Ist PBM unwirksam hinsichtlich Outcome und Kosteneffizienz?

Roman MA et al. Patient blood management interventions do not lead to important clinical benefits or cost-effectiveness for major surgery: a network meta-analysis. BJA June 30, 2020DOI:https://doi.org/10.1016/j.bja.2020.04.087

Obwohl seit langem in USA und Australien das Drei-Säulen-Konzept des „Patient Blood Management“ nach erwiesener Datenlage zu Vorteilen hinsichtlich Verbesserung des Behandlungsergebnisses („Outcome“) verpflichtend ist und von Patienten und Kassen eingefordert wird, kommt eine britische „Netzwerk-Metaanalyse“ zu einem gegenteiligen Ergebnis.

Die Autoren haben dafür die Literatur zu den 5 gebräuchlichsten Interventionen des PBM, nämlich die präoperative Anämietherapie mittels oralem oder intravenös verabreichtem Eisen, der intraoperativen Maßnahmen maschinelle Autotransfusion und Tranexamsäure, perioperatives Point of care testing (POCT)- Gerinnungsmanagement und die Akzeptanz restriktiver Transfusionstrigger als Einzelmaßnahmen oder gemeinsames Konzept daraufhin geprüft, ob sie das Outcome oder die Behandlungskosten senken konnten. 

Die Autoren schlossen 393 randomisierte Studien mit knapp n=55 000 Patienten aus allen chirurgischen Fachgebieten in die Analyse mit ein. Für die jeweiligen Analyseziele wird im Anhang ein Flussdiagramm geliefert, indem man ersehen kann, welche Studien und wieviele Patienten in die Endanalyse einflossen. Die Autoren erstellten Forrest Blots zu ihren Analysenzielen Transfusionsbedarf, Mortalität, Morbidität und Verweildauer auf Intensivstation und im Krankenhaus.

Das Risiko des Blutverlusts und auch der Transfusionsbedarf konnte durch die kombinierte Auswahl aller PBM-Instrumente reduziert werden:Erythrozytenkonzentrate EK maximal um 78% ([RR] 0,22; 95% confidence interval [CI] 0.14-0.34), im Mittel durch alle Einzelanwendungen und Kombinationen um 4O% ((RR) 0.60; 95% CI 0.57, 0.63; I21⁄477%). Pro Patienten wurden im Mittel 0,83 Einheiten Fremdblut eingespart.
Die Krankenhausverweildauer konnte um 38%, die Intensivstationverweildauer um 13% (mittlerer Differenz) gesenkt werden.

Das Outcome (Mortalität, Morbidität, Komplikationen) konnte weder durch die Kombination aller noch Einzelner oder mehrerer PBM Instrumente verbessert werden (RR=0.93; 95% CI 0.81, 1.07; I2=0%). 
Die Kosteneffizienz war in einer zugrundeliegende Studie nicht eindeutig.

Die etwas überraschende Ineffektivität bezüglich der klinischen Endpunkte interpretieren die Autoren  als Argument gegen den Routineeinsatz des Konzepts, lediglich in Gebieten mit Blutkonserven-Mangel könnte man es einsetzen. Als beachtenswerte Instrumente blieben restriktive Trigger und Tranexamsäure. Auf dem Boden ihrer Analyse könne PBM nicht weiter empfohlen werden und müsse erst vorher eingehend untersucht werden.

Das BJA und die britische Autorengruppe müssen sich aus meiner Sicht mehr als eine berechtigte Kritik gefallen lassen: Einen derart verkürzten Artikel als Meta Analyse abzudrucken, ist dem wissenschaftlichen Austausch nicht dienlich. Die Mehrzahl der unbedingt notwendigen Detailinformationen (welche Studien wurden eingeschlossen, welche nicht berücksichtigt aus welchem Grund...) findet sich nur im uneditierten und langen Word-Appendix.
In den Abbildungslegenden des Artikels sind Resultate aufgeführt, teilweise sind in den Outcomes mit PBM dargestellt, die dem Titel des Artikels widersprechen. 

Wenn es kein klinisch relevanter Vorteil ist, dass der Transfusionsbedarf und die Verweildauer im Krankenhaus deutlich und auch in dieser Analyse nachweisbare Effekt von PBM gesenkt werden kann, was dann? Warum hat die Arbeit dann einen Titel der genau das Gegenteil sagt?
Aus Studien, die als Studienziel die Gleichwertigkeit der verglichenen Alternativen bewiesen haben (in der Suchstrategie waren Studien zur restriktiven versus liberalen Transfusionsstrategie angegeben), im Nachhinein die Ineffizienz der erprobten neuen (PBM) Therapie zu konstatieren, ist nicht nur wissenschaftlich unsauber, sondern irreführend. Aufgrund nur einer Studie die Kosteneffizienz in den Titel des Manuskripts zu wählen und darüberhinaus in Frage zustellen, erscheint vorschnell, voreingenommen und unsauber recherchiert. Letzter Punkt ist auch Inhalt eines Leserbriefs von Hans Gombotz, Donath Spahn und Axel Hofmann (Trentino et al.).


Meine Bewertung: Eine nicht unbedingt lesenswerte und keinesfalls ernstzunehmende Publikation, die mehr Unsicherheit schafft als neutralen Erkenntnisgewinn .

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

 

 

 

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