Kosteneffizienz der Eisentherapie der präoperativen Anämie

Avau B et al. Lack of Cost-Effectiveness of Preoperative Erythropoiesis-Stimulating Agents and/or Iron Therapy in Anaemic, Elective Surgery Patients. Pharmacoeconomics. 2021 Oct;39(10):1123-1139. doi: 10.1007/s40273-021-01044-3.

Wir hatten schon über die (nicht sehr gut gemachte) Meta-Analyse der Eisentherapie bei präoperativer Anämie im Frühjahr 21 berichtet (Van Remoortel et al.). Nun ist die erwartete ökonomische Interpretation zum gleichen Thema derselben Autorengruppe veröffentlicht worden, mit wenig Überraschungen. Was sollte auch eine Kosteneffizienz-Analyse einer vorher als "ineffektiv" beurteilten Maßnahme erbringen als "nicht zu empfehlen"?

Ausgewertet wurden diesmal 5 Kostenanalysen der präoperativen Eisentherapie für die große orthopädische Chirurgie (n= 5653 vs. Kontrolle 14251) und die einer herzchirurgischen RCT Studie (n=154 vs. 73 ). Die Beobachtungsgröße des Gesamtkollektivs war damit sehr überschaubar, ein erhebliches Übergewicht stammte aus einer Kohortenstudie, die 22% der Patienten mit präoperativem intravenösem Eisen fraglicher Dosis vs. keiner Therapie verglich (Basora et al., n=4341 vs. 13336).

In den eingeschlossenen Studien von Basora 2018, Coyle 1999, Coyle 2000, Craig 2006 und So-Osman 2014 konnte eine Effektgröße (Verringerung der Transfusionsrate und des Transfusionsbedarfs) der unterschiedlichen und nicht einheitlichen Interventionen (oral oder i.v. Eisen mit oder ohne EPO und auch 2 Studien mit Eigenblutspende) von 10 bis nahezu 80% nachgewiesen werden. Nur drei der Studien hatten die unerwünschten Wirkungen und Komplikationen der Transfusionstherapie gegengerechnet.

Die ökonomischen Berechnungen verwenden gebräuchliche Parameter wie die Zusatzkosten der Eisentherapie von 831€ im Vergleich zu den Therapiekosten mit einem allogenen Erythrozytenkonzentrat (EK) von 405€. Im Folgenden wurden über die ausgewählten Studien (einzeln in der Tabelle 3 aufgelistet) die Kosten pro eingespartem Fremdblutkonzentrat und pro gewonnenem Lebensjahr errechnet.

Die Zusatzkosten pro eingespartem Fremdblutkonzentrat: Die Kosten der Transfusionsvermeidung bei einem Patienten mit der Strategie EPO und Eisen betrugen schätzungsweise 7300€. Die Kosten der EPO- und Eisentherapie während einer Eigenblutspende pro vermiedenem Fremd-EK betrugen 1325€.

Die Zusatzkosten pro gewonnenem Lebensjahr: Ein qualitäts-adjustiertes Lebensjahr (Qaly), das durch die präoperative Anämietherapie mit EPO und Eisen gewonnen wurde, kostete 56 Mio €, als Zusatztherapie zur Eigenblutspende 280 Mio € bzw. zur Herzchirurgie 38 Mio €. Wurden nur die Studien ausgewählt, die die Zusatzkosten der EPO- und Eisentherapie bei schwerem Blutungsrisiko und damit hoher Effektivität der Therapie errechneten, ergaben sich Zusatzkosten pro Jahr von 3 bis 4,5 Mio/Qaly.

Die Kosteneffizienz der intravenösen Eisenmonotherapie ist damit eindeutig nicht zu beurteilen, was die Autoren auch eingangs der Diskussion einräumen. Wo man den Autoren recht gegeben muss, ist, dass die Kombination von EPO und Eisen als Routinetherapie und breit angewendet (und ohne nach der Art der Anämie zu differenzieren) zu teuer ist. Das hatten aber die Wenigsten vor Publikation dieser Analyse angenommen.

Die Datenlage und auch diese Arbeit ist viel zu unpräzise und läßt keinerlei Vergleich von Dosierungen, Interventionszeitpunkten, Observationszeiträumen und primären Studienendpunkten als wesentliche Einflüsse der Kostenberechnungen zu. Die Eisenmangelanämie als zu therapierende Erkrankungen wurden bisher nicht standardisiert als solche diagnostiziert. Die Kostenberechnungen dieser Studien erfolgten teilweise ohne Einschluss der Krankenhausverweildauer und ohne die der Bluttransfusion. Diese eigentlich heutzutage dringend notwendigen Unterscheidungen fordert im Kontext des differenzierten Anämiemanagements auch ein Leserbrief von Trentino et al. Weiterhin waren weitere existierende Studien nicht eingeschlossen worden, die Einschlusskriterien der Analyse aber nicht vorab veröffentlicht worden.

Außer der im Leserbrief geäußerten Kritikpunkte existieren zahlreiche Andere: Die dieser Analyse zugrunde gelegte Fallzahl ist nur deshalb ausreichend groß, weil die Kohortendaten aus der Publikation von Basora et al. einflossen, was im Widerspruch zu den behaupteten hohen Methodikanforderungen (nur RCTs) dieser Autorengruppe aus dem "Belgischen Zentrum für Evidenzpraxis" steht. Die eingeschlossenen Studien hatten außerdem den primären Endpunkt, die Effektivität der Eisen/EPO-Therapie durch die Verringerung des Anteils der transfundierten Patienten zu beweisen. Logischerweise würde ein Vergleich der Kosten (Effizienz statt Effektivität) zweier wetteifernder Strategien (Erythrozytentransfusion vs. Steigerung der Erythropoese) zur Therapie einer Anämie andere Studienziele, Schwerpunkte und Modalitäten setzen. Eine RCT zum Vergleich der Kosteneffizienz von Bluttransfusion zur Eisen- und EPO-Therapie verbietet sich aus guten ethischen Gründen.

Da der Sponsor dieser Studie (European Blood Alliance und das Belgische Rote Kreuz) schon auch die vielbesprochene Frankfurter "Consensus"-Konferenz unterstützt hat, ist das Ergebnis zu erwarten gewesen. Beiträge zum wissenschaftlichen Kenntnisschatz wie diese sind eindeutig verzichtbar.

Pubmed

 

Für Sie gelesen von Th. Frietsch

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