0,5% von 10% auf 9,5% senken würden, müsste man 200 Patienten behandeln, um ein Leben zu retten (NNT). Bei 85 Mio. jährlich transfundierten EKs weltweit, würde das jedoch bereits nahezu eine halbe Million Menschen das Leben retten!

Natürlich ist es nur eine Analyse retrospektiver Daten aus Beobachtungsstudien und ist durch die Störfaktoren Erkrankungsschwere, Mehrkomponententransfusion etc. verwässert. Außerdem ist unklar, wieviele von den erhaltenen EKs von gegengeschlechtlichen Spendern waren oder wie klar die Klassifikation die Dosis der gleichgeschlechtlichen EKs berücksichtigt hat. Wenn nur die Empfänger eines EKs analysiert werden, fehlen die schwerer Kranken. Also viele Störfaktoren, die bei dem doch bedeutsamen Ergebnis nur eine kontrollierte Studie mit ausreichender Power und strikter randomisierter Trennung von gleich und gegengeschlechtlicher EK-(bzw. Blutprodukte-)Transfusion eliminieren kann.

Ich finde es auch deshalb spannend, weil bidirektional andere Mechanismen für die geschlechtsabhängige Therapieergebnisse möglich sind. Die Autoren diskutieren, dass der Überschuss an männlichen Erythrozytenhämoglobin den weiblichen Haptoglobinpuffer und das RES überlasten könne, vermehrt freies Hämoglin die weiblichen Stickstoffmonoxidvorräte erschöpfen und damit zu endothelialer Dysfunktion und Folgeschäden führen könne. Weibliche Erythrozyten könnten für männliche Empfänger über immunsuppressive Mechanismen schädlich sein, da Subpopulationen der erythrogenen Precursorzellen von Schwangeren und jungen Frauen eine Überlastung in immunkompetenten Zellen von Neugeborenen und Krebspatienten verursachen können.

 

Pubmed

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

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